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tenes, den Simplicissimus, und ohne Zweifel auch Balthasar Schupp, der doch wohl in Hamburg noch nicht verschollen war, und schon ohne Hamanns und Herders Einfluß ließe sich hieraus die neue Manier von Claudius erklären, die ganz im Sinne der S. 254 angeführten kecken Worte von Schupp sich ausbildete. Den Ausschlag gab aber jedenfalls Herder, der in seinen Fragmenten die idotistische Schreibart so empfahl. »Nirgends, sagt Herder, reizt diese idotistische Schreib„art mehr, ja nirgends ist sie unentbehrlicher als bei Schrift: »stellern der Laune, bei Dichtern von eigener Manier und in „dem Vertrage für den gemeinen Mann, der auch in Schriften „leben soll. Nimmt man diesen das Idiotistische ihrer Sprache »als einer lebendigen, als einer angeborenen, als einer National„sprache, so nimmt man ihnen Geist und Kraft." —

Diese Worte zündeten bei Claudius, er lieferte schon 1770 Gedichte und Auffäße in eine Hamburger Zeitung (Adreßcomptoirnachrichten), die einen halb kecken, halb nachläßigen Ton anschlugen; i. I. 1770 aber stiftete er mit Bode eine Zeitung im Volkston, der deutsche Bote genannt, später der Wands becker, und hier trat er unter dem Nahmen Asmus in der Maske eines Landmannes auf, der von seinem Gesichtspunkte und in seiner Sprache die Welt und die Literatur beurtheilt, oder Natur und Menschenleben poetisch darstellt.

Einen Theil jener Auffäße und Gedichte, so wie die Lieder, die er zum Musenalmanach geliefert, gab er 1775 in einer Sammlung heraus unter dem Titel: Asmus omnia sua secum portans, oder sämmtliche Werke des Wandsbecker Boten, und diesen sonderbaren Titel behielt denn die Sammlung in den folgenden Theilen *), nachdem der Wandsbecker Bote als Zeitung

*) Und leider druckt der Verleger immer diese alte Ausgabe wieder ab, so daß wir noch gar keine Sammlung von Claudius Schriften be: fißen. Denn die vorhandene enthält eine hübsche Anzahl der beften Sachen gar nicht, dafür aber in den spätern Theilen Ueberseßungen aus dem Franzöfifchen, welche gar nicht in eine solche Sammlung gehören. Es wäre sehr zu wünschen, daß ein Kenner der Literatur uns mit einer Ausgabe von Claudius Gedichten und Auffäßen be schenkte, wo dann natürlich nicht Profa und Verse, wie jeßt, durch.

längst verschollen war (er hörte schon 1775 auf). Zu der Maske des Asmus kam nun die zweite Maske eines gebildeten Vetters, der in etwas höherem Tone schrieb und sich sogar in Klop= stocks Manier zu finden wußte. Diese Doppelfertigkeit war für eine gründliche Ausbildung des wackern Mannes nicht gerade wohlthätig; daß er sie in einer Zeitung durchführte und so ein dramatisches Leben hervorbrachte, war ein guter Wurf, auf die Dauer erhielt diese angenommene Manier etwas gemachtes und unnatürliches. Das Volksmäßige in der Rolle des Asmus suchte er anfangs nicht nur in der Gesinnung und Lebensansicht, sondern auch in einer sonderbaren Rechtschreibung und Grammatik, wie sie gewiß kein Landmann anwenden wird. Diese Bizarrerie wurde ihm aber bald verleidet, einmal durch die Nachahmerheerde, welche schon meinten, Volksschriftsteller und Humoristen zu seyn, wenn sie schrieben: „'s geht, muß's thun, 'n Mensch, hab'n gesehn, hab' mit 'm geredt, hab'n g'sagt, daß ste's wüßten." Dann aber durch eine derbe Satyre, die, (wahrscheinlich von Lichtenberg, der übrigens ein großer Verehrer von Claudins war), im deutschen Museum erschien (1778) und worin ein zweiter Better auftrat und im leibhaftigen Tone des Asmus sich Auskunft über die neue Sprache ausbat. „Ist als wollt' unser„eins immer wie ein Tyroler gehen. Auf der Maskerade mag's „wohl gut seyn, und wenn einer sonst einen hübschen Wuchs „hat, kleidet ihn alles gut. Aber auf alle Tage wär's doch „wunderlich."

Uebrigens kam Claudius in den Verdacht, er habe, wie andere, die Sprache des Göz von Berlichingen nachahmen wollen. Das war nun durchaus falsch, Göthe hat gar keinen Einfluß auf ihn gehabt, seine ganze Manier war schon fertig, ehe Göthe's Nahme nur genannt worden. Claudius ist der erste Jünger Hamanns und Herders und doch auch ganz original; er ist auch der erste deutsche Humorist in der neuen Literatur, in dem einfachen Sinne, daß Humor der Wih des Gefühls und

einander laufen mußten. Eine Ausgabe, mit den nöthigen Anmerkungen versehen, wäre zugleich ein bedeutender Beitrag zur Ge schichte der Literatur.

der Empfindung sey. Aechte und wahre Empfindung, dabei Heiterkeit und Biederkeit, Sinnigkeit der Auffassung und Sichtbar= keit der Darstellung wird ihm nie abgesprochen werden können; nur Sauberkeit der Ausführung geht ihm oft ab; er ist einem Mahler zu vergleichen, der durch originale Erfindung, lebendige Gestaltung und treffendes Colorit zugleich befriedigt, dabei aber die Grille hat, seine Arbeiten auf grobes Papier zu werfen. Für seine Zeit war Claudius eine sehr wohlthätige Erscheinung, auch ward er der Lieblingsschriftsteller eines großen Kreises; Herder schäßte ihn außerordentlich und nahm sein Abendlied neben Göthe's Fischer in die Volkslieder auf, um zu zeigen, welchen Weg die neuere Dichtung nehmen müsse, wenn sie volksmäßig und wirksam werden wolle.

§. 114. Bürger.

Wurde Claudius der Volksschriftsteller seiner Zeit: so Bürger der eigentliche Volksdichter derselben. Gottfried August Bürger war 1748 zu Wolmerswende im Halberstädtischen ge= boren, wo sein Vater Prediger war. In Halle gerieth er in die schlechte Gesellschaft von Kloh, dem Lessing in den antiquarischen Briefen das berühmte Denkmal gesezt hat, und wälzte sich im Schlamme der Sinnlichkeit; von seinem Großvater ab: gerufen, mußte er nach Göttingen, wo er die Rechte studierte, ließ sich aber auch hier mit der schlechtesten Gesellschaft ein, bis Boie, der auf sein Talent aufmerksam wurde, sich seiner an= nahm und ihn in die edlere Verbindung mit Miller, Hölty, Hahn und Voß brachte. Ehe der Hainbund geschlossen wurde, ward er durch Boie's Vermittlung Justizbeamter zu Altengleichen, welches Amt weder seinen Neigungen entsprach, noch ihn hinlänglich nährte. J. J. 1774 verheirathete er sich, trug aber im Herzen den Keim zu einer glühenden Leidenschaft für die jüngere Schwester, eine Leidenschaft, die von dieser bald erwie dert wurde. Er ward so der Gatte zweier Frauen, mit völliger Zustimmung der ihm vor dem Altare Angetrauten. Was also die Dichter dieser Zeit, nahmentlich Göthe, so vielfältig zum Gegenstand ihrer Dichtungen wählten: Kampf zwischen Leiden

schaft und Herkommen, Liebe und Pflicht, Naturtrieb und Sitte, das verwirklichte sich bei Bürger thatsächlich. Brachte ihm nun dieses Verhältnis Verlegenheiten, Kummer und bittere Kräns kungen: so traten drückende Nahrungssorgen und eine Lage, die ihm nicht genügte, hinzu, um den aufstrebenden Geist des Dichters niederzubeugen, und man begreift kaum, wie er nicht früher unterlag. J. J. 1784 durfte er nach dem Tode der ältern Schwester sich seine Auguste, von ihm so oft unter dem Nahmen Molly besungen, öffentlich vor dem Altare antrauen lassen. Jezt zog er auch nach Göttingen, um an der Uriversität Vorlesungen zu halten; aber schon im folgenden Jahre wurde ihm seine angebete Gattin durch den Tod entrissen, ein Schlag, von dem sich sein Gemüth nie wieder erholen konnte. Er fühlte das Bedürfnis, seinen verwaisten Kindern eine Mutter zu ge= ben; ein Mädchen aus Stuttgart, Elise Hahn, das von seinen Gedichten bezaubert war, hatte den Muth, ihm in einem Liede ihre Hand anzubieten, und er schloß mit ihr 1790 seine dritte Ehe. Auch hier sehen wir einen Bund geschlossen, der so übereilt und außergewöhnlich sonst nur in poetischer Darstellung erscheint. Die Ehe fiel so unglücklich aus, daß sie nach zwei Jahren getrennt werden mußte. Niedergedrückt von Kummer und Armuth, von Krankheit und Schwermuth starb der Lieblingsdichter der Nation den 8. Juni 1794.

blieb er

Der Lieblingsdichter der Nation; dies ward er, lange und verdiente es zu seyn. Er ward von Klein und Groß, von Hohen und Niedern, von Alt und Jung nicht bloß gelesen, sondern auswendig gelernt. Und diese Balladen und Lieder lernten sich so leicht auswendig, prägten sich dem Ohre so gern und dem Gedächtnis so fest ein durch den melodischen Strom ihrer Verse und die kräftige Fülle der Sprache, durch die Rein= heit des Ausdrucks und die lebendigste Vergegenwärtigung.

Bürger hatte sich anfangs so ziemlich in den Schranken seiner Landsleute, der Halberstädter, gehalten und war mehr auf ein reizendes oder heiteres Colorit ausgegangen, als auf feste, lebendige Zeichnung. Von Boien lernte er Reinheit der Sprache und Strenge der Anordnung als unverbrüchliches Geseß der Dichtkunst ansehen; die Bekanntschaft mit Percy's Ueberresten

und Herders fliegenden Blätter warfen ihn in die neue Richtung und die Leonore entschied seinen Ruf, ein Gedicht, das durch die Wirkung, die es machte, mit Klopstocks Messias, mit Göt von Berlichingen und Werther verglichen werden kann. Daß nun Bürger mit dem neuen Grundsahe der Kraft, Ungebundenheit und Volksmäßigkeit nicht die frühere Gewohnheit der Reinheit, Richtigkeit und Klarheit in Ausdruck und Anordnung fahren ließ, unterscheidet ihn eben sowohl von den Frankfurtern und Pfälzern, als von Claudius, und gerade das machte ihn zum Volksdichter. Er vergaß über seiner Kunst sein äußeres Elend und erhob sich oft ganz mit poetischem Leichtsinn über alle Zerwürfnisse; man sieht seinen bessern Erzeugnissen durchaus keine Trübung und Verbitterung des Gemüths an, die meisten zeugen von Gesundheit und Frische, selbst diejenigen, welche sein unnatürliches Liebesverhältnis zum Gegenstande haben. Die Herderschen Ansichten von Volksmäßigkeit bildete er selbständig aus, aber so daß Herder selbst seine größte Freude an dieser Poesie hatte. Bürger forderte von der volksmäßigen Poesie vor allem, daß sie nicht ausländisch sey, weder Sprache noch Ton aus der Ferne, sondern aus dem Volke schöpfe; daß Gegenstand und Behandlung der Auffassungs- und Empfindungsweise der Nation entsprächen; er verlangte den eigenthümlichsten, treffendsten, aus der lebendigsten Mundsprache angegriffenen Ausdruck des Gedankens, zugleich aber auch die pünktlichste Richtigkeit und Reinheit und einen leichten, wohlklingen Versbau. Als Grundlage aller Volkspoeste betrachtete er das Epos, diejenige Dichtung, welche den Glauben und die Thaten des Volkes volksmäßig darstelle; das verloren gegangene deutsche Epos aber meinte er in der Ballade wiedergefunden zu haben, und bearbeitete dieselbe in solchem Sinne. Was alle ächte Volksdichtung auszeichnet: strenge Zeichnung in kurzen Worten und kecken Würfen, kräftiges Fortschreiten in rascher und doch sicherer Be= wegung diese Gabe besaß er von Natur und bildete sie durch Kunst noch mehr aus; dagegen entbehrte er eines Hauptvortheiles des alten Volksgesanges durchaus: er hatte keinen schon fertigen Inhalt vor sich, keinen Stoff, der schon durch den Mund des Volkes seine innere Gestaltung erhalten und von dem Dichter

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