Графични страници
PDF файл
ePub

nicht, und die so schön hervorbrechende Prosa zerflel bald wieder; aber der Religion hatte Luther die Muttersprache für immer erobert; das protestantische Kirchenlied und alle Dichtung, welche damit zusammenhieng, mußte deutsch bleiben. Luther betrauerte tief den Verfall Deutschlands in aller humanen Bildung; und in seinem Sendschreiben an die Rathsherren und Städte Deutsch. lands: daß sie christliche schulen aufrichten und halten sollen (1524), spricht er darüber herrliche, inhaltschwere Worte *); mit Verwunderung sehen wir hier dieselbe Ansicht von Poesie und Literatur, die Herder mehrere Jahrhunderte später aufstellte. Luther wünscht, daß seine Deutschen auch feine Leute würden wie tie Römer und Griechen, und betrachtet das Lesen der Dichter und Geschichtschreiber als Haupthilfsmittel, um zu dieser feinen Bildung zu gelangen. Zu feinen Leuten haben die Poeten des sechszehnten Jahrhunderts die Deutschen freilich nicht gemacht;

*) „Es fehlt allein daran, daß man nicht luft noch ernft dazu hat, das „junge Volk zu ziehen, noch der welt helfen und rathen mit feinen „leuten. Der teufel hat viel lieber grobe blöche und unnüße leut', „daß den menschen ja nicht zu wohl gehe auf erden.“

„Wir find leider lang genug in finsternis ve:faulet und verdor,,ben. Wir find allzulange genug deutsche bestien gewesen; laßt uns „einmal auch der vernunft brauchen, daß Gott merke die dankbarkeit „seiner güter, und ander lande sehen, daß wir auch menschen und „leute find, die etwas nüßliches entweder von ihn lernen oder fie „lehren könnten, damit auch durch uns die welt gebeffert werde. „Ich habe das meinige gethan. Ich wollt ja deutschem lande gerne „geraten und geholfen haben, ob mich gleich etlich darüber verachten „und solchen treuen rath in wind schlagen und bessers wiffen wöllen, „das muß ich geschehen lassen 2c.“

„Wenn ich Kinder hätte und vermöcht's, fie müßten mir nicht „alleine die sprachen und historien hören, sondern auch fingen und „die musica mit der ganzen mathematica lernen. Denn was ist das „alles denn eitel kinderspiel, darinnen die Griechen ihre kinder vor „zeiten zogen, dadurch doch wundergeschickte Leut aus worden, zu „allerlei hernach tüchtig. Ja wie leid ist mirs ißt, daß ich nicht ,,mehr Poeten und historien gelesen habe und mich auch dieselben „niemand gelernt hat. Habe dafür müft lefen des teufels Dreck, „die Philofophos und Sophiften, mit großer koft, arbeit uud schaden, „daß ich gnug habe dran auszufegen.“

aber wenigstens hatten sie das Verdienst, daß der geringe Stock nationaler Bildung nicht ganz untergieng und doch einiger Halt da war, um sich geistig zu erfreuen und, nicht entweder in innere Rohheit oder gelehrte Verschrobenheit und theologische Grübeleicn zu verfallen. Diese deutschredenden Poeten standen ganz einsam da; auf der einen Seite hatten sie gegen die ziemlich plumpe Volksliteratur, auf der andern gegen tie vornehm herabblickende lateinische Poesie zu kämpfen, überdies sich der gelehrten Verdumpfung zu erwehren, die gegen Ende des Jahrhunderts auf Deutschland drückte. Auch hatten sie keinen Zusammenhang -unter sich; jeder stand für sich da und dichtete für sich; höchstens kann man in Bezug auf das Kirchenlied von einer Schule reden, und auch hier nur eine Zeitlang. Wären alle diese Hemmnisse nicht gewesen, so hätte sich nothwendig eine schönere Blüte entfalten müssen; allein da jeder Mittelpunkt fehlte, um den sich die neuerfrischte Literatur hätte sammeln können, so verkümmerte alles bald wieder. Aufmunterung fand gar keine statt; der Mehrzahl der Fürsten und des Adels läßt sich in dieser Beziehung derselbe Vorwurf machen, den Luther ihnen macht, wo er von Errichtung der Schulen und Beförderung der Bildung spricht: „Der gemein mann thut hier nichts zu, kanns auch nicht, wills „auch nicht, weiß auch nicht. Fürsten und herren solltens thun; „aber sie haben aufm Schlitten zu fahren, zu trinken und in »der mummerei zu laufen, und sind beladen mit merklichen ges »scheften des kellers, der küchen und der kammer. Und obs „etliche gern thäten, müssen sie die andern scheuen, das sie nicht »für narren oder keher gehalten werden."

Uebrigens sehen wir an den Hervorbringungen dieses Jahrhunderts recht deutlich, welche Verwirrung entsteht, sobald die Grenzen zwischen Wissenschaft und Poesie verkannt und beide Gattungen verwechselt oder vermischt werden. Die Poesie wollte durchaus so wirken, wie nur die Wissenschaft wirken soll; sie wollte nähmlich Kenntnisse verbreiten oder unmittelbar bessern; eine poetische Ansicht der Dinge wurde weder gefordert noch erstrebt. Dafür betrachteten nun die Philosophen die Welt poe. tisch, und wenn wir bloß auf Gesinnung und Ansicht merken, su wären die größten Dichter der Zeit der bekannte Theophrastus

von Hohenheim und Jakob Böhme, von denen der erste zu Anfange des Jahrhunderts (1493-1541), der andere zu Anfang des siebzehnten (1575—1624) lebte. Zu dieser Umkehrung aller natürlichen Verhältnisse trug der Umstand wesentlich bei, daß alle Bildung auf lateinische Echulen und Universitäten beschränkt war, auf denen Rohheit, Gemeinheit und barbarische Gelehrsamkeit eher befördert wurden, als daß sie Pflanzstätteneines wahrhaft geistigen Lebens gewesen wären.

III.

Opitz und sein Jahrhundert.

§. 47.

Die fruchtbringende Gesellschaft.

Im Jahre 1617, also ein Jahrhundert nach Luthers Auftreten, wurde auf dem Schlosse zu Weimar der sogenannte Palmenorden oder die fruchtbringende Gesellschaft gestiftet. Die Herzogin von Weimar, Dorothea Maria, eine geborene Prinzessin von Anhalt, war gestorben; bei ihrem Begräbnis waren der fürstlichen und edeln Herren viele anwesend, unter ihnen der Verstorbenen Bruder, Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen. Dieser hatte nach damaliger Sitte weite Reisen gemacht, hatte Italien gesehen und sich mit dessen Literatur bekannt ges macht; das Gespräch fiel auf diesen Punkt und auf die deutsche Sprache. Man erkannte die Kraft und den Wortreichthum der. selben; aber man beklagte auch ihre Verderbnis durch Einmischung fremder Ausdrücke, und glaube, diesem Uebel könne am besten abgeholfen werden, wenn man nach italienischer Sitte eigene Akademieenstifte, die auf Reinheit der Sprache, Begünstigung deutscher Schriftsteller und Veredelung der Sitten ihr Augenmerk richteten. Kaspar von Teutleben, Hofmeister der Weima= rischen Prinzen, schlug sogleich die Einrichtung einer solchen. Gesellschaft vor, und sein Vorschlag fand Beifall; Fürst Ludwig

[ocr errors]

ward das erste Oberhaupt des Bundes und der Sitz der Ver sammlungen nach Köthen verlegt. Reinigkeit der Sprache, Veredlung der Sitten, Ablegung der Ranggefeße in den Versammlungen und Zuschriften waren die drei Grundgesehe. Nach dem Muster welscher Akademieen nahm jedes Mitglied einen Beinahmen an, unter welchen allein er in der Akademie galt, und diese scheinbar lächerliche Sitte trug jedenfalls mit bei, allen Zwang zwischen Fürsten und bloßen Gelehrten zu verbannen und der äußern Verhältnisse zu vergessen.

Ueber den Nußen, den diese Gesellschaft gebracht habe, ist vielfach gestritten worden, so daß man ihr jede Wirkung biss weilen abgesprochen hat. Abgesehen von ihrem Nußen, war die Verbindung an sich erfreulich; wir sehen, daß Fürsten und Adel endlich aufmerksam darauf werden, wie sehr das deutsche Wesen und Leben durch Eindrängen fremder Sitten und Sprachen einen tödtlichen Stoß empfangen hatte. Bedeutend ist es, daß der Bund gerade ein Jahr vor dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges gestiftet wurde, durch welchen fremde Elemente immer mehr eindrangen. Wie tief wackere Patrioten dieses Uebel schon seit Jahrhunderten betrauerten, darauf habe ich schon mehrmals aufmerksam gemacht; daß ein solches Verhältnis deutscher und fremder Elemente innerhalb Deutschlands einsichtsvollen Männern immer unerträglicher wurde, dafür mag eine Stelle aus Philanders von Sittewald (Moscherosch) Gesichten sprechen ). „Es wird eine Zeit kommen, weil alle Ding vergänglich sind, wan das Teutsche Reich soll zu grunde gehen: so werden Burger gegen Burger, Brüder gegen Brüder im Felde streiten und sich ermorden, und werden ihre Herzen an fremde Dinge hängen, ihre Muttersprache verachten und der Welschen gewäsch höher halten, wider ihr eigen Vaterland und Gewissen dienen, und alsdann wird das Reich, das mächtigst Reich, zu grunde gehen, und unter deren Hände kommen, mit welcher Sprach sie sich gefühelt haben, wo Gott nicht einen Helden erwecket, der der Sprach wieder ihre maß sehe, sie durch gelehrte Leut aufbringe

*) Im ersten Geficht des zweiten Bandes, mit dem Titel: A la mode Kehrauf.

und die Welschlende Stimpler nach Verdienst abstraff. O Gott, welchen Helden hastu dir hiezu erwählet? Treibe ihn, auff daß dieß Werk einen seligen Fortgang habe. Ihr mehr als unvernünftige Nachkömmlinge *), welches unvernünftige Thier ist doch, das dem andern zu gefallen feine Sprach oder Stimm nur änderte? Hast du je eine Kah dem Hund zu gefallen bellen, ein Hund der Kah zu lieb mauchzen hören? Nun sind wahr. haftig in seiner Natur ein Teutsches festes Gemüth und ein schlipferiger welscher Sinn anderst nicht als Hund und Kahen gegen einander geartet, und gleichwohl wollet ihr unverständiger als die Thiere ihnen wider allen Dank nacharten? Hast du je einen Vogel plärren, und eine Kuh pfeifen hören? Und ihr wollet die edle Sprach, die euch angeboren, so gar nicht in obacht nehmen in eurem Vaterland? Pfui dich der schand!

Fast jeder Schneider

Will jehunt leider

Der Sprach erfahren seyn

Und redt Latein,

Leutsch und Französisch,

Halb Japonesisch,

Denn er ist toll und voll,

Der grobe Knoll.

Der Knecht Matthies

Spricht bona Dies,

Wenn er gut Morgen sagt
Und grüßt die Magd;
Die wendt den Kragen,
Thut ihm Dank sagen,
Spricht: Deo gratias,
Herr Hippokras!
Ihr böse Teutschen!

Man sollt euch peitschen,

Daß ihr der Mutter - Sprach

So wenig acht.

*) Moscherosch läßt nähmlich den Ariovist hier reden.

« ПредишнаНапред »