Графични страници
PDF файл
ePub
[merged small][merged small][ocr errors][merged small]

Vorwort zur ersten Auflage. 1835.

An der Veranstaltung dieser Gedichtesammlung haben der Wunsch des Verlegers und die Neigung des Herausgebers gleichen Antheil. Jener hielt trok der mancherlei zum Theil vorzüglichen Bücher dieser Art eine Auswahl, welche besonders auch auf die neueste Literatur der deutschen Lyrik Rücksicht nähme,' noch immer nicht für überflüssig; diesen bestärkte in der Lust zu einer ähnlichen Arbeit die häufig gegen ihn geäußerte Klage fremder Freunde, unserer Nationalpoesie, sich über den Schaß unserer Lieder, wie er seit dem Aufblühen der neuern deutschen Literatur und der Feststellung der jezigen Sprachformen sich angesammelt hat und allmählig auch die Bewunderung des Auslandes geworden ist, durch zweckmäßig gewählte und geordnete Proben den Ueberblick nicht noch mehr erleichtert zu sehen. Die reifere Jugend und der Laie bei uns, welche beide mit der deutschen Poesie sich erst bekannt machen sollen, haben so ziemlich gleiche Be= dürfnisse mit dem Fremden, der sich zu diesem Studium hingezogen fühlt. So dürfte denn ein Handbuch, das eine Blumenlese deutscher Lieder in einer übersichtlichen Reihenfolge bietet, für die beiden genannten Zwecke dienlich befunden werden, und der Sammler erlaubt sich nur über die Anordnung des Ganzen, in welcher er hauptsächlich von den bisherigen Anthologien abgewichen ist, und in der er gerade die Rechtfertigung für die Herausgabe dieser neuen Gedichtesammlung sucht, einige Worte zu sagen. Lehrbücher dieser Art, welche gewöhnlich für die Schule ausschließlich bestimmt sind, berücksichtigen fast immer die Poetik mehr als die Aesthetik; sie gründen also die Eintheilung

der ausgewählten Proben entweder auf die verschiedenen Dichtarten allein, oder, wie dies neuerdings in der umfassenden, vielseitigen und ausgezeichneten Sammlung von K. E. Ph. Wackernagel gesche= hen ist, auf die metrischen Unterschiede der Gedichte. So zweckmäßig dies in spezieller Lehrbeziehung seyn mag, so tritt doch dem Leser solcher Gedichtesammlungen ein sehr fühlbarer Uebelstand darin entgegen, daß er hier die verschiedenen Perioden und Bildungsstufen der Poesie ganz vermischt findet und von dieser Seite Belehrung und Uebersicht nicht hoffen darf, ja zu einer richtigen åsthetischen Schäßung der einzelnen Gedichte unmöglich gelangen kann. In der That, wie klein und empfindungsarm muß ein Liedchen von Weiße oder Gleim neben einem Liede von Goethe, wie schwunglos ein didaktisches Gedicht von Uz oder Cronegk neben einem philosophischen Lehrgesange Schillers, wie kühl und leer ein geistliches Lied von Gellert neben einer Hymne von Novalis, wie polternd und grob eine Ballade von Bürger neben einer åtherischen Romanze Uhlands, wie holpricht oder lahm eine Ode von Ramler oder Klopstock neben dem gegliederten Sprachkunstwerke eines Voß und noch mehr eines Platen erscheinen! Bleiben dagegen jene Gedichte mit der Wurzel in dem heimathlichen Zeitboden, und athmet man den Duft ihrer Blüthen mit der Atmosphäre selbst ein, in welcher sie sich entwickelt haben, so fordert man nicht das Unmögliche von ihnen; man begreift, warum sie so und nicht mehr geworden sind, und wie sie von einem Geschlechte, das in Geistesund Sprachbildung gewiß im Durchschnitt eher unter als über seinen Sángern stand, auch in ihrer Unvollkommenheit bewundert werden konnten.

Diese Betrachtung ist es hauptsächlich, welche den Herausgeber zu der Ordnung bestimmt hat, in der die deutschen Lieder erscheinen, die den Entwicklungsgang, den die Liederdichtung bei den Deutschen seit hundert Jahren und drüber genommen hat, in ausgewählten Proben veranschaulichen möchte.

Die Sammlung zerfållt in fünf Bücher. Das erste beginnt mit dem Wiederaufblühen der schönen Literatur in Deutschland und giebt ein Bild der poetischen Bestrebungen Hallers, Hagedorns, des Leipziger und Hallischen Dichtervereines, so wie der von solchen Führern hier und dort in Deutschland angeregten Sånger.

In dieser Periode hatte die Poesie noch zu viel mit der Sprache zu ringen, als daß sie sich in eigentlicher Unabhängigkeit hätte fühlen können, und sie tritt fast nur im Lehrgedichte, wo sie sich auf die damals in Jugendkraft herrschende Leibniz-Wolf'sche Philosophie stügen konnte, mit eigenthümlicher Kraft und Würde auf. Man wird es daher nicht tadeln, daß die didaktische Poesie in den Proben dieses Zeitraums vorherrscht. Neben Haller tritt hier besonders Drollinger hervor, welcher dem natürlichen Alter nach ålter ist als selbst Günther, den doch die sprachliche Beschaffenheit seiner herrlichen Gedichte von dieser Auswahl neudeutscher Poesien ausschließt. Über die Form in den Produktionen jenes schweizerisch gebildeten Lehrdichters verräth durchaus den Schüler Hallers, mit welchem jüngeren Freunde er in der engsten Verbindung stand. Drollinger ist um einzelner Sprachfehler willen von Bouterweck viel zu tief gestellt, und seitdem auch von selbstständigen Beurtheilern nicht nach Verdienst gewürdigt worden. Mit Liebe wurde seine,,körnige“ Ode über die Unsterblichkeit, von welcher Matthissons Anthologie nur die Hälfte, nach seiner Gewohnheit korrigirt, gegeben hat, vollständig dieser Sammlung einverleibt. Ueberhaupt sey bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß Hårten und Unregelmäßigkeiten der Sprache oder des Reims am wenigsten in dieser Periode (doch auch nicht ganz in den spåtern) hinreichen konnten, ein sonst treffliches, oder auch nur für den Zeitraum charakteristisches Gedicht von der Sammlung auszuschließen. Denn da diese eine große Wahl der korrektesten Gedichte darbietet, so wird eigene Aufmerksamkeit für den selbstständigen Leser und ein Wink des Lehrers für den Schüler hinreichen, die einzelnen Unrichtigkeiten und ungenauigkeiten als solche herauszufinden und zu beurtheilen. Nur bei ganz wenigen, Sinn und Genuß störenden, Stellen und bei offenbaren Sprachfehlern wurde, zum Theil nach fremdem Vorgang, eine leise und möglichst schonende Nachbesserung versucht, auch zwei- oder dreimal eine ganz müßige, der übrigen Theile des Gedichts nicht würdige Strophe weggelassen. Vom eigentlichen Liede konnten dem ersten Buche nur wenige Proben einverleibt werden. Die Lieder dieser Periode erscheinen uns unglaublich leer, und dies gilt selbst noch spåter von den Liedchen eines der tiefsten und reichsten Geister, eines Lessing. Die Dichter meinten bei den

allgemeinsten Gegenständen der Fröhlichkeit und Trauer stehen bleiben zu müssen, und namentlich wagte sich das scherzende Lied selten über conventionelle Späßchen hinaus; individuelle Seelenzustånde und Erfahrungen als Poesie auszuprågen schien unstatthaft und anmaßend. Um so höher sind in dieser Armuth einige Lieder von Hagedorn, Gik und Uz anzuschlagen, welche sich über diese Schranke mit Glück hinauswagen und nicht nur einen relativen Werth haben, sondern auch jeder modernen Gedichtesammlung zum absoluten Schmucke gereichen. Manche andere Gedichte, z. B. die Ramler'schen Oden, sind vom Herausgeber mehr als Sprachdenkmale aufgenommen worden, und einige noch immer berühmte Namen findet man in dieser Auswahl nicht, weil der Sammler bei dem besten Willen, auch von ihnen etwas mitzutheilen, diese Namen nur unter Nichtiges håtte seßen können. Der Humor ist außer in einigen sehr anmuthigen Liedern Hagedorns in diesem Buche auch nur im didaktischen Theile zu suchen, wo er die Fabeln Gellerts und Lichtwers mit unverwelklichem Reize geschmückt hat und sich besonders in dem legteren mit einer åchten Dichterphantasie verbindet. In dem Abschnitte, der dem geistlichen Liede gewidmet ist, wird der Leser den beseelenden Hauch tiefsinniger Frömmigkeit, die jeden ernsten Christen zum Dichter zu machen vermag, in Tersteegen bewundern, der, ohne es zu wissen, und troß der Unbeholfenheit seiner Sprache, selbst der vollendeten Form so nahe stand.

Das erste Buch umfaßt einen Zeitraum von etwa 25 Jahren (1725-1750). Die zweite Periode stellt im folgenden Buche den Vorschritt der deutschen Lyrik durch und seit Klopstock dar. Unsere Anordnung wollte die Reaction ins Licht sehen, welche in die= sem Dichter und, theils unmittelbar theils mittelbar, durch ihn in seinen dichtenden Zeitgenossen die Poesie auf ihrem eigenen Gebiete gegen die in der vorigen Periode herrschende Philosophie geübt hat. Wie durch einen Zauber ist der Lehrgesang und das Lehrgedicht (mit Ausnahme der Fabel und des Epigramms) verschwunden; dagegen regiert die begeisterte Empfindung in der Ode Klopstocks, das innige Gefühl der Liebe und der Trauer in den Gesången Jacobi's, der wehmüthige Scherz und eine harmlose Ironisirung des Lebens in den Liedern von Claudius. Unter den weniger bekannten Dichtern dieses Zeitraums wird der Freiherr v. Creuz durch den Ausdruck einer

« ПредишнаНапред »