10. Ich weiß nicht, wie der Junge dem Alten gab einen Schlag, Daß sich der alte Hildebrand von Herzen sehr erschrak. 11. »„Sollt' ich von Weibern lernen, das wäre mir immer Schand. »»»Ich hab' viel Nitter und Knechte in meines Vaters Land; „Auch sind viel Ritter und Grafen am meines Vaters hof, »»Und was ich nicht gelernt hab', das lern' ich aber noch.«« 12. Er nahm ihn in der Mitten, da er am schwächsten was, Und schwang ihn hinter sich zurücke wohl in das grüne Gras; »Nun sage mir, du Junger, dein Beichtwater will ich wesen, „Bist du ein junger Wolfinger? von mir magst du genesen. 13. „Wer sich an alte Kessel reibt, empfahet gerne Nahm, 14. „Du sagest mir viel von Welfen, die laufen in das Holz; »»»Ich bin ein edler Degen aus Griechenlande stolz. »»»Meine Mutter heißt Frau Utte, eine gewaltige Herzogin, Und Hildebrand der Alte, der liebste Vater mein.««< 15. »Heißt deine Mutter Frau Utte, eine gewaltige Herzogin, »So bin ich Hildebrand der Alte, der liebste Vater dein." Er schloß auf seinen grünen Helm und küßt ihn auf seinen Mund: : »Nun muß es Gott gelobet feyn, wir sind noch beide ge fund.« 16. Ach, Vater, liebster Vater mein, die Wunden, die ich euch hab' geschlagen, Die wollt' ich dreimal lieber in meinem Haupte tragen.«« »Nun schweig', mein lieber Sohn, der Wunden wird wohl »Rath; „Seit daß Gott uns beide zusammengefüget hat.« 17. Das währet von der None bis zu der Vesperzeit, Was führt er an seinem Helme? Von Gold ein Kreuzelein. 18. Er führet ihn in seiner Mutter Haus; seht ihn oben an den Tisch Und bot ihm Essen und Trinken; das däucht seine Mutter unbillig. „Ach, Sohne, liebster Sohne mein, der Ehren ist zu viel, „Daß du einen gefangnen Mann sehest oben an den Tisch.“ 19. Nun schweigt, meine beste Mutter und hört, was ich euch sage: „Er hätte mich auf der Heiden schier gar zu todt geschlagen. »»»Nun hört, meine liebe Mutter, kein Gefangener soll er seyn, »»Er ist Hildebrand der Altc, der liebste Vater mein. 20. »»Nun schweigt, Frau Mutter, stille, und bietet ihm Zucht und Ehr!«« Da hub sie an zu schenken, und trug's ihm selber her. Der uralte Stoff ist nicht umzubringen gewesen *), allein vergleichen wir dies Volkslied mit dem alten Bruchstück, so steht *) Selbft in Caspar von der Röns Umarbeitung ift dies Hildebrandslied immer noch von Werth. Abg. b. Wackernagel. Sp. 1031. es sehr im Nachtheil, sowohl was Gedanke als Ausführung betrifft. Die alte Würde fehlt, die Zeit hat eine Art neckischen Streiches aus der Geschichte gemacht; denn das Hauptmotiv, das Schönste im alten Liede, daß der Vater wider Willen mit dem Sohne streitet, fällt hier ganz weg; man weiß nicht, ob der Vater wirklich den Sohn nicht kennt, da er ihn erst nach dem Siege befragt, oder ob er überhaupt nur einen Spaß treiben und dem Sohne seine Kraft zeigen wollte. Stellen des alten Liedes blicken durch, aber unverstanden; so St. 6, 3. 2. Der epigrammatische Schluß ist ganz in der Art aller spätern Volfs= lieder, aber war gewiß nicht im ältern Gedichte vorhanden, das man überhaupt nicht Volkslied in dem Sinne nennen darf, den wir jeht mit diesem Worte verbinden. Zweites Buch. Die deutsche Literatur von Ausbreitung des Bücherdrucks bis z. J. 1740. I. Die gedruckte Literatur vor Luther. §. 28. Der Bücherdruck. Im Jahre 1440 wurde die Buchdruckerkunst von Johannes Gutenberg erfunden; i. I. 1462 aber durch ganz Europa verbreitet *). Daß die neue Art, Schriften zu vervielfältigen, auf den Gang der Cultur und Literatur überhaupt einen großen Einfluß gewinnen mußte, ist klar; in Deutschland bestanden aber Verhältnisse, welche die Einwirkung des Bücherdrucks viel bedeutender als anderswo machten. Die ältere Sprache war *) Der Graf Adolph von Nassau, Gegner des mit dem päpstlichen Banne belegten Erzbischofs Diether, eroberte in diesem Jahre Mainz, und unter den fliehenden Einwohnern befanden sich eine Menge Ge= Hülfen von Fauft und Schöffer. durchaus verfallen; eine neue Form hatte sich noch nicht gebildet; jeder schrieb, wie es ihm gefiel und wie es in seiner Umgebung als gut angesehen wurde; die Abschreiber schrieben wieder nach ihrem Gutdünken ab, so daß in den einzelnen Handschriften des nähmlichen Werkes oft die verschiedenste Sprech- und Schreibweise herrscht. Mit der Ausbreitung der Druckschriften ward dies anders; denn es konnten nun eine Menge Exemplare des nähmlichen Werkes in Umlauf gesezt werden, die alle eine und die= felbe Sprachform darstellten. Die Bestimmung dieser Form in Aeußerlichkeiten, nahmentlich in Rechtschreibung und Zeichensehung, hieng großentheils von den Schern und Buchdruckerherrn ab, in der Regel Männer, welche die gelehrte Bildung der damaligen Zeit besaßen. Wie in jenen Tagen auch die Gelehr ten und Staatsmänner ein wahres Wanderleben führten, und sich bald da, bald dort niederließen, bald bei einem Herrn, bald in einer Reichsstadt ihre sehr gesuchten Dienste anboten, fo zogen auch Buchdrucker, aus ganz verschiedenen Gegenden Deutschlands gebürtig, nach Süd und Nord, so daß in Basel einer vom Niederrhein, in Leipzig einer vom Oberrhein oder der Donau druckte. Die angesehensten nun schrieben der Nation in Umrissen die Form vor, welche ihre Büchersprache künftig annehmen sollte; denn die ältere war so vergessen und unverständlich geworden, daß in dem ältesten Druck von Taulers Predigten (Leipz. 1498) auf dem Titel bemerkt wurde: „vor wandelt in Deutsch," woraus dann später die Meinung entstand, diese Predigten seyen von Tauler ursprünglich lateinisch niedergeschrieben und erst später in's Deutsche überseht worden, während jene Worte nur sagen wollen: verwandelt in üb liches neueres Deutsch *)." Da Augsburg und Nürnberg diejenigen Druckorte waren, von denen am frühesten deutsche Schriften ausgegangen, so erhielten die dortigen Druckereien einen bedeutenden Einfluß auf Festsehung einer neuen Schreibweise; „Augsburger Sprache" hatte für allgemeine *) Näheres darüber von Pischon in einer Abhandlung über Johann Tauler, befindlich im neuen Jahrb. der Berliner Gesellschaft für deutsche Sprache. Berl. 1836. Bd. I., S. 276 ff. |