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Wirksamkeit der Form entspringt aus dem starken Auftragen der Töne und Farben, aus dem geflissentlichen Hervorheben aller Theile, durch welche das Herz oder die Einbildungskraft, oder geradezu die Sinnlichkeit besonders gerührt wird, in Bezug auf die Ausdrucksweise aus einer wißigen, bilderreichen, effektvollen Sprache. Das bezügliche Interesse, das ein Erzeugnis der Literatur uns cinflößt, geht immer aus der Verbindung hervor, in welcher es mit unsern besondern Zuständen, Bedürfnissen, Neigungen und Zwecken steht. Der Stoff nimmt unsere Theil. nahme in Anspruch, weil er Zustände berührt, die für uns bes sondere Wichtigkeit haben, seyen es nun vaterländisch-politische, oder religiös-kirchliche, oder ökonomisch-praktische; die Persönlichkeit des Schriftstellers wird bewundert wegen seiner innern Verwandtschaft mit unsern Neigungen und Ueberzeugungen, vielleicht auch, weil er besißt, was wir nicht haben, aber zu haben wünschen; die besondere Form hat für uns Werth, weil wir gerade diese für bestimmte Zwecke "suchen, da ja Poesie und Li. teratur auch die Bestimmung haben, einzelne Zeitabschnitte, Zustände und Verrichtungen zu beleben und ihre Bedeutsamkeit zu erhöhen. Die Richtigkeit, die in einer Darstellung herrscht, beruht nicht mehr auf subjektiven Anforderungen, sondern auf der Uebeinstimmung des Dargestellten, entweder mit dem wirk lichen Verhalten der Dinge, oder mit den Ueberzeugungen des Schriftstellers, oder mit den geltenden Regeln und Vorschrif ten. Im ersten Falle haben wir die historische Wahrheit, im zweiten die Aufrichtigkeit des Charakters, im drttten die Correctheit der Form. - Etwas ganz anders ist die eigentliche Wahr heit. Das Dargestellte hat Wahrheit, wenn überall ein nothwendiger Zusammenhang erscheint; der Charakter hat Wahrheit, wenn er nicht auf Affektation beruht, sondern auf Ernst der Gesinnung; die Form hat Wahrheit, wenn Gedanken und Einkleidung so zusammenstimmen, daß der erste durch die lehte klar durchscheint; wenn also die Idee Anschaulichkeit empfängt durch die gegebene Fassung. Auf diesem Punkte beruht nun eigentlich die künstlerische Schönheit der Darstellung, die von der technischen Vollkommenheit wohl zu unterscheiden ist.

Welche verschiedenen Rücksichten, von denen der Antheil an

einem literarischen Erzeugnisse abhängt; welche vielfach sich durchfreuzenden Forderungen an den Schriftsteller, der doch unmöglich alle zugleich erfüllen, mithin nie allen zugleich genügen kann! Dürfen wir uns wundern, daß die Urtheile über den Werth literarischer Erscheinungen selten oder nie übereinstimmen, da jeder einen andern Maßstab anlegt, und oft gerade deshalb ein Werk herabseht, weshalb der andere es erhebt? Während der eigentliche Zögling der Kunst, der uneingenommene Freund der Poesie, Göthe's Dichtungen gerade deshalb so schäßt, weil sie rein menschliche Zustände schildern ohne alle Beigabe von pas triotischen, kirchlichen, wissenschaftlichen, ökonomischen und andern Interessen *), so verklagt ihn ein anderer Theil, weil er in dem Richtvorhanden seyn dieser Interessen wirkliche Mängel erblickt; und während viele den Dichter deshalb so hoch schäßen, weil er, der treue Beobachter der Natur, nicht Ansichten und Reflectio nen über die Dinge giebt, sondern den Gegenstand in seiner ganzen Fülle zur Anschauung bringt: während dem jammern andere über diesen Umstand und behaupten, der Dichter habe gewiß gar keinen Charkter gehabt, da sich seine eignen Meinungen nirgends fassen ließen und die widersprechendsten Ansichten verschiedenen Personen in den Mund gelegt waren. So viel ist gewiß, daß die Theilnahme da, wo sie auf Wirksamkeit und bezüglichen Interessen beruht sehr wechselnder und wandelbarer Natur seyn muß, da das, was uns heut neu und wundervoll erscheint, morgen uns schon alt und alltäglich vorkommt, und da die bezüglichen Interessen nach Zeit und Umständen sich ablö. sen und jeder Stand, jedes Alter, jedes Jahrzehend seine be sondern hat. Richtigkeit ist immer ein relativer Begriff; Wahrheit aber, oder vielmehr das Streben darnach, verliert in keinem Zeitalter seine Geltung, kann aber doch der Anerkennung entbehren, da auch für sie Empfänglichkeit und Neigung da seyn muß. Heillos und verderblich ist hierbei die Vermengung der Ansprüche ganz verschiedener Gattungen, gehe diese

*) Es ist hier natürlich nicht die Rede von Göthe's spätesten Poesien, die allerdings von bezüglichen Intereffen nicht nur begleitet, sondern geradezu erbrückt werden.

nun von den Schriftstellern oder von dem Publikum aus. Wie viele suchen da wissenschaftliche oder historische Wahrheit, wo sie nur die poetische Wahrheit suchen sollten, und wie viele vers langen umgekehrt da eine poetische Befriedigung, wo sie nur wissenschaftlichen Gewinn erwarten dürfen.

§. 8.

Ausscheidung der National literatur.

Die Gesammtheit derjenigen schriftstellerischen Geistesarbeis ten, in denen die Form von dem Darstellenden frei ausgegangen ist, trägt vorzugsweise den Nahmen der Literatur oder auch der National literatur eines Volkes, und zwar aus mehrern Gründen. Diese Geistesschöpfungen sind erstens, weil hier der Stoff nicht vorzugsweise in Betracht kommt, keineswegs Träger und Vertreter einer Wissenschaft oder Lehrer gewisser Fertigkei ten, kein nothgedrungener Ersaß für lebendige Fortpflanzung und unmittelbare Belehrung, sonderu sie leben nur als Literatur, als etwas an das Wort Festgebanntes. Das Wesen derjenigen Literatur, die es mit bestimmten Fächern des Wissens zu thun hat, kann dadurch fortgepflanzt werden, daß man ihren In, halt mittheilt; sie läßt sich in Auszügen geben, erweitern, er« klären, ohne daß das Wesentliche dabei leidet; es kann ein wissenschaftliches Werk ganz verloren gehen, ohne daß der darin niedergelegte Gehalt mit geraubt wäre. Nicht so bei den Schrif. ten, in denen die Form Hauptsache ist; da sie nicht bloß Trä. ger eines Inhalts sind, sondern der Stoff bloß das Mittel war, woran sich das Kunsttalent übte, so giebt hier die Mittheilung des Inhalts nie ein Bild von dem Wesen der Geißtesarbeit. Wäre keine Schreibkunst vorhanden, so gäbe es für Fortpflanzung der Poesie kein anders Mittel, als wörtliches Aufbewahren im Ge Dächtnis.

Ist nun die Nationalliteratur vorzugsweise an die Gestaltung gebunden, die sie durch das Wort und die Persönlichkeit des darstellenden Talents erhält, so gehört sie zweitens auch in strengerem Sinne einem bestimmten Volke an, ist Ausdruck des Nationalgeistes und Ansprache an eine besondere Nation; wenig stens soll sie dies seyn. Jede Wissenschaft kann allerdings bei

dem einzelnen Volke einen bestimmten Gang nehmen; allein min. destens diejenigen Fächer, bei denen es sich nicht um Entwickelung menschlicher Zustände handelt, also Naturwissenschaften und Mathematik, können doch unmöglich von besondern nationalen Gesinnungen, Ansichten und Stimmungen ausgehen. Dem eigentlichen gelehrten Schriftsteller ist ja der Stoff ein anvertrautes Gut, das er nicht mit voller Freiheit behandeln darf; dagegen betrachtet nun der Dichter jeden gegebenen Stoff als sein volles Eigenthum, durch dessen Behandlung er vorzugsweise auf seine Umgebungen und auf seine Nation wirken will. Man hat schon oft den Dichter mit dem Helden verglichen und seine Werke Thaten genannt. Gewiß nicht mit Unrecht; denn jede wahrhaft poetische Schöpfung ist eine geistige That, an der sich die Nation lange Zeit erfreut, bildet und emporhebt, was nur dadurch möglich wird, daß der Dichter in dem Bildungs- und Gesichtskreise seiner Nation selbst lebt. Von einzelnen wissenschaftlichen Werken läßt sich dies gar nicht sagen, da sie feines. wegs reiner Ausfluß eines persönlichen Talents sind, das mit allen Fåden in der Anschauung der Nation wurzelt, sondern den Kreis der Wissenschaft, wie er sich in einem Zeitalter gestaltet hat, weiter führen. Wer die Literatur in wissenschaftlichem Sinne durchgehen will, studiert eigentlich Wissenschaft und Kunst, gewöhnlich innerhalb der Grenzen eines gegebenen Faches, und ist durchaus genöthigt, Kenntnis von Büchern zu nehmen, die weder in seiner Muttersprache geschrieben, noch in seinem Vaterlande verfaßt worden sind. Er will nichts Nationalės, ihm und seinem Volke vorzugsweise Angehöriges, sondern geht dem Wiffen als solchem nach; er will das Wichtigste, was von allen bedeutenden Männern des Faches gedacht und geschrieben worden ist, nachschlagen und studieren. In neuester Zeit redet und träumt man viel von einer Welt-Literatur, in welcher dann die Individualitäten der einzelnen Völker ganz verwischt seyn wür. den. In Bezug auf wissenschaftliche Literatur hat dies einen guten Sinn, und wirklich scheint es, als mache sich die Wissenschaft ganz frei von nationalen Ansichten und Persönlichkeiten ; in Bezug auf Poesie hingegen und auf die damit verwandten Darstellungen hat es keinen Sinn, da eine Allerweltspoesie den

Begriff der Dichtung geradezu vernichtet. Denn sollten auch die poetischen Formen bei allen Nationen gleich werden, so würde dies nie mit den poetischen Anschauungen der Fall seyn. Alle Poesie g ht vom Individuum aus; das Individuum empfängt aber seine Eindrücke durch die Umgebungen, und der Poet am allermeisten, da er die Erscheinungen von ihrer finnlichen Seite auffaßt. Wollte er sich ganz und gar von dem Boden losreißen, auf welchem er gewachsen ist, so verlöre er auch damit den poetischen Grund und Boden selbst. Jedenfalls wäre eine Gleich. mäßigkeit after Poesien nur dann möglich, wenn überhaupt die verschiedenen Volksthümlichkeiten felbst aufhörten und alle Völker in einander übergingen, ein Zustand, der zur Zeit des römischen Weltreichs stattfand, der aber wahrlich der Poesie nicht günstig war.

Erweitert nun die wissenschaftliche Literatur durch die Wich tigkeit ihres Inhaltes den Kreis ihrer Lehre nach allen Nationen hin, die überhaupt mit Wissenschaft sich befassen, so beschränkt sie ihn auf der andern Seite durch die Schwierigkeit des Verständnisses. Sie seht immer Leser voraus, die entweder das bestimmte Fach schon kennen oder es kennen lernen wollen, jedes Buch dieser Art mithin Kenntnisse, die nur einzelne haben oder sich erwerben wollen. Daher auch der Nahme Fachliteratur. Auf die Gesammtheit der Gebildeten in der Nation nimmt diese gar keine Rücksicht; da sie nicht die Nationalbildung an sich im Auge hat, sondern nur einen bestimmten Kreis von Schülern. Sie zieht überhaupt gar nicht alle Seiten des menschlichen Geistes in's Interesse, sondern will nur einen besonderen Verlangen des der Belehrung Bedürftigen und Fähigen genugthun. Gerade umgekehrt wendet sich die Nationalliteratur an alle Ge. bildeten der Nation und an den ganzen Menschen, und je mehr der Darsteller alle solche Interessen, die der Menschheit und der einzelnen Nation insbesondere bleibend wichtig sind, in Anspruch nimmt, desto höher steht er in der Achtung und Liebe der Nation, desto anhaltender wird seine Wirkung auf die lehtere seyn.

Die Nationalliteratur endlich steht in weit engerer Bezie hung zur Sprache des einzelnen Volkes, als die Masse der andern Bücher, und dies ist der wichtigste Punkt. Wie sich poetischer

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