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eines Reichsbürgers an; hätte er in einer poesiereichen gebildeten Welt gestanden; wäre nicht das ganze Jahrhundert so arm an wirklicher deutscher Poesie gewesen, so würten wir in Hans Sachs einen ganz andern Mann haben. Allein er stand völlig einsam da, und dies machte ihn zu seiner Zeit so berühmt, und muß ihn noch für uns so achtbar machen.

Unter den zahlreichen Gedichten des Mannes haben diejenigen den meisten Werth, worin er unmittelbar in seiner Zeit fußt und das rein Menschliche ernst oder launig darstellt, seine Schwänke und Fastnachtsspiele, überhaupt alle Dichtungen, bei deren Hervorbringung tüchtiger Menschenverstand, Wiz und gefunde Beobachtung vorherrschen müssen, und gerade diese fallen in seine frühere Periode. Alle diejenigen hingegen, zu denon er den Stoff aus der romantischen Vergangenheit suchte, find matte, prosaische, leere Reimereien. Wo er Stoffe behandelt, die innerhalb seines Horizontes liegen, da ist er behaglich und erweckt Behagen; die Mehrzahl seiner Gedichte aber ist unerfreulich, mühselig, unbehaglich. Auch diesen wackern Mann hemmt das, wodurch die ganze Zeit so gehemmt war, die ungeheure Masse gelehrten Stoffes, der von allen Seiten herbeiströmte, aber ganz und gar nicht verdaut und geordnet war. Hans Sachs zeigt ferner, daß auch er, wie alle seine dichtenden Zeitgenossen, gar kein Bewußtseyn von dem Maße der gegebenen Kraft hatte, und für jeden Stoff, für jede Form sich gleich befähigt hielt. In der Form ist er oft sehr gewandt, oft sehr unbehülflich. Alle seine gedruckten Gedichte sind in demselben Versmaß gearbeitet, dessen Handhabung allerdings sehr geläufig seyn mußte. In der Sprache ist er oft sehr lobenswerth, noch öfter aber nachläßig und ungebildet; er hat nicht selten Formen und Wendungen, die nie dagewesen, sind und nur durch Vers und Reim bei ihm entstehen.

Zu seiner Zeit war Hans Sachs sehr berühmt, jedoch nur in bestimmt gezogenen Kreisen. Die Poesie der Gelehrten nahm wenig Kenntnis von ihm, und er verhielt sich zu diesen, wie die Sänger der Heldensage in der hohenstaufischen Zeit zu den höfifchen Dichtern. Später wurde er ganz vergessen und ver schmäht; seit Göthe und Wieland ihn anpriesen, versuchte man

seine Wiedereinführung mehrmals, aber stets ohne Erfolg. Das gebildete Publicum wird sich schwerlich viel mit dem Dichter befreunden, da er zu tief unter unserer Bildung steht und sich an Dinge wagt, denen er gar nicht gewachsen ist. Freilich hat man bei jener Wiedereinführung falsche Wege eingeschlagen; hätte man einen mäßigen Band, mit seinen besten Schwänken und Fastnachtsspielen ausgestattet, herausgegeben, Sachen, an denen unsere Literatur überhaupt sehr arm ist dann würde der Erfolg gewiß bedeutender gewesen und dabei des Dichters eigentlicher Charakter kenntlich geworden seyn. Anstatt dessen wollte man Proben von allen Gattungen geben, in denen er sich versucht hat, und schreckte den jezigen Leser von vorn herein ab.

S. 42.

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Georg Rollenhagen. Barthel Ringwaldt.

Obgleich gelehrte Dichter, schließen sich doch Georg Rollenhagen (geb. 1542 zu Bernau in der Mark, gest. 1609 als Rektor der Schule zu Magdeburg), und Bartholomäus Ringwaldt (geb. 1530 zu Frankfurt a. d. Oder, gest. um 1599 als Pastor zu Langenfelde in der Neumark) mehr an die Manier des Hans Sachs an. Rollenhagen ist besonders durch sein politisch-satyrisch-didaktisches Gedicht, „der Froschmäusler," bekannt, Ringwaldt, ein fruchtbarer Poet, vorzüglich durch seine „Lautere Wahrheit,“ ein Lehr- und Sitkengedicht, worin er schildern will, wie ein weltlicher und geistlicher Kriegsmann in seinem Berufe sich verhalten soll *). Beide Werke waren Lieblingsbücher nicht nur der Zeitgenossen, sondern noch tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein, und erlebten sehr viel Auflagen.

- Sowohl Rollenhagen als Ringwaldt sind didaktische Dichter ohne große poetische Begabung, und dabei von einer Redseligkeit und Weitschweifigkeit, die den Leser zur Verzweiflung bringen

*) Vgl. Hoffmann: Bartholomäus Ringwaldt und Benjamin SchmoldEin Beitrag zur Literaturgeschichte des 16ten und 17ten Jahrhunderts. Bresl. 1833. 8. Bruchstücke aus dem Froschmäusler und aus Ringwaldt finden sich bei Wackernagel.

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kann. Allein für die Entwickelung der poetischen Literatur waren sie sehr wichtig, in ihren Bestrebungen sehr achtbar und, da sie so großen Beifall fanden, die besten Gewährsmänner für den Geschmack der Zeit. Beide betrachten die Poesie nur als Mittel zum Zweck, wollen dadurch richtigere Erkenntnis befördern, Rechtschaffenheit und Frömmigkeit verbreiten. Im Frosch. mäusler ist nicht das Epische, wofür doch Rollenhagen offenbar Anlage hat, die Hauptsache, sondern die politische Weisheit, über welche darin Unterricht ertheilt wird. Der große Einfluß, den Reineke Fuchs auf das ganze Jahrhundert hatte, das Unsehen, in welchem er nicht als episches Gedicht, sondern als Satyre und Sittenbuch stand, zeigt sich auch hier wieder. Nach dem Vorschlage seines Wittenberger Lehrers, tes Dr. Veit Ortel, hat Rollenhagen Rathschläge von regimenten und „Kriegen nüßlich hineinbringen und also eine förmliche deutsche »lection, gleichsam eine Contrafactur dieser unserer Zeit geben "wollen.". Aehnliches Bestreben zeigt Ringwaldt, nur daß er nicht den kirchlich-politischen Zustand des deutschen Reiches vor Augen hat, sondern die gesellige Ordnung überhaupt, häusliche und öffentliche Zucht und die Pflichten der verschiedenen Stände; alles dies jedoch immer vom deutschen Standpunkte aus, und zwar vom deutsch-lutherischen. Beide Männer müssen zu ihrer Zeit sehr wohlthätig gewirkt haben; denn sie sind ver. ständige, tüchtige, geraddenkende Menschen; beide haben eine Ahnung davon, daß die deutsche Nation einer Poesie bedürfe, in deren Bildern sie ihre eignen Zustände schauen könne. Bei dem unerquicklichen, unheilvollen Gange, den die Reformation ge= nommen, indem sie sich in die spißfindigsten Zänkereien, Verkeherungen und Schmähungen auflöste, stehen die Dichtungen dieser Männer sogar bedeutend da, und man sieht, wie die Gabe der Poesie, das ruhige Schaffen des dichtenden Geistes, vor dem Unverstande und der Dürre bewahrt, in welche die bloße Gelehr samkeit so leicht hineinführt.

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Rollenhagen tritt übrigens wie Seb. Frank und Fischart in die Reihen derer, welche es tief beklagen, daß die deutsche Sprache so verachtet sey. In der Widmung des Froschmäus: lers an Heinrich Ranhaw sagt er unter anderm :

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Wie der Arzt einen herben Safft
Mit Honig gibt ein süsse Kraft:
Pillen mit Gold bekleidet fein,
Die sonst bitter Aloe seyn.
Darum Homer auch, der so viel
Von ernsten Sitten schreiben will,
Seine Frösch ließ Possen fürtragen,
Und mit Lachen die Wahrheit sagen.
Wenn dis in unser deutschen Sprachen
Unser Frösch' nicht so zierlich machen:
So bitt' ich: habt mit ihn Gedult:
Es hat daran die Landart schuld.
Der Griech' und auch der Römisch Mann
Schaut, daß er künstlich reden kann
Sein angeborne Muttersprach,
Und hält das für ein grosse Sach:
Der Deutsche aber lässet vor allen
Was fremd ist, sich besser gefallen,
Lernt fremde Sprachen reden, schreiben;
Sein Muttersprach mus veracht bleiben.
Darum wird auch kein Wunder sein,
Daß meine Frösch in ihrem Reim
Ihr Muttersprach nicht auspoliert,
Artig versehet und maniert.

Merkwürdig ist, daß der Mann, der so klagt, doch der Sitte des Zeitalters nicht widerstehen kann und seine Widmung nicht nur in deutscher, sondern auch in lateinischer Sprache giebt *). Sein Deutsch gehört aber in der That zu dem schlech

* Die ersten obenangeführten Zeilen heißen im Lateinifchen:
Mella velut medicus succis permiscet amaris,
Auratas aloes dat, commeditve, pilas.
Ergo suas ranas etiam morosus Homerus
Tristia ridentes dicere vera docet.

Id si Tentonicae Ranae minus ore rotundo
Quam Grajae possunt Italicaeque loqui:
Ignosces: Quia Roma suas et Graecia linguas,

Teuto peregrinas excoluisse solet etc.

Man sieht, daß Rollenhagen auch in lateinischer Sprache kein Poet war.

testen, unreinsten und unbeholfensten des ganzen Jahrhunderts. Den Froschmäusler dichtete er schon während der akademischen Jahre zu Wittenberg, gab ihn jedoch erst in seinem Alter (1595), jedenfalls ganz überarbeitet, heraus. So trat auch Ringwaldt erst in spätern Lebensjahren öffentlich auf, um zu zeigen, daß ein Dorfpfarrer auch etwas anderes vermöge, als des Kruges und des Ackers zu warten; dann überschüttete er aber auch die Welt mit geistlichen Liedern, gereimten Evangelien, Allegorieen und Gelegenheitsgedichten, und bei der Armuth der Literatur an leidlichen Erzeugnissen fanden seine Reimereien genug Freunde und Bewunderer.

§. 43.

Uebersicht der poetischen Leistungen.

Die Masse derer, die sich im sechszehnten Jahrhundert als Poeten hervordrängten, ist sehr groß; die Gattungen und For. men, welche man pflegte, waren: das Kirchenlied und das geist= liche Lied überhaupt; das Drama, das historische Gelegenheitsgedicht; endlich das moralische Gedicht als Fabel, Allegoric, Satyre und Sittenpredigt.

Das Kirchenlied kann man kaum zur Literatur im stren= gen Sinne rechnen; es war zum liturgischen Gebrauch bestimmt und hieng eng mit dem neuen Dogma und der Musik zusammen. Ursprünglich hatte es zweierlei Ziel: einmal die neue Lehre zu verbreiten; dann das weltliche Lied zu verdrängen. Die besten Gefänge dieser Zeit sind die, worin ein starker Charakter die Freudigkeit seines Glaubens bekennt oder in der großen Noth, welche oft die protestantische Kirche drückte, Trost und Hülfe bei Gott sucht. Diese Gesänge tragen einen zweifachen Charakter; auf der einen Seite sind sie ganz objektiv, indem die reine, unverfälschte Lehre des Evangeliums darin ausgesprochen werden soll; auf der andern Seite ganz subjektiv, da sie meist in besondern Fällen gedichtet waren und von bestimmten Persönlichkeiten ausgiengen. Den individuellsten Charakter tragen die Lieder von Alberus.

Neben dem eigentlichen Kirchenliede treten andere auf, die im Tone des weltlichen Volksliedes sprechen und alle Wendungen

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