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wie sie dann, als der romantische Geschmack einbrach, wieder hervorgesucht wurden. Fragen wir aber, wie es kam, daß man solchen Thorheiten Beifall schenken konnte, so muß einfach darauf verwiesen werden, daß in allerneuester Zeit aus Nürnbergs Nachbarschaft, aus Erlangen, ganz ähnliche Thorheiten ausgiengen, die wieder aus Italien und dem Orient geholt waren, und daß man in unserer Zeit, die doch an eine würdigen Aufgabe der Poesie gewöhnt seyn sollte, ebenfalls Beifall jauchzte und noch jauchzt.

Uebrigens fehlte es auch damals nicht an Leuten, welche Thorheit Thorheit nannten. Einen solchen Herrn Klügelgerne ruft dann ein Nürnberger zu:

Treugt dich nicht dein falscher Wahn,
Wenn du siehst den Spielstab an?

Splitterdichter, Schattenrichter!
Dein Verstand ist taub und glumm,
Wann der Stab dich dunket krumm.

Grillenschlichter, Kunstvernichter,
Du hast nicht so viel Verstand,
Als ein Nagel in der Wand.

Solche Lichter machen schichter.
Du hast ob dem Aug' ein Fehl
Und heißt Meister Urtheilscheel,

Harsdörffer hat vieles geschrieben, was mit der Pegnit schäferei nicht zusammenhängt, und fast überall sind Prosa und Verse, wie bei allen diesen Nürnbergern, vermischt, eine Mode, die schon Opitz durch seine Schäferei von der Nymphe Hercy= nia eingeführt hatte. Er verwechselte in der Poesie Neigung und Liebe mit Talent, Uebung mit vollendeter Kunst, und hielt eine große Belesenheit für wirkliche Wissenschaft. „Wer in fremden Sprachen," sagt er, nicht erfahren ist, kann es in der Poeterei schwerlich hoch bringen. Es wird aber dazu erfordert:

ders aus, da Sprache und Kunftansicht, Zweck und Erfolg der Poesie anderer Art sind,' als bei uns.

1) die natürliche Neigung; 2) die Unterweisung in allen Wissenschaften, fremden Zungen, und Lesung der Griechischen, Lateini schen, Französischen, Welschen und Spanischen Poeten; 3) die vielfältige Uebung, erstlich in ungebundener, und dann in gebundener Rede. Wem unter diesen dreien eins mangelt, der wird vor andern nichts besonders leisten können." Wirklich hat Harsdörffer das meiste meiste in seinen Gesprächspielen *), in seinen Allegorien **) und in seinen Novellensammlungen ***) aus den Alten, aus der Bibel und aus Italienern und Spaniern zusammengelesen. Seine Prosa ist breit und süßlich; in seinen Bersen geht er auf das Sinnreiche und Geheim. nisvolle aus, und da sie redende Gemälde seyn sollen, so begleitet er sie oft mit Sinnbildern, so daß die Verse mehr Unterschriften des Bildes sind, welches aber ohne die Verse auch nicht verständlich ist. Durch solche Abhängigkeit beider Künste von cinander verlieren aber beide ihre Selbständigkeit, und bedenken wir, daß um dieselbe Zeit die Oper aufkam, wo die Poesie wieder abhängig wurde von der Musik: so begreift sich, daß die Dichtung gar nicht zu einem freien Leben gelangen konnte. Uebri= gens ist nicht zu läugnen, daß Harsdörffer, abgesehen von seiner Härte, manches Artige in der Schnißelpoesie, die zur Unterhaltung einer Gesellschaft dienen soll, geleistet hat. Ich gebe einige Beispicle;

Ein alter stummer Mann bat einmal einen Blinder,
Er sollte schauen zu, ob irgendwo zu finden
Ein Geiger, seinen Sohn, der taub, zu spielen auf,
Der Blinde sagte ja, schickt auch in schnellem Lauf
Den lahmen Jungen hin, der ihn sonst pflegt zu leiten;
Den Geiger holt er her, er spielt auf seinen Saiten.

*) Gesprächspiele. 8 Theile. 1642 — 1649.

**) Nathan, Johann und Simson, oder geiftliche und weltliche Lehrgedichte (meift in Prosa) und Räthsel. 1650. 1651.

***) Großer Schauplaß luft- und lehrreicher Geschichten.

plaß jämmerlicher Mordgeschichten.
Geschichtsspiegel u. f. w.

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Großer Schau

Heraclitus und Democritus.

Doch hatt' er keine Hand. Der Taube hörte zu,
Der Blinde sah ihn an, der Lahme sonder Schuh
Tanzt in der Stuben um, der Stumme mußt' sie loben,
Dieweil sie ingesampt erwiesen Meistersproben.

Run rathet alle her und sagt mir, was ich mein.
Er soll, der es erräth, zu Schweigheim Rathsherr seyn.

Das Leben ist:

Ein Laub, das grünt und falbt geschwind;
Ein Staub, den leicht vertreibt der Wind.
Ein Schnee, der in dem Nu vergehet,
Ein See, der niemals stille stehet;
Die Blum, so nach der Blüt verfällt,
Der Ruhm, auf kurze Zeit gestellt;
Ein Gras, so leichtlich wird verdrucket,
Ein Glas, so leichter wird zerstucket.
Ein Traum, der mit dem Schlaf aufhört;
Ein Schaum, den Flut und Wind verzehrt.
Ein Heu, das kurze Zeiten bleibet,
Die Spreu, so mancher Wind vertreibet.
Ein Kauff, so man am End bereut,
Ein Lauff, der schnaufend schnell erfreut.
Ein Wasserstrom, der pfeilt geschwind;
Die Wasserblas, so bald zerrinnt;
Ein Schatten, der uns macht schabab,
Die Matten, so gråbt unser Grab.

§. 55.

Laurenberg. Schupp. Moscheros ch. Andreä. Wollten wir aus den besprochenen Dichtern und Dichter. schulen Kenntnis der Zeit schöpfen, in der sie dichteten, so würden wir uns bei den meisten betrogen finden; denn da ihre Poesie gewöhnlich eine Frucht der Belesenheit, eine Nachbildung frember Muster ist, so finden wir das wirkliche Leben selten in ihnen, und wo es sich findet, wie bei Flemming, ist es doch mehr das Leben des Dichters, als der Welt überhaupt. So erscheint.

äußerst auffallend, daß der sächsische Dichter Schirmer in dem so trinklustigen siebzehnten Jahrhunderte fast nie vom Weine singt, und diese Schwäche seines Hofes nie berührt. Eine Ausnahme macht Logau, wiewohl auch diesem seine Belesenheit viel schadet. Eine Fundgrube für Kenntnis der Zeit in ihren Neigungen und Schwächen sind hingegen mehrere Satyriker, und hier ist besonders der ehrliche Joh. With. Laurenberg (1591 bis 1659) aus Rostock zu nennen, der als Professor zu Soroe in Dänemark starb. Dieser hat uns vier Satyren in niederdeutscher Sprache hinterlassen: Van izigen Wandel und Manee. ren der Minschen Van allemodischer Kleders dracht Van vermengender Sprake unde Titeln Van allemodischer Poesie und Rymen. Titel zeigen, was wir hier zu finden haben, und der Dichter schont seine Zeit nicht. Ferner sind hier zwei Satyriker aus Hessen zu nennen, die in Prosa schrieben: Balthasar Schupp und Michael Moscherosch.

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Schon die

Balthasar Schupp (1610-1661), von Gießen, lehrte, nachdem er lange Reisen durch Europa gemacht hatte, von 16351649, als Professor der Beredsamkeit zu Marburg, und ward dann Pastor in Hamburg. Er hat in lateinischer und deutscher Sprache vieles geschrieben, auch geistliche Lieder, die aber ohne allen Werth sind. Für uns ist er durch seine Spotts schriften merkwürdig, die sich in seinen „Lehrreichen Schrif ten“ (zuerst Hanau 1663) befinden. An sich ist seine Satyre nicht die feinste, und sein Wih ist sehr burlesk, wie er denn überhaupt ganz an das sechzehnte Jahrhundert mahnt; aber er ist ein Mann von vieler Weltkenntnis und offnem Verstande, dabei ohne Scheu, und spricht seine Meinungen in einer derben und körnichten Sprache aus, die sich von der geschmacklosen und gespreizten der Opizianer sehr unterscheidet.

Michael Moscherosch (1600–1669), war zu Willstädt im Hanauischen geboren und starb als Nath des Grafen von Ha. nau, nachdem er vielfältigen Wechsel des Schicksals im dreißigjährigen Kriege hatte erfahren müssen. Unter dem Nahmen Philander von Sittewald verfaßte er eine Reihe Strafs fchriften, in der Form von Gesichten (Visionen), eine Form,

die ihm der spanische Schriftsteller, Francisco de Quevedo, geliehen hatte, die aber auch ganz zu seiner Zeit sich schickte, welche so viel auf Allegorien hielt. Gerade diese oft übelangebrachte allegorische Form macht uns seine Strafschriften sehr ungenießbar, und wir würden weit mehr an Moscherosch besißen, wenn er die Stoffe feiner Satyren frei und geradezu behandelte, ohne alle weitere Einkleidung. Er sammelte später die einzelnen Gesichte unter dem Titel: Wunderliche und wahrhafte Gesichte Philanders von Sittewald, das ist Straf= schriften Hans Michael Moscherosch von Willstädt 2c. 2 Thle. Straßb. 1650. 8. Auch an diesem Schriftsteller haben wir einen offenen, scharfen Beobachter, der sich überall als wackerer, über das Unglück des Vaterlandes und die Schande der Zeit tief betrübter Mann darstellt, und dessen Schriften für die Kenntnis jener Zeit unentbehrlich sind.

Einige Aehnlichkeit mit Moscherosch hat Valentin Andrea (1586-1654), von Herrenhausen in Würtemberg, der viele geistliche Aemter in seinem Vaterlande bekleidete und als Prälat von Bebenhausen starb. Andreä war zwar Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft (er hieß der Mürbe), hat aber seine meisten Schriften lateinisch geschrieben. Er rügte nicht bloß die Gebrechen seiner Zeit, in Kirche, Schule und Staat, sondern wollte sie auch abstellen, erlitt deshalb viele Verfolgungen und starb lebenssatt. Auch er hatte als Schriftsteller Neigung zur Allegorie und hatte diefe Neigung ebenfalls aus der Lectüre italienischer und spanischer Schriftsteller geerbt *).

§. 56.

Christoph von Grimmelshausen.

Der wichtigste Schriftsteller für Kenntnis des Lebens jener Zeit ist aber der Verfasser des Simplicissimus. Früher glaubte

*) Vgl. J. von Andreä's Dichtungen zur Beherzigung unsers Zeitalters (aus dem Lateinischen von Sontag). Mit einer Vorrede von Her der. Leipz. 1786. Herders zerstreute Blätter. Bd. 5. Eines der trefflichsten deutschen Gedichte Andrea's ift abgedruckt in Herders Briefen über das Studium der Theologie: Das gute Leben eines rechtschaffenen Dieners Gottes.

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