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Uebrigens können Schriften dieser Art, deren Charakter in dem Inhaltsvollen und Lehrreichen bestehen soll, entweder der gelehrten Forschung und einer besondern Wissenschaft, oder dem menschlichen und gesellschaftlichen Interesse im allgemeinen an= gehören; sie können ganz neue Forschungen bekannt machen, oder nur das schon früher Gefundene neu zusammenstellen; sie können für Gelehrte bestimmt seyn, oder für gebildete Leser überhaupt; für den höhern und niedern Schulunterricht, oder für allgemeine Volksbelehrung. Je nach diesen besondern Bestimmungen werden sich Auswahl des Stoffes und Ton der Behrung richten müssen; im Ganzen haben sie alle den gleichen Standpunkt des Unterrichtes. Die Untersuchungen über die Heilkräfte des kalten Wassers gehören so gut hierher, wie das tiefsinnigste Handbuch der Metaphysik, die Koch- und Gartenbücher und die Hauslerika so gut wie die gelehrten Commentare der Philologen und Theologen. Mit Recht messen wir freilich den Rang der verschiedenen Classen von Büchern nach der Wichtigkeit, die ein Gegenstand für die Bedürfnisse und die Ausbildung des menschlichen Geistes hat; aber der Werth des einzelnen Buches beruht doch nur auf den Kenntnissen, tie der Verfasser besiht; auf der Einsicht, die er in seinem Gegenstand hat; auf dem Fleiße, mit dem er gearbeitet; auf dem Geschicke, womit er ausgewählt, angeordnet und vorgetrazen hat; bei bedeutenden Gegenständen endlich auf der Art, wie er seinen Stoff bewältigt, ihn mit Scharfsinn und Geist durchdringt, und so dem Verständnisse seiner Leser näher rückt. Es ist also nicht der behandelte Stoff, was einem Buche Werth giebt, sondern die Behandlung selbst. Eine große Zahl der Leser hat freilich für die lestre weder Sinn noch Einsicht, sondern schäßt den Gehalt der Bücher ab nach Titel und Stoff; sie wollen über das gewählte Fach etwas lesen, und bekümmern sich um den eigentlichen Gehalt der einzelnen Schrift wenig.

Lassen wir alle Bücher beiseit, die nur zur Spreu der Literatur gehören, oft nur einem Bedürfnisse des Augenblicks ihr Entstehen verdanken, oder zuleht wohl gar kein Daseyn verdienen: so können wir drei Classen von Schriften unterscheiden, aus denen man Belehrung über gegebene Stoffe schöpfen will.

Einige sind nicht ohne Geschick und ohne Einsicht in Einzelheiten geschrieben, aber dem Verfasser fehlt alle gründliche Kenntnis, alles vorbereitende Studium; er ist nicht völlig Herr seines Stoffes, und der Leser oder Schüler kann unmöglich etwas Tüchtiges daraus lernen. Andere zeugen auf jedem Blatte von der Gelehrsamkeit oder Belesenheit des Verfassers, von der Vertrautheit mit dem Stoffe und dem Fleiße der Vorbereitung; aber der Schreiber scheint gar nicht daran gedacht zu haben, daß je= mand aus seinem Buche etwas lernen solle; er will bloß zeigen, daß er selbst etwas wisse; es fehlt ihm an eigentlicher Einsicht und an Geschick der Behandlung; er ist ein großer Gelehrter, aber ein erbärmlicher Schriftsteller. Andere endlich sind nicht nur mit Kenntnis und Erfahrung, mit Einsicht und gewissenhafter Vorbereitung geschrieben, sondern auch mit der bestimmtesten Rücksicht auf Leser, mit dem sichtbaren Streben, daß das Buch Erfolg habe und der Leser wirklichen Unterricht darin finde. Be. greiflich haben die beiden ersten Classen für die Literatur keinen Werth, wiewohl die zweite zur Bereicherung des Wissens allerdings beitragen kann.

§. 3.

Weltweise und Charaktere.

Wenn bei diesen rein belehrenden Schriften der darin tar= gebotene Unterricht, also die Behandlung des Stoffes, den Ausschlag für ihren Werth giebt: so ist es bei andern der Verfasser selbst, wodurch sie Bedeutung erhalten. Von der Arbeit des gelehrten Forschers, des emsigen Sammlers, des umsichtigen Beobachters, des scharfsinnigen Denkers ist die Wirksamkeit des schöpferischen, ideenreichen Geistes, des entschiedenen Charakters wohl zu unterscheiden; so wie auch im Leben ein großer Unterschied ist zwischen dem erfahrenen, tüchtigen Geschäftsmann und dem alles leitenden nrd beherrschenden Kopfe. Nicht alle Bücher liest man, um eigentlichen Unterricht daraus zu schöpfen; es giebt auch solche, in denen wir, ohne daß die besondere Beschaf fenheit des Stoffes vorzugsweise in Anschlag käme, bloß den Schriftsteller suchen; Bücher, in denen uns das eigenthümliche Wesen und Leben eines großen Charakters, eines reichen Gemü

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thes, einer tiefblickenden Vernunft, oder eines seltenen Wihes - in denen uns mit einem Worte eine besondere Weltansicht entgegentritt. Stoff und Gehalt lassen sich freilich bei jedem Werke unterscheiden, aber nicht jedes trägt das Gepräge einer besondern gehaltvollen Persönlichkeit, soll es auch nicht tragen, da die klare Auffassung der Thatsachen durch die zu persönliche Betrachtungsweise oft mehr getrübt als befördert wird. Allerdings werden wir bei allen Schriftstellern, denen es wie dies die ächte Wissenschaft immer verlangt um geistige Durchdringung des Stoffes zu thun ist, so daß nicht bloß das Wissen vermehrt, sondern das Berständnis erleichtert wird - allerdings werden wir bei diesen immer Ausichten, Urtheile und Erklärungen finden, die nur ihnen angehören; etwas ganz anderes aber ist die auf eine eigene Weltansicht gegründete Betrachtungsweise aller menschlichen Dinge, eine Betrachtungsweise, die nun eben der Weltweise, der entschiedene Charakter, in seinen Reden und Schriften niederlegt. Durch diejenigen Bücher, welche über ein bestimmtes Fach größeres Licht verbreiten wollen, kann freilich, wofern ihre Verfasser auf einer höhern Stufe stehen, der Kreis der Wissenschaft selbst erweitert und die Behandlungsart ganzer Fächer von grundaus umgewandelt werden; eine völlige Umwand. lung der Ansichten nach verschiedenen Richtungen des Geistes und Lebens wird hingegen durch sie weder bezweckt, noch bewirkt. Dieser Erfolg aber daure er nun fürzere oder längere Zeit, finde er in engerm oder weiterm Kreise statt haben allers dings die Schriften derjenigen Männer, durch welche Gedanken und Ideen über allgemein wichtige Angelegenheiten in die Welt geworfen werden, indem sie über den gewöhnlichen Stand der Anschauung und des Wissens sich erheben oder gegen denselben ankämpfen. Sie sind Dolmetscher für ganze Geistesrichtungen, die in der Nation oder wenigstens einem Theile derselben schlum. mern; sie sind Verkündiger einer neuen Epoche, oder Bekämpfer der Gegenwart, oder Verfechter absterbender Zustände, und ihre Schriften haben wir als Bekenntnisse und Vermächtnisse merk. würdiger Männer anzusehen, sey es auch, daß die eigenthümlichen Meinungen und Ansichten bei manchem nur Ausflüsse übler Laune, Ergebnisse schlimmer Erfahrungen oder Wirkungen äußeren

Druces wären. Den größten Einfluß üben solche Köpfe auf die Ueberzeugungen und Gesinnungen derer, die ihnen unmittelbar nahe stehen, auf persönliche Freunde und Jünger; als Schriftsteller jedoch können sie in die weiteste Ferne nach Raum und Zeit wirken, und erhalten ihre Anerkennung und Würdigung als gute oder böse Dämonen oft erst bei der Nachwelt. Die Bedeutung ihrer Schriften weiß eigentlich nur der richtig zu schäßen, der mit den Gegenständen, welche darin behandelt sind, schon vertraut ist, und selbst etwas hinzufügen könnte; welcher also gar nicht den Maßstab der Richtigkeit und Vollständigkeit anlegt, sondern den einer höhern Wahrheit und Geisteskraft. Wir dürfen uns freilich turch den bedeutenden Standpunkt, den ein überwiegender Kopf einnimmt, nicht verführen lassen, ihm Irre thümer nachzusehen, die er hätte vermeiden können, oder ihm gar geflissentliche Verdrehungen der Wahrheit zu gut zu halten; aber immer wird die geheimnisvolle Macht, welche der entschie= dene Charakter, der scharfe Blick des Genius auf uns ausübt, dadurch nicht geschwächt; wir können die aufgestellte Weltansicht schief, widerlich, gefährlich nennen, und finden uns doch gezwune gen, sie in ihrer strengen Durchführung zu bewundern.

Gelehrte oder wenigstens erfahrene und wohlunters richtete Männer sind es, von denen die eigentlich wissenschafts lichen und lehreichen Bücher ausgehen, und ihnen reihen sich dann eine Unzahl anderer an, die entweder aus jenen schöpfen, oder doch wenigstens tenselben Stoff zu verbreiten suchen. Welte weise und Charakter sind es, von welchen diejenigen Schriften ausgehen, in denen sich besondere Weltansichten aussprechen, und ihnen reiht sich wieder eine Menge anderer an, die freilich nichts weniger als Weltweise und charakterstarke Männer sind, die jedoch eben so gut als solche gelten wollen, wie jene Stri benten anderer Art als Gelehrte. Ich verstehe unter den Welt. weisen oder philosophischen Schriftstellern begreiflich nicht gerade die Gründer oder Anhänger eines ausgebildeten Systems, soge= nannte Philosophen von Fach, sondern jeden Schriftsteller, dem es um Durchführung bestimmter Ansichten, die ihm für das Wohl und die Beurtheilung menschlicher Zustände und Verhältnisse wichtig scheinen, ernstlich zu thun ist. Justus Möser, Lavater,

Herder, Leffing, selbst Göthe und Schiller waren Weltweise in jenem Sinne, ohne daß sie jemals daran dachten, phis losophische Systeme zu begründen oder sich als Anhänger eines bestehenden auszugeben. Das Interesse, welches der wackere Seume immer einflößen wird, gründet sich weder auf seine nüchternen Verse, noch auf seine vortreffliche Prosa, sondern rein darauf, daß er als durchgeführter, eigenthümlicher Charakter auftritt, und bei dem spätern, ihm verwandten Chamisso wird die Theilnahme, welche wir dem Dichter schenken, gar sehr erhöht durch die Achtung vor der tüchtigen, selbstständigen Natur. In neuerer Zeit haben Männer wie Arndt, Jahn und Görres mannigfaltig auf die Nation gewirkt, da sie Dolmetscher von Gesi inungen und Ansichten wurden, die zur Fortbildung des nationalen Bewußtseyns mächtig beitrugen. Verfehlten doch selbst L. Börne und K. Lang *) ihre Wirkung nicht, obgleich es jenem an gründlicher Kenntnis der Zustände fehlte, über die er schrieb, und diesem an Ernst der Gesinnung.

Ich möchte Schriftsteller dieser Art, im Gegensah zu den bloß gelehrten, die befruchtenden nennen, wenn diese Bes zeichnung, obgleich sehr treffend, nicht manchem wunderlich und gesucht vorkommen würde. Göthe bedient sich zur Bezeichnung solcher Männer des Ausdrucks: er ist eine Natur," und auch hierin ist viel Treffendes. In der That fehlt es urs an einem gangbaren Ausdrucke für solche Schriftsteller, die weder als Dichter durch die Vollkommenheit ihrer Darstellung, noch als Gelehrte durch die Gründlichkeit ihres Wissens in der Geschichte der Literatur Epoche machen, sondern rein durch ihre Persönlichkeit die größten Einflüsse nicht nur auf Weiterbildung der Nation überhaupt, sondern oft auf den Gang der Literatur insbesondere übten. In Ermangelung eines bessera Nahmens wähle ich den des Weltweisen, gegen den eigentlich niemand etwas einwenden kann, man müßte ihn denn altmodisch nennen wollen.

Es versteht sich von selbst, daß der Weltweise auch Gelehrter seyn kann, ja in gewisser Hinsicht seyn muß; nur wird er sich in seinen Schriften bald mehr als Gelehrter, bald mehr als Phi.

*) Verf. der Hammelburger Reifen.

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