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Innern niederlegt. In der äußern, zierlichen Form, nahmentlich in Sprache und Vers, sehen wir manches nach, wenn nur sonst poetischer Geist da ist, ja, wir zählen Werke zu den poctischen, die eigentlich gar keine künstlerische Form haben. Umgekehrt verlangten die Kenner des dreizehnten Jahrhunderts allerdings auch poctische Eingebung, das Nothwendigste aber war die Ausarbeitung in ansprechender Form, und in dieser herrschte vorzugsweise Zierlichkeit und Ebenmaß; es galten bestimmte Vorschriften, doch konnte sich der Dichter frei bewegen und seine besondere Eigenthümlichkeit, d. h. seine poetische, frei hervortreten lassen. Correctheit der Sprache und des Reimes wurde unbedingt gefordert; der Dichter wollte den Kenner befriedigen, gleichgesinnten Männern gefallen und Kreise erheitern, in denen ähnliche Interessen herrschten. Auf die Nation zu wirken und sie zu heben, weiterzubilden, fiel ihm nicht ein, und leider sehen wir auch, daß diese Poesie troß ihrer Schönheit keine nachhaltige Wirkung 'hatte und völlig verstummte, als die höfische Bildung und das enge Interesse vornehmer Kreise verschwand. Unsere neuen, großen Dichter zwangen die Nation, auf sie zu hören, nicht durch die Schönheit und Zierlichkeit ihrer Verse und Dichtungen, sondern durch die gewaltige Kraft der Gedanken, und den zum Theil unendlichen Gehalt, den ihre Dichtungen athmeten; dies vermochte, dies wollte kein Dichter des 13ten Jahr. hunderts; selbst der tüchtige Walther klagt nur, daß die Bil. dung verfalle, und die spätern jammern über den Mangel an Interesse für die Kunst. Daß aber die Ausübung dieser Kunst, die durchaus eine feine Bildung forderte, bei dem Adel den Sinn für Gewaltthat milderte und so eine höchst wohlthätige Wirkung auf die Gesittung hatte, ist offenbar.

In alle Verrichtung der Poesie, so weit sie schöne Kunst ist, hatten diese Dichter ein klares Einsehen; sie verlangen Maßhalten im Ausdrucke, Vermeidung des Unedlen und Gemeinen, und fordern eine Sprache, durch welche der Gedanke klar durchscheint. Gotfried von Straßburg lobt seinen Freund Hartmann darum, daß seine Dichtung nach Außen und Innen (nach Darstellung und Gedanken) schön gehalten sey; daß seine krystallenen Worte ganz durchsichtig wären. Wolfram, in seinem genialen

Drange, hatte den geltenden Geschmack durch seine abentheuerlichen Erfindungen und seine herumschweifenden Beispiele gröblich verlcht, und es scheint sogar, daß gleich anfangs sich ein Streit zwischen Correctheit und Geniedrang erhob, und daß Wolfram nicht allein stand, sondern eine ganze Schule hinter sich hatte. Ungefähr wie Wieland in seinen Privatbriefen leise über das allzugeniale Wesen Göthe's klagt, so Gotfried laut über Wolfram: »Solche Erfinder wunderlicher Geschichten und Wilderer „in der Erzählung, die aus alten Büchern etwas vorlügen und »stumpfe Sinne täuschen; die aus schlechten Sachen für Kinder „Gold prägen; die aus Apothekerbüchsen staubigen Meersand »>gießen diese wollen mit dem Baumstamme Schatten geben, »anstatt mit dem grünen Lindenblatte, mit Zweigen und Westen. „Dieser Schatten thue aber den Gästen selten im Auge wohl, und man gehe nicht mit Wohlgefallen und Herzenslust von „ihnen. Ihre Sprache sey so ungestaltet, daß kein edler Sinn „sich daran erfreue; diese Wilderer sollten immer eine Auslegung „ihren Geschichten beigeben, damit man sie verstehe; denn man »habe keine Zeit, die Glossen und Auslegungen in verschwärzten „Büchern zu suchen.«

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Ich glaube nicht, daß ein Aesthetiker unserer Zeit klarer und bündiger, und in vollem Bewußtsein seiner Kunstansicht sprechen könnte. Ich führe diese Kritik Gotfrieds aber reshalb an und lege überhaupt viel Gewicht auf die Behauptung, daß wir es hier mit Künstlern zu thun haben, weil die sonderbare Meinung in vieler Deutscher Köpfen noch spukt, daß die Dichter des 13ten Jahrhunderts Naturdichter ohne Kunstsinn und aus gebildete Regel gewesen seyen. Diese Meinung hat eigentlich Bodmer in Umlauf gebracht, der die höfischen Dichter gerade so ansah wie die altenglischen Balladen, und Auszüge aus beiden und den Nibelungen in einem und demselben Buche gab *), mit dem offen daliegenden Zwecke, die Balladeweise Stolbergs und Bürgers, die er für gekünstelt hielt, damit niederzuschmettern. Man muß," sagt er, den Werth tieses Gedichts »(Parcival) in dem Gefühl des Herzens, in der Einfältigkeit der

*) Altenglische und Altschwäbische Balladen. Zürich, 1780. 81. 2 Bde.

„Ausbildung und in einer zärtlichen Lebhaftigkeit des Poeten »suchen, in Sachen, die in unsern verfeinerten Tagen Plattheit „heißen." Dieses sonderbare, völlig haltlose Urtheil ist bei Bodmer ein Lob, spätere nahmen es auf, gründeten aber einen Tadel darauf, indem sie die Werthlosigkeit der ganzen ältern Poesie damit bewiesen. Manso, in seiner Geschichte der deutschen Poesie *), sagt z. B.: „Es ergiebt sich zur Genüge, wie »gar wenig die Dichter jener Periode den Alten verdankten, wie »so ganz ihre Kunst ein Kind der einfältigen Natur und ihr „Gesang der Ausdruck roher Empfindung war, wie so gar nicht »jene von der Kritik und diese von der Philosophie unterstüßt „wurde." Man kann sich kein verkehrteres Urtheil denken; denn gerade das Verlassen der einfältigen Natur muß man unsern Dichtern zum Vorwurf machen, die bloße Betrachtungsweise der Poesie bloß als Kunst und Spiel; und nicht an Mangel der Kritik und Philosophie litten sie, sondern an höfischer Ueber. bildung.

Zu Wissenschaft und Gelehrsamkeit stand die höfische Poesie von Anfang an in einem bedenklichen und gefährlichen Verhältnisse. Die Dichtung kann der Gelehrsamkeit ziemlich entbehren, sobald sie sich auf Darstellung rein menschlicher und überlieferter Zustände beschränkt, was nun eben die höfischen Dichter nicht wollten; sie kann auf einem vorgeschrittenen Wege aus jeder Wissenschaft sich zu eigen machen, was für sie dient, und vieles aus derselben entwickeln; sie kann aber auf diesem Wege auch selbst gelehrt, spisfindig und breit werden, besonders wenn die Wissenschaft selbst ein schobstisches und spißfindiges Ansehen hat. Der Dichter wird dann seine Poesie mit Sachen ausfüllen, die in ben poetischen Gesichtskreis gar nicht fallen, oder die er, was weit schlimmer ist, gar nicht versteht, wenigstens nicht so versteht, daß er den poetischen Geist darin entdecken könnte. Dieses

*) In dem Sammelwerke: Charaktere der vornehmsten Dichter aller Nationen. Bd. 1. Ich erwähne das Buch deshalb und ziehe die betreffende Stelle darum aus, weil jenes immer noch heimlich ausgeschrieben und diese die Grundlage des Urtheiles vieler Philologen ift.

Auswerfen gelehrter Brocken, dieses Prunken mit Wissenschaft wirft Gotfried eben seinem Gegner Wolfram vor, fühlt aber nicht, daß in dieser Sache Wolfram nur das glänzendste Bei spiel des falschen Prunkes ist, er selbst jedoch an demselben Uebel leidet (er aber war vermuthlich ein wirklicher Gelehrter und meinte, die Sachen besser zu verstehen), und daß überhaupt die ganze Poesie daran krankte *), die nicht nur eine höfische, sondern auch eine gelehrte war. Walther hält sich ganz davon frei und zeigt auch hierin seinen gesunden Blick. Die spätern Rudolf von Ems und Konrad von Würzburg zeigen überall ihre Gelehrsamkeit, und zu Konrads Zeit war die Allegorie, stets ein Erzeugnis der gelehrten Poesie, so durchgedrungen, daß man sie selbst für Poesie hielt.

Hätte sich eine Prosa ausgebildet, so möchte sich vieles ganz anders gestaltet haben. Auch unsere neuern Dichter sind alle Schüler der Gelehrsamkeit, ohne Ausnahme Freunde der Wissen schaft; sie unterscheiden aber die Grenze der Poesie und der Wissenschaft, der Dichtung und der Profa. Wo sollten die zum Theil sehr gelehrten, wenigstens sehr scharfsinnigen Geister des 13ten Jahrhunderts ihre Kenntnisse und Beobachtungen anders vorbringen als in ihren Versen? Wenn Göthe vicle Stellen in Byrons Gedichten „verhaltene Parlamentsreden« nennt, ko könnte man viele Abschweifungen unserer Dichter verhaltene Streits schriften, Recensionen und Abhandlungen“ nennen.

§. 22.

Die Volkspoesie. Das Nibelungenlied.

Bis dahin ist gerade von derjenigen Dichtung, welche unter den Geistesarbeiten des 13ten Jahrhunderts dem neuern Ge. schlechte am meisten bekannt worden ist und mit Recht eine größere Verbreitung und Anerkennung gefunden hat als die Poesien der höfischen Dichter, noch gar nicht die Rede gewesen

*) In der neuern Zeit wiederholte sich diese Krankheit öfters; nahment. lich ftrozt Wieland von gelehrtem Prünk, und was Gotfried spöttisch dem Wolfram räth, that Wieland wirklich: er fügte feinen Gedich ten Auslegungen bei.

von dem Nibelungenliede. Es war nicht möglich, desselben zu erwähnen; denn dieses Epos bildet nebst einigen andern einen so schneidenden Gegensah zu der Art, wie die nahmhaften Dichter die Poesie betrieben, daß man, wenn nicht die darin auftretenden Sprachformen und Reime für die beste Zeit des 13ten Jahrhunderts sprächen, auf den Gedanken kommen müßte, es gehöre einer ganz andern Zeit an. Daß dieser Gegensah stattfindet, braucht nicht bewiesen zu werden; auch viele von derjenigen, welche sich von der ältern deutschen Poesie zurückgestoßen fühlen, haben den Nibelungen große Theilnahme zugewandt, und gestehen, daß überhaupt eine Dichtung dieser Art gar nicht weiter vorhanden sey.

Schon der Stoff liegt in einem andern Kreise, in dem der alten Heldensage; ich lege jedoch darauf kein Gewicht, da auch die höfische Poesie Gegenstände dieser Art wählte *); der Haup unterschied liegt in Gehalt und Behandlung. Wenn Gottes- und Frauendienst, Undacht und Minne, ritterliche Feinheit und christliche Heiligkeit in der höfifchen Poesie eine so große Rolle spielen, daß sie überall entweder verherrlicht oder verspottet werden, so tritt uns in den Nibelungen cine durch und durch heidnische Weltansicht entgegen und eine Härte und hel denmäßige Rohheit in den Gesinnungen der Männer und Frauen, wovor die feine Hoffitte des 13ten Jahrhunderts zurückschauderte.

Erborgte also die gelehrtere Poesie die Anschauungsweise der vornehmern Umgebung, für welche sie dichtete, so herrscht in den Nibelungen eine dem conventionellen Wesen abgewendete, das rein Menschliche, daher oft Rohe in's Auge fassende Anschauung. Ein anderer Unterschied findet in der Art statt, wie der Dichter durch seine Dichtung hindurchspricht. Die höfischen Dichter unterbrechen den Gang der Erzählung durch Reflectionen und Abschweifungen; tavon keine Spur in den Nibelungen. Die

*) Die sogenannte Klage, Biterolf, König Laurin und Dietrichs Flucht gehören wenigstens der Form nach zur höfischen Poesie, und zeigen eine von den Nibelungen ganz verschiedene Behandlung des Stoffes. Als Poesien find fie unbedeutend und nur für die Geschichte der Heldensage wichtig.

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