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saische Gedichte) erschienen. Als er nach seiner Rückkehr in's Vaterland mit dem Klopstockischen Kreise bekannt wurde, nahm er an den ernstern Bestrebungen desselben Antheil. J. J. 1766 erschien sein Gedicht eines Skalden, worin er die Götter der nordischen Edda einführte, und durch ihn soll Klopstock erst auf die Bertauschung der antiken mit der scandinavischen Mythologie gekommen sein. Umgekehrt übte Klopstock auf ihn bedeutenden Einfluß; denn 1768 erschien die Tragödie Ugolino, die offenbar auf Klopstocks Tod Adams gebaut ist, denselben aber an kräftiger Haltung weit übertrifft. Gerstenberg läßt sich mit Thümmel vergleichen; wie dieser ein ausgezeichnetes Talent, erwartete er immer erst Anregung durch andere, übertraf dann aber seine Vorgänger in der Regel. Seine Tändeleien und prosaischen Gedichte stehen über Geßners Idyllen, so wie sein Ugo= lino weit über dem Tode Adams. Der Mann ist überdem das durch merkwürdig, daß er zuerst den charakteristischen Unterschied in der Poeste der verschiedenen Nationen untersuchte. Dies ges schah in einer Zeitschrift, die sich gewissermaßen den Literaturbriefen entgegenstellte: »Briefe über die Merkwürdigkeiten der Literatur (1766. 1767). Gerstenberg machte dann auch neben Lessing zuerst auf das Genie Shakespeare's aufmerksam, wie denn dieser ganze nordische Kreis mit Vorliebe die englische Poesie betrachtete, wieder ganz im Gegensah zu den Halberstädtern.

§. 90.

Ueberblick der Bestrebungen.

Ueberblicken wir die Bestrebungen und Neigungen, welche außerhalb der Gottschedischen Schule in den fünfziger und sechziger Jahren besonders vorherrschten, so treten deren besonders fünf hervor: christlich-religiöse, patriotisch-deutsche, landschaftlichidyllische, lehrhaft-satyrische und philosophisch-kritische. Als Grundlage aller Poeste galt die Empfindung, deren Stelle aber oft Wih vertreten mußte; als das Ziel aller Dichtung sah man die Erregung starker Empfindung und moralisch-intellektueller Beleh rung an, und zwar betrachtete man die Veredlung und Erhöhung der Gefühle, die Rührung des Herzens, die verstärkte

Einsicht in die Verhältnisse der menschlichen Zustände nicht als eine Folge der Poesie, sondern als ihren Zweck, den der Dichter bei seiner Arbeit stets im Auge haben müsse. Daher nun das Vorwiegen der Lyrik und Didaktik, wobei dort das Schwungvolle und Wißige, hier das Predigende und die allegorische Einkleidung vorzugsweise geschätzt wurde, daher auch die allgemeine Verbreitung der Allegorie und der Fabel. Die landschaftlich- idyllische Dichtung wollte alle Zwecke vereinigen : Sie wollte die Empfindung beleben, den Wit geltend machen, sittlich, belehren und reizende Erfindungen geben; ebenso suchte fle Poesie und Prosa, Vers und Nichtvers zu vereinigen. Auch die Prosa war vorzugsweise didaktischer und rhetorischer Natur und suchte durch Wiz und Beredsamkeit zu wirken. Von einer Dichtung, deren Gegenstand das Rein- Menschliche wäre, ahnete man etwas, ohne sich derselben jedoch klar zu werden, oder auch ohne sie zu wagen. Die neu auftauchende Poeste der Liebe und Freundschaft gehört ganz hierher; allein man verlor sich auch hier in überspannte ätherische Empfindung, der alle sinnliche Auffassung fehlte, oder verlor sich in's Tändelnde und Wihelnde. Alle Dichtungsarten, worin es auf klare und kräftige Darstellung menschlicher Zustände, auf Entwickelung großer Charaktere und Leidenschaften ankommt, hatten ein kümmerliches Daseyn. Das Drama lag ganz unter Gottschedischem Zwange; die neu entstehende Bühne behalf sich mit Uebersehungen, und wo die Klopstockische Schule diese Form ergriff, verfiel sie ins Lyrische; dasselbe gilt vom Epos, welches entweder ganz poesielos war, oder sich in Allegorie und Didaktik verlor. Selbst der Roman, welcher immer fortgedauert hatte, war entweder ganz werthlos und platt, oder er scheiterte an dem Grundsahe, daß er die Empfindung nähren und einzelne Belehrungen geben müsse, und hier ist Johann Timotheus Hermes aus Pommern (1738–1821) sehr merkwürdig. Sein berühmter Roman „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" fällt zwar erst in die fiebziger Jahre; allein die Richtung desselben erinnert ganz an das vorhergehende Jahrzehnt. Der Verfasser zeigt wirkliches Talent, Handlungen in Scene zu sehen und wirkliche Charaktere zu schildern; allein er verdirbt alles wieder durch falsche Empfindung und ungehörige

Belehrung, und die Moral wird hier so auf die Spize gestellt, daß die Menschen ihres Lebens und die Leser der Geschichte nicht froh werden. Ein überspanntes, aller Wahrheit entbehrendes Ideal ließ die bedeutendsten Talente den Weg verfehlen, und einseitige Grundsähe verhinderten die Entwickelung mancher tüchtigen Anlage. Dabei wurde aber überall Bedeutendes angebahnt und der Boden für spätere Saaten urbar gemacht. Auch fehlte es nicht an erfreulichen Ausnahmen, an Männern, welche die Irrwege bemerkten und darauf aufmerksam machten, und die Literaturbriefe find in dieser Hinsicht unschäßbar.

Ueberblicken wir ferner die Richtungen, welche sich innerhalb bestimmter Schulen geltend machten: so lassen sich mit Uebergehung der Gottschedischen, die durchaus in Ansehen stand und keineswegs sich als gestürzt betrachtete, folgende unters scheiden:

1) Die Gellert-Rabenersche, nach Faßlichkeit und Popula= rität strebend, zur Wirklichkeit und satyrischen Darstel lung derselben hinneigend; daher die Masse der komischen Heldengedichte hierher zählt.

2) Die Uz-Hallersche, auf körnigen Ausdruck und würdige Gesinnung haltend, den festen, aber nüchternen Blick aufs Leben gerichtet.

3) Die Klopstockisch - Ramlersche, nach Pathos und kunstreicher Form und idealem Gehalt strebend.

4) Die Gleim-Geßnersche, nach Naivität oder Derbheit haschend, ohne eigentliche populäre Fassung und ohne künstlerische Haltung.

5) Die popular-philosophische, nach geschmackvoller, welt-männischer Darstellung strebend.

S. 91.

Wieland.

Unter den Dichtern, die an den verschiedenen Richtungen Theil nahmen, bis sie sich einen eignen Weg bahnten, nimmt Christoph Martin Wieland von Biberach in Schwaben

den ersten Plah ein *). Er war geboren im J. 1733, also neun Jahre jünger als Klopstock; allein sehr bald nach Klopstocks erstem Auftreten trat auch er auf, ohne jedoch im geringsten das Aufsehen zu erregen, das jenem folgte. Wieland war ein frühreifer Knabe. Schon im Kloster Bergen bei Magdeburg, wohin er 1745 kam (in demselben Jahre, in welchem Klopstock Kloster Pforta verließ), schwankte er zwischen dem Studium der alten und der neuen Poefte,~ zwischen pietistisch - schwärmerischen und freigeistisch schwärmerischen Anfällen. Sein weiterer Stu=

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dienlauf war von dem gewöhnlichen sehr verschieden, ein Umstand, der jedenfalls viel Einfluß auf seine schriftstellerische Laufbahn hatte. Er verließ mit 16 Jahren Kloster Bergen, wo er gar keinen Freund für Geist und Herz sich erworben hatte, gieng aber nicht sogleich auf die Universität, sondern verlebte ein Jahr in Erfurt bei einem Verwandten und dann noch einen 'Sommer in Biberach. Hier faßte er eine schwärmerische Liebe zu seiner Verwandten, Sophie Guttermann, später als Sophie la Roche auch als Schriftstellerin bekannt. Im Herbst 1750 bezog er die Universität Tübingen, widmete sich aber hier weder einem bestimmten Fache, noch besuchte er überhaupt Vorlesungen, noch hatte er irgend einen freundschaftlichen Umgang; er sehte vielmehr seine alte Sitte fort, einsam Bücher aller Art zu studieren. Aus diesem Leben hätte nun eher ein grübelnder Philosoph als ein Dichter hervorgehen sollen; allein die schwärmerische Liebe zu seiner Freundin begeisterte ihn zur Poesie und so trat er 1751 als siebzehnjähriger Mensch mit einem Reimwerk in Alexandrinern auf, welches eine Zusammensehung von unverdauter Schulphilosophie und verliebter Schwärmerei ist, oder kürzer: die Schöpfung eines jungen verliebten Pedanten. Diesem Lehrgedichte, „die Natur der Dinge,« folgten 1752 die

*) Wir befißen eine vortreffliche Biographie Wielands von J. G. Gruber (Wielands Leben. Leipzig 1827. 4 Bde.). Wiewohl man dem Urtheile des Verfaffers über Wielands Leistungen schwerlich beiftimmen wird, ift das Ganze doch trefflich gehalten, indem es Gang und Entwickelung des merkwürdigen Mannes böchft geschickt darftellt und eben so die Beziehung Wielands zur Literatur überhaupt nie aus den Augen verliert.

moralischen Briefe, moralische Erzählungen und der Anti-Ovid, lauter Sachen, die ihren Ursprung der Lektüre verdanken.

Von Tübingen aus hatte Wieland 1751 die ersten fünf Gesänge eines Heldengedichts, Hermann *), an Bodmer ge= sendet, den er als den Homer seiner Zeit anstaunte, und war so mit diesem in Verbindung getreten. Auf Bodmers Einladung kam er 1752 nach Zürich, blieb fünf Jahre daselbst und studierte hier seinen Plato, dichtete in Klopstock - Bodmerischer Weise hier christliche Hymnen, die Prüfung Abrahams, die Empfindungen eines Christen und die Briefe Verstorbener. In der Zueignung der Empfindungen eifert er gegen leichtfertige Dichter wie Uz und Gleim, die er als Priester des Bacchus und der Venus schmäht, alles auf Anregung Bodmers, der den jungen Mann überhaupt als Maschine brauchte, um sich an manchen Gegnern zu rächen. Nachdem sich Wieland später im Dramatischen ohne allen Beruf versucht (Johanna Gray, Clementine von Poretta) und einen längern Aufenthalt in Bern (1759) gemacht hatte, wo er das Heldengedicht Cyrus begann, kam er nach Biberach (1760) in ein Amt, das ihn an die Akten fesselte und in eine Menge unangenehmer Verwickelungen brachte, aus denen er zu den Musen flüchtete. Hatte er die Welt vorher von einer idealen Seite angesehen, so lernte er nun ihre kleine, erbärmliche Seite kennen. Hier in Biberach entstanden nun (1761—1767) jene Dichtungen, die einen Gegensah zu den früheren bildeten; denn wenn er sich vorher in religiös-philosophischen Schwärmereien verlor: so verspottete er nun jede Art von Schwärmerei und hob das Hinfällige und Verführbare der menschlichen Natur hervor, besonders in dem Verhältnisse beider Geschlechter. Im Agathon schilderte er seinen eigenen Lebensgang; die Geschichte eines Schwärmers, den die Sinnlichkeit von seiner Schwärmerei in's entgegengeseßte Aeußere verführt, bis er zur Nüchternheit erwacht und zu einem mittleren Seelenzustande gelangt. Denn wie ihm früher die Menschen als Engel oder als Teufel erschienen: so erschienen sie ihm jezt als ein Mittelding von Stärke

*) Also auch bei Wieland ein Einfluß der germanischen Richtung, welche dieser Zeit gemein ift.

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