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tigungen des Geistes brachte. Er sammelte, was die deutsche Poesie an kleineren Erzeugnissen in der didaktischen und lyrischen Gattung hervorgebracht hatte, änderte aber hier ganz eigenmächtig und spielte dieselbe Rolle, welche im Mittelalter die sogenannten Merker übernommen hatten, und dies Verfahren wandte er auch bei noch lebenden Dichtern an, von denen viele seine Veränderungen gern annahmen, während audere aufs bestimmteste sich dagegen erklärten. Es ist ganz richtig, daß Ramler bei lebendigem Sinn für das Schickliche, Wohllautende und Gerundete zu wenig Achtung für die Eigenthümlichkeiten des einzelnen Dichters hatte; allein wer ihn deshalb einen unberufenen, pedantischen Verbesserer schilt, der beweist, daß er entweder das Verfahren dieses Kritikers nicht aus eigener Bergleichung kennt oder die Umstände der damaligen Zeit nicht in Anschlag bringt; denn soviel ist gewiß, daß es dazumal galt, vorerst die Sprache aus ihrer Rohheit und Verderbnis zu reißen; und das vermochten nur große Genies oder feine Kritiker. Derjenige, welcher sich am heftigsten gegen Ramler empörte, Lichtwer, hatte bei aller Tüchtigkeit doch bewiesen, daß es ihm an durchgreifendem Geschmack und an fließender Sprache fehle, und eben deshalb weit weniger Beifall gefunden als Gellert, den er an gestaltender Kraft weit überragt.

Als Dichter zeigt Ramler eine würdige und schöne Sprache, poetische Erfindung und Gabe der Gestaltung, und alles dies in der glücklichsten Mischung; aber es fehlt ihm alle eigenthümliche Weltanschauung; er ist mehr Künstler als Poet, und mehr Poet im Allgemeinen als deutscher Dichter; hätte er einige Jahrzehnde früher gelebt, so würde er lateinisch gedichtet haben; denn seine Sprache, seine Bilder, die Art seiner Anvrdaung, alles ist dem Horaz nachgebildet. Zu Klopstock steht er in einem strengen Gegensahe. Dieser nahm nur die Form von Horaz, nicht dessen Weltanschauung; Ramler im Gegentheil, ohne die metrische Formen des Horaz vorzugsweise nachzubilden **), sucht die Welt anzusehen wie Horaz, und ein großer

Denn seine beften Oden und musikalischen Gedichte find nicht in antiken Versmaßen.

Theil seiner poetischen Zierrathen hat mehr antiquarischen Werth und wirkt nicht unmittelbar poetisch. Im Gegensah zu Klopstock nimmt er auch nicht das ganze Deutschland zum Gegenstande seines Preises, sondern seinen König, aber als ächter Horazianer wählte er auch hier römische Bilder, Nahmen und Einkleidungen.

§. 87.

Patriotische Dichtung.

Die patriotische Richtung war es, was Ramlern einen so bedeutenden Ruf als Dichter schuf; denn die formelle Correctheit und die musikalische Schönheit seiner Poesie wußten begreiflich nur Kenner zu würdigen, so wie das antiquarische Beiwerk nur solchen gefallen konnte, die durchaus einen deutschen Horaz ersehnten, ein Nahme, der jet drei Dichtern beigelegt wurde: Lange, Uz und Ramler. Sey es nun wirklicher Patriotismus oder ein glücklicher poetischer Wurf gewesen: den Ruhm Friedrichs des Großen zu besingen, war eine würdige Aufgabe des Dichters, und der Gehalt, den die Lyrik dadurch erhielt, wirkte wie ein Zauber. In dieser patriotischen Dichtung hatte aber Ramlers Freund, Gleim, schon früher den Ton angeschlagen; seine preußischen Kriegslieder, deren erste im J. 1758 erschienen, wirkten außerordentlich. Hier erhob sich Gleim von seiner frühern tändelnden Richtung zu einer männlichen Poeste und bewies deutlich, was das einfache Talent leisten kann, wenn es Gegenstände, die wirklich die Zeit bewegen, zur Aufgabe wählt und so der Dolmetscher allgemeiner Gefühle wird. Der Ton sollte populär seyn und ist es auch für die damalige Zeit, die sich wieder dadurch charakterisiert, daß selbst in Volksliedern von Athen und Sparta, Mars und Apoll, Assaph und David die Rede ist *). Selbst zu diesen Liedern des preu

*) So beginnt gleich das erste Lied (bei Eröffnung des Feldzuges):
Krieg ist mein Lied! weil alle Welt Krieg will, so sey es Krieg!
Berlin fey Sparta! Preußens Held gekrönt mit Ruhm und Sieg!
Und in dem Siegesliede nach der Schlacht von Lowofiß heißt es:
Wir hatten Nacht, er aber nicht. Du, hoher Paschkopoll!
Sahft ihn, im Heldenangeficht den Mars und den Apoll!

ßischen Grenadiers hatte Klopstock, von dessen Weise sie doch ganz abzuliegen scheinen, den Anstoß gegeben, so wie Ramler ohne Klopstocks Vorgang wohl auch anders aufgetreten wäre. Gleims Lieder haben nach Ton und Versmaß ihr Vorbild in dem Siegesliede, das Klopstock schon 1749 hatte drucken lassen und das er später unter dem Titel „Heinrich der Vogler« unter die Oden aufnahm, und so begegnen wir sogar hier, wie bei den Idyllendichtern und den neuen Prosaikern, Klopstockischem Einflusse!

Gleims und Ramlers preußische und Klopstocks allgemeine deutsche Dichtungen riefen nun ein ganzes Heer patriotischer Poeten hervor; in Preußen selbst stimmten Offiziere und Feldprediger meist Gleims Ton an, während die Naturdichterin Louise Karich, zu ihrer Zeit die deutsche Sappho genannt, mehr in Ramlers Ton fiel und aller Naturdichterei zum Troh Mythologie und Alterthümer plünderte, so weit sie diese aus den damaligen Dichtern kannte. Uebel daran waren nun die Poeten, deren Vaterland keinen Friedrich hatte, und welche diesen selbst entweder nicht fingen wollten oder nicht singen durften. Zwar Lavater sang in Gleims Tone seine Schweizerlieder zum Preise älterer und neuerer Schweizerhelden und Schweizerfreiheit, und erweckte wieder eine Menge Nachahmer in der Schweiz. Der Jesuit Michael Denis in Wien (1729–1800) konnte Marien Theresien und deren Helden, später Joseph den Zweiten singen und that dies auch in Ramlers und Klopstocks Art; ja selbst Willamow in Petersburg schwärmte in Dithyramben für Rußlands Kaiser und Kaiserinnen. Am schlimmsten daran waren die sächsischen und würtembergischen Dichter, die wahrlich keinen Grund hatten, den Ruhm ihrer Fürsten zu preisen, und von denen wenigstens jene doch unmöglich Friedrich den Großen, den Verwüster ihres Vaterlandes, fingen konnten. Hier waren nun zwei Wege übrig: entweder sich in allgemeine Lobpreisungen Deutschlands und des Krieges zu ergießen, oder wie Lavater Helden der Vorzeit zu singen. So sang denn der Schwabe Gottlieb David Hartmann im Klopstockischen Tone Deutschlands Preis, später Christian Daniel Schubart (1739 1791) in einer Mischung aller Tonarten; Christian Felix

Weiße in Leipzig schrieb in Gleimscher Weise seine Amazonenlieder. Wollte man Friedrich dem Großen einen Helden der Vorzeit entgegenstellen, so konnte es allerdings kein anderer seyn als Arminius, denn um diesen hatte sich die Poesie seit länger als einem Jahrhundert so bemüht, daß er eine Art Popu larität besaß, und so entstand der altdeutsche Bardengesang, dessen Charakter darin bestand, daß der Dichter, wie Gleim in einen Grenadier, so in einen urgermanischen Barden sich verwandelte und Hermanns oder Wittekinds Thaten mit allem Zubehör scandinavischer oder selbstgemachter Mythologie besang. Denis, der überhaupt in jener Zeit Bedeutung hatte, da er die neue Literatur in Desterreich bekannt machte und ihr Jünger erzog, spielte hier eine Hauptrolle; außerdem Karl Friedrich Kretschmann aus Zittau (1738-1809), der damals einer der fruchtbarsten Dichter war und in allen Formen arbeitete; in Dänemark Klopstock und Gerstenberg. Wer eigentlich der Erfinder dieser Bardendichtung war, ist schwer auszumachen; Klopstock ist es aber gewiß nicht; sowohl Gerstenberg alsKretschmann*) wollten Originale sein. Einen Hauptanstoß gab mit die Bekanntschaft Ossians, den Denis ebenfalls zuerst überfehte (1768).

S. 88.

Der Halberstädtische Kreis.

Hatte nun Gleim an dieser patriotischen Dichtung den bes deutendsten Antheil, so gründete sich der Ruhm des Dichters nicht etwa erst auf die Kriegslieder, sondern auf das ganze Treiben des Mannes. Gleim war 1747 als Sekretär des Domkapitels nach Halberstadt gekommen und beschäftigte sich_lebhaft mit dem Gedanken, eine Art gelehrter oder poetischer Akademie daselbst zu stiften. Was sich in Halberstadt, wo 1749 auth Lichtwer seinen Wohnsitz aufschlug, und in der Umgegend an poetischen Talenten vorfand, das jammelte er bald um sich, urd

*) Der Form nach haben auch 'Kretschmanns Bardieten (Gesänge Rhin gulfs des Barden, 1768) gar nichts gemein mit Klopftocks; denn sie find gereimt.

in der That war die Harzgegend damals Geburts- *) oder Zufluchtstätte einer Menge strebender Köpfe. Auswärtige Dichter suchte er mach 'Halberstadt zu ziehen, indem er ihnen sein gastfreies Haus öffnete oder ihnen eine Stelle am Stift verschaffte, und wieder andre Poeten standen auf andere Weise in freundschaftlicher Berbindung mit Vater Gleim, wie er sehr bald ge= nannt wurde, da er sich jedes aufkeimenden Talents sehr uns eigennützig und oft leidenschaftlich annahm. So entstand denn ein eigner Dichterkreis, den man als Halberstädter Schule zu sammenfaßt. Johann Georg Jakobi von Düsseldorf (1740

1814), Klamer Eberhard Schmidt aus Halberstadt (1746-1824) und der früh verstorbene Johann Benjamin Michaelis aus Zittau (1746-1772) sind die bekanntesten Nahmen dieses Kreises; später gieng auch Christoph August Liedge (1752-1841) daraus hervor. So weit diese Dichter den Zweck hatten, sich das Leben durch die Kunst zu erheitern, in die Geselligkeit ein neues Element zu bringen, und sich neben der wirklichen Welt eine erträumte zu schaffen, kann man gegen ihr Treiben nichts einwenden; sie glichen in vieler Hinsicht den Nürnberger Pegnitzschäfern, wie denn auch später diese Halberstädter Poesie in Nürnberg und Franken außerordentlich viel Beifall und Nachahmung fand. Auch hier wurden durch die freundschaftliche Anfeuerung viele Unberufene zum poetischen Schaffen verführt oder wenigstens zu dem Gedanken, daß Dinge, welche in engerer Gesellschaft anmuthig erscheinen mögen, wohl auch dem ganzen Vaterlande frommen könnten; wahre Talente aber geriethen durch die Verbrüderung auf Abwege; denn da es hier einen poetischen Wetteifer galt: so gewöhnte man sich auf der einen Seite an die heilloseste Gelegenheitsdichterei, auf der andern Seite an eine bloße Ausfüllung gegebener Formen, ohne daß der Gegenstand die geringste Wahrheit in Erfindung und

*) Geboren waren in der Harzgegend: Klopstock, Gleim, Göckingk, Bürger, Klamer Schmidt, Stolberg; ihren Aufenthalt hatten kürzere oder längere Zeit in der Gegend: Cramer, Gisele, Adolph Schlegel, Stammford, 'Nathan Fischer, Lichtwer, Jakobi, Michaelis, Tiedge, Heinfe und 'die sämmtlichen Göttinger.

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