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man, er habe Samuel Greifensohn von Hirschfeld geheißen und sey Musquetier im dreißigjährigen Kriege gewesen. Diese Meinung, die man aus einer Nachricht des Verlegers schöpfte, welche den Leser wohl mit Fleiß irre führen sollte, ist völlig unstatthaft. Der Verfasser muß durchaus den höhern Ständen ange= hört haben, und spottet an manchen Stellen selbst über Schriftsteller, die von dem Leben der Vornehmen schreiben wollen, ohne es zu kennen. Nach der Meinung eines neuern Forschers *) hat der Verfasser Christoph von Grimmelshausen ge= heißen. Mit diesem Nahmen nennt er sich nähmlich vor seinen Romanen im gangbaren Geschmacke der Zeit, während er in seinen satyrischen und Volksschriften beständig den Nahmen än dert und zwar ganz nach der Sitte jenes Jahrhunderts durch Versehung der Buchstaben. Von diesem Grimmelshau. sen, wie wir ihn also nennen wollen, besigen wir folgende Echriften:

1. Satyrische Volksromane:

1) Der abentheuerliche Simplicissimus von German Schleifheim von Sulzfort.

2) Bom seltsamen Springinsfeld von Philarcho Grosso
von Trummenheim.

3) Truz Simpler oder Lebensbeschreibung der Erzbetrü-
gerin und Landstürzerin Courage von Philarcho ze.
4) Das wunderbare Vogelnest durch Michael Regulin
von Sehmsdorf.

5) Des Vogelnests Fortsehung von Ac eee ff g hh ii
li mm nu oo rr sff t uu.

II. Kleinere Erzählungen und Novellen:

1) Das Rathstübel Plutonis von Erich Stainfels von Grufenshelm (ein Cyclus von Novellen).

2) Der erste Bärenhäuter, von Illite rato Ignorantio.

*) Echtermeyer in den hallischen Jahrbb. 1838. Nr. 52 ff. Echtermeyers Auseinanderseßungen find an fich klar und überzeugend. Da ich die fimplicianischen Schriften selbst befite, so kann ich seiner Meinung aus eigner Ansicht beiftimmen.

II. Eigentliche Satyren im Sinne von Moscherosch: 1) Des Teutschen Michels verstümmeltes Sprach-Gemäng von Signeur Meßmehl.

2) Der satyrische Pilgram von Samuel Greiffensohn von Hirschfeld.

3) Die verkehrte Welt von Simon Lengfrisch von Hartenfels.

4) Zweiköpfizer Ratio status etc. von Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen.

5) Der fliegende Wandersmaan nach dem Mond.

6) Satyrische Traumgeschichten von Dir und Mir.
7) Kurze und kurzweilige Reisebeschreibung nach der
obern neuen Mondswelt.

8) Der stolze Melcher, und einige kleinere Sachen.

IV. Romane im gewöhnlichen Styl:

1) Dr keusche Joseph von Samuel Greiffensohn von Hirschfeld.

2) Dictwalds und Amelindens Lieb- und Leidsbeschreibung von H. J. Christoffel von Grimmelshausen.

3) Proximi und Limpidä Liebesgeschichte von Ebendems. Dieser Schriftsteller verhält sich zu ten Dichtern und Profaikern seiner Zeit wie die Sänger des Nibelungenliedes zu den höfischen Dichtern. Er ist durchaus volksmäßig, wiewohl er auch der Unnatur seines Jahrhunderts bisweilen unterliegt; er ist kein Mitglied einer gelehrten und dichterischen Gesellschaft, wird auch nie genannt, ausgenommen von Moscherosch, der auf gewisse Schriften Grimmelshausens (Teutscher Michel, Ratio status) hindeutet, so wie dieser mehrmals die Gesichte Philanders crwähnt. Seiner eignen Angabe nach (im deutschen Michel) war er aus Mainz; gelebt haben muß er noch in den siebenziger Jahren, da der stolze Melcher den holländisch-französischen Krieg zum Gegenstande hat. Es ist hier nicht der Ort, Inhalt und Werth seiner einzelnen Schriften anzugeben; nur das sonderbare Verhältnis Grimmelhausens zur übrigen Schriftsteller- und Dichterwelt mußte hier erwähnt werden. Die meisten dieser Schriften, nicht bloß der Simplicissimus, schildern uns jenes ganze Leben, öffentliches und häusliches, kirchliches und soldatisches

vortrefflich, und so viel auch in der Ausführung zu tadeln seyn mag, die Anlage ist überall gut, und der Sinn, in welchem alles geschrieben ist, höchst erfreulich *).

§. 57.

Kritik der Zeitgenossen.

Fragen wir nun nach der Kritik, welche die Zeit über die Kunstdichter außerhalb jener Bündnisse und Genossenschaften fällte, und sehen wir, inwiefern alles der neuen Form und Manier beistimmte, so begegnen uns dieselben Männer wieder, die eben genannt worden sind. Valentin Andreä nahm die neue Methode so wenig an, als sein Landsmann Weckherlin, son. dern blieb den alten achtsilbigen Zeilen treu, ist in der That oft hart, aber doch erfreulich in seiner Natürlichkeit und Derbheit. Gegen die neue Opißianische Manier sagt er in einem Epigramme: Ohn Mäh, ohn Kunst, ohn Fleiß ich dicht; Drum nit nach deinem Kopf mich richt.

Bis du wizst, schwigst, spihst, schnißst im Sinn,
Hab ich angeseht und fahr dahin;

Bis du guckst, buckst, schmuckst, druckst im Kopf,
Ist mir schon ausgeleert der Topf;

Bis du flickst, spickst, zwickst, strickst im Hiru,

Ist mir schon abgehaspt der Zwirn.

Gfällts dir nu nit wie ich ihm thu,

Machs besser, nimm ein Jahr dazu.

Daß Andreä billig mehr Kunst, Müh und Fleiß auf seine deutschen Gedichte hätte wenden können, geht aus diesem Epigramm selbst hervor; immer bleibt er, troh seiner Unbcholfenheit, eine merkwürdige Erscheinung jener Zeit **).

Daß der spöttische Laurenberg mit der alle modischen Poesie nicht zufrieden war, läßt sich denken. Besonders mis*) Die Schriften Chriftophs von Grimmelshausen find mehrmal gesammelt worden. Ich habe vor mir liegen die Nürnberger Ausgabe v. 1685 (b. Felseker) in 3 Theilen. Jeder Theil hat seinen besondern Titel; der gemeinsame ist: deß Teutschen Simplicissimi Redivivi Luftund Lehrreicher Schriften Mark.

**) Eine Sammlung seiner deutschen Gedichte wäre sehr zu wünschen. Vieles findet man bei Herder, einiges in Gebauers Dichterfaal. Bd. 1.

fielen ihm die hochtrabenden Redensarten und das beständige Einmengen der Mythologie, und da er in Sorve mehrere An= hänger Zesens in der Nähe hatte, so mochte ihm ihr Unwesen die Galle füllen. Von der neuen Art, in Bildern zu reden, sagt er nun in seiner derben Manier:

Et konde wol so hochdraven, wen ek wolde,
Dat et nemand als ef allene begrypen scholde,
Wen ef als de grote Poet skryven würde:

»Die Frau hat abgelegt ihrs Leibes reife Bürde,
»Versieglend ihr Ehbett mit einem theuren Pfand«
Wol würde ergründen disses Radels Verstand?
He meent darmit, de Frue heft en Kind gekregen,
Welkes im Ehestand is een edel Goddes Segen.
Man eener dem so hupich nich is ingegaten
Dat himlische Licht, wurde et duden solkermaten,
Als wan de Frue öhre Kleeder von dem Bedde
Genamen und in Pand versettet hedde.

Ein ander, der da meent, he wurd et beter weten,
Lede et so ut, dat Wyf heft in das Bedde gescheten.
De sülve Poet wo he kunstlik verklaeret,

Wo sin Frund up dem Meer in ein Schippe fahret,
Sine hochflegende Flögel mit dissen Wörden udbreitet :
„Auf einem hölzern Pferd das nasse Blau durchschneidet,
»Spaltend Neptuni Rück mit einem Waldgewächs." —
Eeen Halffgeleerd als eck, las disse schware Lex,
He spinteseerde lang, ehr he se konnt ergründen.
Endlik sprak he: de Poet, de eenen syner Fründen
Beklaget, dat he must upm holten Esel ryden,
Un synen natten Ers dar brun un blau to schnyden:
Un dat desülve Fründ Neptun, üm syn Verbreken,
Up dem Kate*) mit Roden were utgestreken.
Sülke hocherlüchtede Rede, de nu is upgekamen,
Bringet den nyen Poeten eenen ewigen Namen.
It is nu lächerlik, schryven dat ydermann,

Ja ooch een Schoster, edder old Wyff vornehmen kann.

*) Pranger.

Men moet syne Fedder hoch aver de Lufft upschwingen,
Un mit poetischen Stiel durch de Wulken dringen.
Dat is nu de Maneer.

Balthasar Schupp verfaßte seine Morgen- und Abendlieder den Opizianern zum Truk im holprichtesten Versmaß und in unreinster Sprache, und eifert in der Vorrede gegen die neuen Wortklaubereien: »Ob das Wörtlein und, die, das, der, ihr und dergleichen kurz oder lang seyn, daran ist mir und allen Musketieren in Stade und Bremen wenig gelegen. Welcher römische Kaiser, ja welcher Apostel hat ein Geseh gegeben, daß man einer Silbe halber, dem Opitio zu gefallen, soll einen guten Einfall fahren lassen? Ihr vornehme Critici, sagt mir, ob der König David in seinen Psalmen sich allezeit gebunden habe an die Regeln, welche Pindarus in seinen Oden observirt hat? Und ihr deutsche Poeten, sagt mir, ob Lutherus, wenn er traurig oder freudig gewesen und, sein Gemüth zu erquicken, ein geistreiches Liedlein gemacht, darinn er mehr auf das Anliegen seines Herzens und auf die Realia, als auf Poetische, Opizianische, Isabellische, Florabellische, Coridonische, Galatheische Phrases gesehen hat, allezeit in Acht genommen hat eure Antipericatam et anaparbeugedam phirribificationes poeticas, sive in Parnasso, sive in Helicone, ex utero parturientis Minervae, nonnisi visu prudentiorum satyricorum productas?<<

Moscherosch, der selbst ein guter Dichter war *), ist sehr unzufrieden, daß Opit, dessen Verdienste er übrigens anerkannte, die frühere Poesie völlig beiseit sehen wolle, und hebt nahmentlich Weckherlin, Andreä, Ringwaldt u. a. hervor, aus deren Gedichten vieles in seinen Strafschriften vorkommt. In dem sechsten Gesichte „Höllen kinder“ geißelt er aber den ganzen Poetenunfug, sowohl die frühern Bänkelsänger, als die neuere vornehme, hochtrabente Versmacherei. Er will freilic nicht Dichter von Nahmen verspotten, sondern nur solche, tie ohne poetisches Talent Verse machen; da aber der Mangel des

*) Einige Lieder von ihm in der Bibl. D. D. Bd. XIV., doch kommen in den Gefichten noch mehr vor.

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