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Verständlichkeit damals die größte Geltung in Büchern, wobei man aber ja nicht an Augsburger Mundart zu denken hat.

Allein nicht nur auf Anordnung der Schreibweise übte die neue Kunst bedeutenden Einfluß, sondern auf literarischen Verkehr und Büchererzeugung überhaupt. Das Verhältnis der Gönnerschaft war für poetisches und literarisches Schaffen stets wichtig; in die Reihe der Gönner traten nun die Drucker mit einer der ersten Stimme; sie druckten nicht immer das beste, aber immer das gangbarste und ansprechendste. Hätte, als ihre Kunst aufkam, die gangbare poetische Literatur auf der Höhe gestanden wie in Italien und England, so würde der Druck diese Pocsie fortgepflanzt haben; allein der bedeutende Augenblick fand eigentlich gar keine bedeutende vaterländische Schöpfung vor; denn die frühere große Poesie war vergessen und unverständlich geworden; die des Jahrhunderts war eine verderbte, des Druces großentheils unwerthe. Es wäre allerdings auch der rechte Zeitpunkt gewesen, wo eine ganz frische Poesie hätte entstehen sollen, wo die Dichtung auf die Nation hätte wirken, dieselbe bilden und beherrschen können. Denn alles bereitete sich zu einem neuen Zustande vor und rang nach Abwerfung mannigfaltigen Druckes, was immer ein Vorbote ist, daß eine veränderte Cultur eintreten wird. In solchen Zeiten erwacht das poetische Genie stets und findet auch am leichtesten Anklang; dies fahen wir zur Zeit der Hohenstaufen und sehen es wieder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Der deutsche Genius erwachte auch am Ende des 15ten Jahrhunderts und suchte das neue geistige Leben in Sprache zu gestalten; allein — es war ihm nicht vorgearbeitet, er fand das ihm nöthige Werkzeug verunstaltet, stumpf und unpassend. Die Erfahrung, daß dem Genius durch Talente vorgearbeitet seyn will, daß die Sprache ihm willig entgegen fommen muß, bewährte sich niemals gründlicher und schlagender als damals. Der grammatische Ausdruck und die metrische Form waren so plump, handwerksmäßig und rathlos, daß der poetische Schöpfungstrieb, um seine Welt zu gestalten, sich von der deutschen Sprache ab- und einer andern zuwandte; und so sehen wir denn bald nach der Ausbreitung der Buchdruckerkunst eine lateinische Poesie in Deutschland entstehen; die lateinische Sprache

ward wieder eine lebende, wie sie es im 11ten Jahrhundert gewesen, und die Entwicklung einer würdigen Literatur in deutscher Sprache dadurch um Jahrhunderte hinausgeschoben.

S. 29.

Aufnahme der lateinischen und griechischen
Literatur.

Das Studium der alten Sprachen und Literaturen, auf den Universitäten völlig vernachläßigt, hatte schon im Beginn des 15ten Jahunderts durch die Schüler des Thomas Hamerken (st. 1471), bekannt unter dem Nahmen Thomas a Kempis *), von neuem Fuß gefaßt, nachdem es in Italien, wo jene Schüler ihre Studien fortseßten, schon früher Aufnahme gefunden. Denn hier studierte man die Alten nicht bloß, sondern schrieb auch in ihrem Sinne und setzte so die lange unterbrochene lateinische Literatur im Geiste der ältern römischen Schriftsteller und Dichter fort. Bald darauf ward das Studium derselben in Deutschland mit einer Begeisterung ergriffen, von der das jeßige Treiben der lateinischen und griechischen Schriftsteller nur ein schwaches Abbild ist. Man sah in den Alten eine Schule der Weisheit, der Tugend, der Politik; vernünftiger, gesitteter, klüger, tugendhafter und feiner sollten die Menschen durch sie werden, und man flüchtete sich zu ihnen aus der schnöden, unsittlichen, versunkenen, intriguanten Zeit. Die feiner gebildeten Köpfe wurden durch die einfache, schöne Darstellung in den Alten angezogen, und fanden hier eine Befriedigung, die ihnen weder die trocknen Fachstudien, noch die rohe deutsche Dichtung geben konnte; die schöpferischen Geister endlich fanden eine schon zugerichtete Sprache, die zum Theil für sie dachte und dichtete, und in deren ausgebildeten Formen sie ihren ganzen Geist ausströmen konnten. Dazu kam, daß die Gabe lateinischer Beredsamkeit einen reellen Werth

*) Bekannt durch das berühmte Buch von der Nachfolge Chrifti, das ihm gewöhnlich zugeschrieben wird. Thomas hängt mit den Myftikern des 14ten Jahrhunderts zusammen; er selbst war gebildet in dem Bruderhause zu Deventer, das Gerhard Groote (geb. 1440, geft. 1484) geftiftet hatte.

Göhinger Lit.

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hatte und in ganz anderem Verhältnis zur damaligen Welt stand als jezt; denn lateinisch war großentheils die diplomatische Sprache, und die größten Humanisten jener Zeit wurden oft zu Gesandtschaften gebraucht.

So bildeten sich denn, wie zur Zeit der Hohenstaufen, zwei ganz verschiedene Classen von Literatur, eine feinere, höfischere und eine mehr für die mittlern Stände berechnete: jene in la teinischer, diese in deutscher Sprache. Jene war aber nicht vorzugsweise eine gelehrte Dichtung, diese durchaus nicht eigentliche Volkspoesie; gelehrt war die lettere eben so gut, ja noch mehr als die erste, da sie die Schwäche der Behandlung durch Reichthum des Inhalts verdecken mußte und diesen Reichthum von der Gelehrsamkeit borgte. Die lateinische Sprache war so gut als die deutsche eine lebende; selbst Frauenzimmer aus höhern Ständen verstauden und sprachen dieselbe; auch suchte man in der Literatur keineswegs bloß die Alten nachzuahmen, sondern auch die feinere Unterhaltungsliteratur war lateinisch; kleine Romane und Novellen (Facetiae) entstanden in großer Menge. Felix Hemmerlein in Zürich (lebte von 1389 bis 1464) kann als der erste lateinische Schriftsteller dieser Art in Deutschland angesehen werden; Conrad Celtes (von 1459 bis 1508) war der erste von Kaiser Friedrich III. mit eigner Hand gekrönte Dichter in Deutschland (i. F. 1491 zu Nürnberg).

§. 30. Uebersehungen.

Diese neue Art der Literatur suchten nun einige gelehrte Männer auch solchen zugänglich zu machen, die entweder gar nicht, oder doch nicht hinreichend die lateinische Sprache verstanden, und so begann die für, die Bildung unserer Prosa sehr wichtige Periode der Uebersetzungen. Ich bemerke dabei, daß ohne Ausnahme aus dem Lateinischen überseht wurde, auch griechische Schriftsteller, und daß die lateinischen Schriftsteller der damaligen Zeit ganz gleich geschäßt wurden den römischen Schriftstellern der frühesten Zeit.

Hier sind nun besonders zwei Männer zu nennen, die mit vielem Geschick und bedeutendem Erfolg die neue Bahn betraten:

Heinrich Steinhöwel und Nicolaus von Wyle. Steinhöwel, gebürtig aus der Reichsstadt Weil, lebte als Arzt zu Ulm, Nicolaus von Wyle, geboren zu Bremgarten im Aargau, war früher Schullehrer in Zürich, dann Rathsschreiber in Nürnberg, später Stadtschreiber in Eßlingen, endlich Schreiber oder Kanzler des Grafen Ulrich von Würtemberg; die Blütezeit beider mag in die Jahre von 1470-1490 fallen. Steinhöwel war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller; hierher gehört bloß sein berühmtes Buch der deutsche Aesop *). Nicolaus von Wyle gab einzelne Uebersetzungen lateinischer Novellen und Abhandlungen heraus, die später erschienen unter dem Gesammttitel: Tranßlation oder Tütschungen etlicher Bücher Enee silvii, Po= gii florentini, Felicis Hemerlin u. s. w. Beide Männer, unter denen aber Steinhöwel bedeutend höher steht, machten sich um die Bildung unserer Prosa äußerst verdient, und mit ihnen beginnt eigentlich unsere gedruckte Literatur **). Nicht daß vor ihnen niemand übersetzt hätte; es waren vielmehr schon eine bedeutende Anzahl lateinischer Bücher verdeutscht worden, allein alle steif und ungelenk, ohne Kenntnis der Ursprache und ohne Geschick in der deutschen, mehr Wort für Wort wiedergebend als den Gedanken in eine deutsche Form gießend. Mit welchen Grundsäßen Steinhöwel verdeutschte, sagt er selbst in der Vorrede zu seinem Aesop: Schlecht und verstentlich getütschet, nit wort uß wort, sondern sin uß sin, um mehrer lütrung wegen des tertes oft mit wenig zugelegten oder abgebrochnen worten gezogen." Die Uebersehungen beider Männer sind übrigens noch etwas hart und starr, und vergleicht man sie mit dem deutschen Tatian des 9ten Jahrhunderts, so steht dieser an Natürlichkeit und Leichtigkeit weit vor; immer aber sind Steinhöwel und Nicolaus weit bessere Verdeutscher als die meisten neuern Ueberscher ter Alten

*) Der Titel der spätern Ausgaben ist: Esopus. Tütsch. Das ganze Leben und Fabeln Esopi. Mit samt den Fabeln Aviani, Adelfonfi und etlicher Schimpffreden Poggii.

**) Schon Leffing (in feiner Abhandlung über den Anonymus des Nevelet) macht auf beide Männer in dieser Beziehung aufmerksam.

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und haben weit vernünftigere Grundsähe. Ihnen kann angereiht werden: Albrecht von Eybe (Archidiacon zu Würzburg, Domherr zu Bamberg, gest. 1475), dessen vorzüglichstes Werk: Ob einem manne sey zu nemen ein eelichs weyb oder nicht," um dieselbe Zeit mit den genannten Uebersehungen zu Nürnberg erschien. Sowohl dieses Ehestandsbüchlein, als auch ein anderes Werk Albrechts: Spiegel der Sitten" sind mehr Chrestomathien und Früchte einer ungeheuren Belesenheit, als frei aus dem Geiste des Verfassers hervorgegangen; vieles ist auch geradezu überseht; Albrecht zeigt aber mehr Ge= wandtheit in deutscher Prosa als Nicolaus, ja selbst als Steinhöwel. Dasselbe gilt von seinen Uebersehungen zweier Lustspiele: des Plautus (die Menächmen und die Bachiden) und der Philigenia des parmasenischen Dichters Ugolini. Wie sehr hier alles wirklich verdeutscht ward, geht daraus hervor, daß die plautinischen Personen deutsche Nahmen erhalten. So werden in den Bachis Pistoclerus, Lydus, Chrysalus, Nicobulus, Mnesilochus Philorenus, Cleomach us und dessen Diener umgetauft in: Lenz (Leonhard), Gök (Gotfried), Penh (Benedict), Kunz (Konrad), Enk (Andreas ?), Uz (Ulrich), Seiß (Seifried, Siegfried) und Friz. Welches Widerspiel zu einer spätern Zeit, wo selbst in Originallustspielen die Personen lateinische und griechische Nahmen führten und auf der Bühne nur Leander und Daphne, Damon und Phyl lis auftraten!

Im Anfange des 16ten Jahrhunderts waren fast alle nahmhaften lateinische Schriftsteller verdeutscht. Die Rüstigkeit dieser Uebersezer ist uns kaum begreiflich; denn nicht bloße Stubengelehrte giengen an's Werk, sondern Geschäftsmänner, die dem gemeinen Wesen, dem Staate oder im Felde dienten. So übersehte der Schultheiß von Colmar: Hieronymus Boner, den Justin, Xenophon, Herodot, Plutarch ganz oder theilweise, und zwar in einer Art, daß neuere Ueberseher von ihm lernen könnten *). Wer selbst des Lateinischen nicht mächtig

* Friedr. Lange erwähnt in der Vorrede zu seiner Ueberseßung Hero dots, daß ihm eine alte deutsche Uebertragung treffliche Dienste

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