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Jede Zeile besteht aus zwei Halbzeilen, deren jede zwei Haupthebungen hat, d. h. zwei Silben, auf welche der nachdrücklichste Ton fällt. Von diesen vier Haupthebungen nun antworten sich zwei oder drei durch Alliteration ). Vor, zwischen und hinter jene können sich mehr oder weniger schwach oder gar nicht betonte Silben schieben, so daß also das rhythmische Gesetz immer dasselbe bleibt, jede einzelne Zeile aber doch ihren eignen, freien Gang nimmt; ein rhythmisches Fortschreiten, das für epische Darstellung dieselben Vortheile darbietet, wie der homerische Hexameter:

Her furlaet im lande luttila sitten
Prut in bure, barn unwahsan,
Árbeolaosa: her raet ostar hina.

Sid Detriche darba gistuontun

Fateres mines; dat was so friuntlaos mann.
3. 18-22.

In meiner Uebertragung habe ich, um doch einigermaßen den rhythmischen Gang zu bezeichnen, die vier Haupthebungen beibehalten und durch Accente angedeutet; die Alliteration vermochte ich nicht wiederzugeben **).

Die Sprache des Gedichtes ist nicht die hochdeutsche, sondern gehört der niederdeutschen Gestaltung an, und vermuthlich haben wir hier die eigentliche fränkische Mundart des achten Jahrhunderts vor uns. Dies bedarf einer Erläuterung, da über die verschiedenen deutschen Mundarten oft ganz falsche Vorstellungen herrschen und über die eigentlich fränkische jedenfalls Frrthümer im Gange sind. Man nennt nähmlich die später erscheinende althochdeutsche Sprache auch fränkisch, gewöhnlich im Gegensatz zu dem Mittelhochdeutschen, das nun wieder schwäbisch seyn soll. Die Bezeichnung fränkisch hat eben viel

*) Ueber das Wesen der Alliteration vgl. meine deutsche Sprache. B. 2. S. 627 u. 641.

**) Doch findet fie fich in 3. 2. 4. 11. 12. 15-18. 24. 28. 33-36. 38. 39. 42. 44. 45. 47. 51.

Bedeutungen. Die Franken waren ursprünglich so gut wie Sachsen und Friesen ein niederdeutscher Stamm; sie wohnten am Niederrhein an der Maas und Mosel; als ihre Nachkommen müssen wir die Niederrheiner, Luxenburger und Belgier ansehen. Begreiflich war nun auch ihre Sprache eine niederdeutsche Form, und das jezige Niederrheinische, wie es um Aachen und Cölln gesprochen wird, kann als Fortsetzung des ursprünlich Fränkischen gelten. Als die Franken Gallien, das alemannische und thüringische Reich eroberten, erhielten diese Gegenden auch den Rahmen Franken, d. h. fränkisches Reich, und die deutsche Sprache überhaupt wurde nun im Gegensatz zur lateinischen die fränkische genannt, ohne daß man hier an die Mundart des Franken stammes zu denken hätte. Nach der Theilung des fränkischen Reichs behielten die Länder am Main, früher im Besitz der Alemannen, ganz zufällig den Nahmen Franken, weil sie früher den fränkischen Königen als Kammergut gedient hat. ten, und wenn wir jezt von fränkischer Mundart sprechen, so meinen wir damit die Mundart um Würzburg und Bamberg, oder kurzweg die Sprache des ehemaligen fränkischen Kreises. Nachdem die in Gallien anfäßigen Franken die verderbte lateis nische Sprache angenommen hatten, nannten sie die deutsche Sprache die alemannische, mit vollem Recht, da dieselbe von den Alemannen ausgieng. Man unterscheide also: 1) fränkische Stammsprache, eigentliche Mundart der alten Franken; 2) die altfränkische Sprache, d. h. die nach Karln dem Großen gangbarste Sprache in Deutschland, das Althochdeutsche; 3) die jetzige fränkische Mundart, d. h. der Dialect von Nordbaiern. Wenn wir nun für unser Lied das Fränkische in Anspruch nehmen, so kann damit nur die Stamm sprache der Franken ge. meint seyn. So viel ist gewiß, daß die Sprache des Bruchstücks niederdeutsch ist und nicht hochdeutsch, d. h. alemannisch. In hochdeutscher Mundart haben wir aus jener Zeit ziemlich viel Sprachdenkmäler, von eigentlicher Poeste jedoch nur ein kleines poetisches Gebet, unter dem Nahmen des Wesfobrunner Gebetes bekannt. Uebrigens waren in jener Zeit die verschiedenen deutschen Mundarten gewiß nicht in der Art

Götzinger Lit.

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getrennt, wie jetzt. Der Alemanne verstand ohne Zweifel den Franken recht gut, und dieser den Baier.

11.

Christliche Dichtung des neunten und zehnten
Jahrhunderts.

S. 12.

Heliand. Muspilli. Otfried.

Obgleich die ältere epische Dichtung vergessen war, blieb doch die Form derselben immer noch im Gebrauch, und es scheint, daß es auch nach Karln dem Großen, als die Geistlichen anfiengen sich der Poesie zu bemächtigen, noch Sänger von Gewerbe gab. Ludwig der Fromme soll einem Niederdeutschen den Auftrag ge= geben haben, die evangelische Geschichte poetisch zu bearbeiten, und wir besitzen dessen Werk noch *). Es zeigen sich darin noch viel Spuren ächter alter Poesie, und die Form ist ganz die frühere der Alliteration. Um dieselbe Zeit oder früher mag ein hochdeutsches Gedicht entstanden seyn, das der Herausgeber jenes niederdeutschen uns ebenfalls bekannt gemacht hat unter dem Namen Muspilli **). Die Form ist wieder die der Alliteration, aber ganz verkümmert, so daß man sieht, wie sie absterben wollte. Gegenstand der Dichtung ist eine Schilderung des jüngsten Gerichts, wobei denn christliche und heidnische Be. griffe sich eng verbinden. Das Bruchstück (denn das Gedicht ist nicht vollständig) hat übrigens sehr gelungene Stellen, die aber

*) Heliand oder die altfächsische Evangelienharmonie. Herausgeg. von Schmeller. Stuttg. 1830. In Wackernagels Lesebuch findet sich kein Bruchstück davon, da der Herausgeber das Sächsische ausgeschloffen hat.

**) Muspilli. Bruchstück einer althochdeutschen alliterierenden Dichtung vom Ende der Welt. München 1832. Abgedruckt in Wackern. Lef. Seite 70.

wohl nicht dem Dichter angehören, sondern Erinnerungen an ältere Dichterwerke sind. Die Schilderung des Streites zwischen Elias und dem Antichrist gebe ich in neuhochdeutscher lleber tragung:

Se hört' ich sagen die Weltweisen:

Daß der Antichrist soft mit Elias streiten.

Der Böse ist gewaffnet, und es wird unter ihnen Krieg

anheben.

Die Kämpfer sind so kräftig, die Sache so groß.
Elias streitet um das ewige Leben,

Will den Fromamen die Herrschaft befest’gen.
Darum soll ihm helfen, der des Himmels waltet.
Der Antichrist steht bei dem Altfeinde,
Steht bei dem Satanas, der ihn *) versenken soll.
Drum soll auf der Wahlstatt verwundet er fallen
Und in dem Gange fieglos werden.

Und es glauben viele der Gottesmänner,
Daß Elias verleht in dem Kampfe werde.
Und wenn des Elias Blut träuft auf die Erde,
So entbrennen die Berge, kein Baum besteht,

Kein einz'ger, auf Erden, die Wasser vertroďnen,

Das Meer verschwilgt sich, es schmilzt von der Lohe der
Himmel.

Der Mond fällt herab, der Erdkreis brennt,

Kein Stein bleibt stehen. Kommt der Vergeltungstag,

Um heimzusuchen mit Feuer die Menschen,

Dann mag ein Bruder dem Bruder nicht helfen,

Wenn völlig verbrennt der weite Erdkreis

Und Feuer und Luft ihn ganz verzehrt.

Dies ist das lehte Gedicht in der alliterierenden Form, wels ches wir besihen. Alles aus den nächsten Jahrhunderten Aufbewahrte ist Mönchspoeste, meist christlichen Inhalts. Damit ist aber natürlich nicht bewiesen, daß es keine andere gegeben hätte; denn von keiner Zeit als gerade von dieser gilt die Bes hauptung so sehr, daß alle überlieferte Literatur nur Bruchstüc

*) Nähmlich den Elias.

rey. So viel ist aber gewiß, daß die deutsche Sprache in eine Art Verachtung sank, daß die lateinische Sprache nicht nur die eigentliche Büchersprache wurde, sondern auch die Sprache der Verhandlungen, und daß die besten Köpfe sich eher auf latei. nische Poesie legten als auf deutsche, die nun wohl größtentheils dem gewöhnlichen Volksliede anheimfiel.

Merkwürdig ist nun die Erscheinung Otfrieds. Seine eigentliche Heimath kennen wir nicht, und wissen nur, daß er Benediktinermönch zu Weißenburg im Elsaß war, und hier zwischen 863 und 872 sein großes Gedicht in fünf Büchern verfertigte, das unter dem Nahmen Krist bekannt ist *). Es enthält in 15,000 Versen das Leben, die Lehre, den Tod, die Aufer. stehung und die Himmelfahrt des Heilandes, aber nicht in der Form eines zusammenhängenden Epos, sondern in einzelnen Liedern, und überhaupt ist nicht die Erzählung Hauptsache, sondern die Anwendung, die eingestreuten Moralien und mystischen Erklärungen. Als Hauptwerk der althochdeutschen Sprache bleibt Otfrieds Krist immer ein sehr wichtiges Erzeugnis; als Sprachdenkmal hat es unendlichen Werth. Der poes tische Gehalt ist gering und steht weit hinter dem des nieder. deutschen Heliand zurück, den Otfried übrigens gar nicht gekannt hat. Ein unpoetischer Kopf ist zwar der leztere nicht, und es finden sich bei ihm viele einzelne, ansprechende Stellen, aber diese machen eben noch keinen Dichter; er schrieb sein Werk zur Erbauung, hatte seine poetische Bildung durch die Lectüre der älteren lateinischen Dichter und späterer christlicher Pocten *) er= halten. Die zu seiner Zeit gangbare deutsche Volkspoesie ver

*) Neueste Ausgabe von E. G. Graff. Königsb. 1831. **) Er erwähnt felbft den Juvencus, Prudentius und Arator, drei lateinische Dichter des vierten, fünften und sechsten Jahrhunderts; der erste bearbeitete die Genesis und das Evangelium Matthäi in Hexametern, der dritte die Apostelgeschichte; der zweite schrieb chriftlich Hymnen, besonders über die Wunder Jesu. Arator scheint das Vorbilb Otfrieds gewesen zu seyn, denn auch bei ihm wird Handlung und Lehre immer untereinander gemischt, so daß der Inhalt der Apostelgeschichte und die apoftolischen Briefe in ein Ganzes verarbeitet find.

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