T. Herr, belde sind sie mir gleich liebe Kinder. G. Nun, Tell! Weil Du den Apfel triffst vom Baume Auf hundert Schritte, so wirst Du Deine Kunst Vor mir bewähren müssen. — Nimm die Armbrust - Du hast sie gleich zur Hand — und mach Dich fertig, Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schießen. Tech will ich rathen, zicle gut, daß Du Den Apfel treffest auf den ersten Schuß:
Denn fehlst Du ihn, so ist Dein Kopf verloren. (Alle geben Zeichen des Schreckens.)
Wit meiner Armbrust auf das liebe Haupt Des eignen Kindes zielen? 9. Du schießest oder stirbst mit Deinem Knaben. Ich soll der Mörder werden meines Kinds! herr, Ihr habt keine Kinder — wisset nicht, Bas sich bewegt in eines Vaters Herzen.
8. Ei, Tell, Du bist ja plöslich so besonnen! Man sagte mir, daß Du ein Träumer seist, Ind Dich entfernst von andrer Menschen Weise. Du liebst das Seltsame. — Drum hab ich jezt Ein eigen Wagstück für Dich ausgesucht. Ein Andrer wohl bedächte sich - - Du drückst Die Augen zu und greifst es herzhaft an. Bertha Scherzt nicht, o Herr! mit diesen armen Leuten !
Ihr seht sie bleich und zitternd stehn. So wenig Eind sie Kurzweils gewohnt aus Eurem Munde. G. Wer sagt Euch, daß ich scherze?
Greift nach einem Baumzweig, der über ihn herhängt.) Hier ist der Apfel! Wan mache Naum er nehme seine Weite,
Lice Brauch ist — achtzig Schritte geb ich ihm -Richt weniger, noch mehr, Er rühmte sich, Auf ihrer hundert seinen Mann zu treffen Jest, Schüße, triff! und fehle nicht das Ziel! R.b. H. Gott, das wird ernsthaft!
Es gilt, und flch den Landvogt um Dein Leben.
W. F. bei Seite zu Melchthal, der laum seine Ungeduld
Haltet an Euch! Ich steh Euch drum, bleibt ruhig! B. (zum Lantvogt). Laßt es genug sein, Herr! Un- menschlich ists,
Mit eines Vaters Angst also zu spielen. Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott! 5 Er hätte jezt zehnfachen Tod empfunden. Entlagt ihn ungekränkt in seine Hütte! Er hat Euch fennen lernen; dieser Stunde Wird er und seine Kindeskinder denken. G. Deffnet die Gasse
Frisch! Was zauderst Du?
10 Dein Leben ist verwirkt; ich kann Dich tödten, Und sich, ich lege gnädig Dein Geschic In Deine eigne tunstgeübte Hand.
Der fann nicht klagen über harten Spruch, Den man zum Meister seines Schicksals macht.
105 Du rühmst Dich Deines sichern Blids! Wohlan! vier gilt es, Schüße, Deine Kunst zu zeigen: Das Ziel ist würdig, und der Preis ist groß! Das Schwarze treffen in der Scheibe, das
Kann auch ein Andrer; der ist mir der Meister, Der seiner Kunst gewiß ist überall,
Dems Herz nicht in die Hand tritt, noch ins Auge. W. F. (wirft sich vor ihm nieder). Herr Landvogt, wir erkennen Eure Hoheit;
Doch laffet Gnad für Recht ergchen, nehmt Die Hälfte meiner Habe, nchmt sie ganz! Nur dieses Gräßliche erlasset einem Vater!
W. T. Großvater, knie nicht vor dem falschen Mann! Sagt, wo ich hinstehn soll? Ich fürcht mich nicht; Der Vater trifft den Vogel ja im Flug;
Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes.
St. Herr Landvegt, rührt Euch nicht des Kindes 220
Ross. O denket, daß ein Gott im Himmel ist, Dem Ihr müßt Rede stchn für Eure Thaten. G. (zeigt auf den Knaben).
Man bind ihn an die Linde dort! W. T. Mich binden! Nein, ich will nicht gebunden sein. Ich will Still halten, wie ein Lamm, und auch nicht athmen. Wenn Ihr mich bindet, nein, so kann ichs nicht, So werd ich toben gegen meine Bande.
N. d. H. Die Augen nur laß Dir verbinden, Knabe! W. T. Warum die Augen? Denket Ihr, ich fürchte Den Pfeil von Vaters Hand? Ich will ihn fest Erwarten, und nicht zucken mit den Wimpern. - Frisch, Vater, zeigs, daß Du ein Schüße bist! Er glaubt Dirs nicht, er denkt uns zu verderben Dem Wüthrich zum Verdrusse, schieß und triff! (Er geht an die Linde, man legt ihm den Apfel auf.) M. (zu den Landleuten). Was? Soll der Frevel sich 235 vor unsern Augen
Vollenden? Wozu haben wir geschworen? St. Es ist umsonst. Wir haben keine Waffen; Ihr seht den Wald von Lanzen um uns her. M. O hätten wirs mit frischer That vollendet! Verzeihs Gott denen, die zum Aufschub riethen! G. (zu Tell). Ans Werk! Man führt die Waffen nicht vergebens. Gefährlich ists, ein Mordgewehr zu tragen, Und auf den Schüßen springt der Pfeil zurück. Dies stolze Necht, das sich der Bauer nimmt, Beleidiget den höchsten Herrn des Landes. Gewaffnet sei Niemand, als wer®gebietet. Freuts Euch, den Pfeil zu führen und den Bogen, Wohl, so will ich das Ziel Euch dazu geben.
T. (spannt die Armbrust und legt den Pfeil auf). Deffnet die Gasse! Play!
Herr Landvogt, weiter werdet Ihrs nicht treiben, Ihr werdet nicht — Es war nur eine Prüfung Den Zweck habt Ihr erreicht - Zu weit getrieben Verfehlt die Strenge ihres weisen Zwecks, 265 Und allzustraff gespannt zerspringt der Begen. G. Ihr schweigt bis man Euch aufruft.
Rudenz. Ich will reden, Ich darfs; des Königs Ehre ist mir heilig; Doch solches Regiment muß Haß erwerben. Das ist des Königs Wille nicht! - Ich darfs 270 Behaupteu! Solche Grausamkeit verdient Mein Volk nicht; dazu habt Ihr keine Vollmacht. B. Ha, Ihr erkühnt Euch!
Nudenz. Ich hab still geschwiegen Zu allen schweren Thaten, die ich sah! Mein schend Auge hab ich zugeschlossen, 275 Mein überschwellend und empörtes Herz Hab ich hinabgedrückt in meinen Busen. Doch länger schweigen, wär Verrath zugleich An meinem Vaterland und an dem Kaiser.
B. (wirft sich zwischen ihn und den Landvogt). O Gott, Ihr reizt den Wüthenden noch mehr. 280 Nudenz. Mein Volk verließ ich, meinen Blutsverwandten
Entsagt ich, alle Bande der Natur Zerriß ich, um an Euch mich anzuschließen Das Beste Aller glaubt ich zu befördern, Da ich des Kaisers Macht befestigte. 285 Die Binde fällt von meinen Augen!
Sch ich an einen Abgrund mich geführt Mein freies Urtheil habt Ihr irr geleitet, Mein redlich Herz verführt! Ich war daran, Mein Volk in bester Meinung zu verderben. 290 G. Verwegner! diese Sprache Deinem Herrn? Rudenz. Der Kaiser ist mein Herr, nicht Ihr! Frei bin ich,
Wie Jhr, geboren, und ich messe mich Mit Euch in jeder ritterlichen Tugend. Und stündet Ihr nicht hier in Kaisers Namen, 295 Den ich verehre, selbst wo man ihn schändet, Den Handschuh wärf ich vor Euch hin, Ihr solltet Nach ritterlichem Brauch mir Antwort geben.
Ja winkt nur Euren Reisigen Ich stehe Nicht wehrlos da, wie die
W. F. (zu Vater und Sohn). Kinder! meine Kinder! St. Gott sei gelobt!
2. Das war ein Schuß! Darez Wird man noch reden in den spätsten Zeiten. R. d. H. Erzählen wird man von dem Schüßen Tel, So lang die Verge stehn auf ihrem Grunde.
(Reicht dem Landvogt den Apfel.)
G. Bei Gott! der Apfel mitten durch geschossen! Es war ein Meisterschuß, ich muß ihn loben. Röss. Der Schuß war gut; doch wehe dem, der ibn Dazu getrieben, daß er Gott versuchte.
St. Kommt zu Euch, Tell, sicht auf, Ihr habt Eus männlich
Gelöst, und frei fönnt Ihr nach Hause gehen. Röss. Kommt, kommt und bringt der Mutter ihren Sohn.
(Sie wollen ihn wegführen.)
T. (tommt zurück.) Was befehlt Ihr, Herrl G. Du stecktest Noch einen zweiten Pfeil zu Dir? - Ja, ja, Ich sah es wohl! was meintest Du damit? T. (verlegen). Herr, das ist also bräuchlich bei da Schüßen.
G. Nein, Tell, die Antwort laß ich Dir nicht gelten; Es wird was Andres wohl bedeutet haben. Sag mir die Wahrheit frisch und fröhlich, Tell! Was es auch sei, Dein Leben sichr ich Dir. Wozu der zweite Pfeil?
T. Wohlan, o Her Weil Ihr mich meines Lebens habt gesichert, So will ich Euch die Wahrheit gründlich sagen. (Er zieht den Pfeil aus dem Goller und sieht den Lands vogt mit einem furchtbaren Blick an.)
Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich — Euch, Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte: Und Eurer wahrlich hätt ich nicht gefehlt! G. Wohl, Tell! Des Lebens hab ich Dich gesichert; Ich gab mein Ritterwort, das will ich halten - Doch weil ich Deinen bösen Sinn erkannt, Will ich Dich führen lassen und verwahren, Wo weder Mond noch Sonne Dich bescheint, Damit ich sicher sei vor Deinen Pfeilen. Ergreift ihn, Knechte! Bindet ihn! (Tell wird gebunden.)
So könntet Ihr an einem Manne handeln, An dem sich Gottes Hand sichtbar verkündigt? G. Laß sehn, ob sie ihn zweimal retten wird. – Man bring ihn auf mein Schiff! Ich folge nach Sogleich; ich selbst will ihn nach Küßnacht führen! Ross. Das dürft Ihr nicht, das darf der Kaiser nicht, Das widerstreitet unsern Freiheitsbriefen! G. Wo sind sie? Hat der Kaiser sie bestätigt? Er hat sie nicht bestätigt Diese Gunst Muß erst erworben werden durch Gehorsam.
Rebellen seid Ihr Alle gegen Kaisers Gericht und nährt verwegene Empörung. Ich lenn Euch Alle - ich durchschau Euch ganz - Den nehm ich jezt heraus aus Eurer Mitte; Doch Alle seld Ihr theilhaft seiner Schuld. We flug ist, lerne schweigen und gehorchen!
(Er entfernt sich. Bertha, Rudenz, Harras und Knechte folgen, Frießhardt und Leuthold bleiben zurück.) UB.F. (in heftigem Schmerz.) Es ist vorbei; er hats beschlossen, mich Dit meinem ganzen Hause zu verderben! St. (zum Tell). O warum mußtet Ihr den Wüthrich reizen!
. Bezwinge sich, wer meinen Schmerz gefühlt! St. nun ist Alles, Alles hin! Mit Euch Sind wir gefesselt Alle und gebunden!
Landleute (umringen den Tell).
Mit Euch geht unser leßter Trost dahin!
2. (nähert sich). Tell, es erbarmt mich. — Doch, ich muß gehorchen.
T. Lebt wohl! B. T. (sich mit heftigem Schmerz an ihn schmiegend). O Vater! Vater! Lieber Vater! (hebt die Arme zum Himmel). Dort droben ist Dein Vater! den ruf an!
St. Tell, sag ich Eurem Weibe Nichts von Euch? 2. (hebt den Knaben mit Inbrunst an seine Brust. Der Knab ist unverleßt; mir wird Gott helfen! (Reißt sich schnell los und folgt den Waffenknechten.)
Bierter Aufzug.
Erste Scene.
Deftliches Ufer des Vierwaldstättersees; die seltsam gestaltetea schroffen Felsen im Westen schließen den Prospekt. Der See ist bewegt, heftiges Rauschen und Tosen, da= zwischen Blize und Donnerschläge.
Kunz von Gersau. Fischer und Fischerknabe.
Ich sahs mit Augen an, Ihr könnt mirs glauben; Sist Alles so geschehn, wie ich Euch sagte. Fischer. Der Tell gefangen abgeführt nach Küßnacht, Der beste Mann im Land, der bravste Arm,
3 Wenns einmal gelten sollte für die Freiheit.
. Der Landvogt führt ihn selbst den See herauf; Sie waren eben dran sich einzuschiffen, Als ich von Flüelen abfuhr, doch der Sturm, Der eben jest im Anzug ist, und der
0 Auch mich gezwungen, eilends hier zu landen, Rag ihre Abfahrt wohl verhindert haben.
F. Der Tell in Fesseln, in des Vogts Gewalt! glaubt, er wird ihn tief genug vergraben, Daß er des Tages Licht nicht wieder sieht! 15 Denn fürchten muß er die gerechte Nache Des freien Mannes, den er schwer gereizt! K. Der Altlandammann auch, der edle Herr Von Attinghausen, sagt man, lieg am Tode. F. So bricht der leste Anfer unsrer Hoffnung! 20 Der war es noch allein, der seine Stimme Grheben durfte für des Volkes Rechte!
K. Der Sturm nimmt überhand. Gchabt Euch wohl ! Ich nehme Herberg in dem Dorf; denn heut Ist doch an teine Abfahrt mehr zu denken.
F. Der Tell gefangen und der Freiherr todt! Erheb die freche Stirne, Tyrannet!
Birf alle Scham hinweg! der Mund der Wahrheit
It stumm, das sehnde Auge ist geblendet,
Der Arm, der retten sollte, ist gefesselt!
Knabe. Es hagelt schwer; kommt in die Hütte, Vater! 30 Es ist nicht komynlich hier im Freien hausen.
F. Raset, Ihr Winde! Flammt herab, Ihr Blize! Ihr Wolken, berstet! Gießt herunter, Ströme Des Himmels, und ersäuft das Land! Zerstört Im Keim die ungeborenen Geschlechter! Ihr wilden Elemente, werdet Herr! Ihr Bären, kommt, ihr alten Wölfe wieder Der großen Wüste! euch gehört das Land; Wer wird hier leben wollen ohne Freiheit!
Knabe. Hört, wie der Abgrund tost, der Wirbel brüllt, 40 So hats noch nie gerast in diesem Schlunde! F. Zu zielen auf des eignen Kindes Haupt, Solches ward keinem Vater noch geboten! Und die Natur soll nicht in wildem Grimm Sich drob empören! O mich solls nicht wundern, Wenn sich die Felsen bücken in den See, Wenn jene Zacken, jene Eisesthürme, Die nie aufthauten seit dem Schöpfungstag, Von ihren hohen Kulmen niederschmelzen, Wenn die Berge brechen, wenn die alten Klüfte Einstürzen, eine zweite Sündfluth alle Wohnstätten der Lebendigen verschlingt!
Knabe. Hört Jhr, sie läuten droben auf dem Berg; Gewiß hat man ein Schiff in Noth gesehn, Und zicht die Glocke, daß gebetet werde. (Steigt auf eine Anhöhe.) F. Wehe dem Fahrzeug, das jezt unterwegs In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt! Hier ist das Steuer unnüß und der Steurer, Der Sturm ist Meister, Wind und Welle spielen Ball mit dem Menschen Da ist nah und fern Kein Busen, der ihm freundlich Schuß gewährte, Handlos und schroff ansteigend starren ihm Die Felsen, die unwirthlichen, entgegen, Und weisen ihm nur ihre steinern schroffe Brust. Knabe. (deutet links). Vater, ein Schiff, es kommt 65 von Flüelen her.
F. Gott helf den armen Leuten! Wenn der Sturm In dieser Wasserkluft sich erst verfangen, Dann rast er um sich mit des Naubthiers Angst, Das an des Gitters Eisenstäbe schlägt; Die Pforte sucht er heulend sich vergebens, Denn ringsum schränken ihn die Felsen ein, Die himmelhoch den engen Paß vermauren. (Er steigt auf die Anhöhe.)
Knabe. Es ist das Herrenschiff von Uri, Vater, Ich kenns am rothen Dach und an der Fahne. F. Gerichte Gottes! Ja, er ist es selbst, Der Landvogt, der da fährt Dort schifft er hin, Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit! Schnell hat der Arm des Nächers ihn gefunden; Jezt kennt er über sich den stärkern Herrn. Diese Wellen geben nicht auf seine Stimme; Diese Felsen bücken ihre Häupter nicht Vor seinem Hute Knabe, bete nicht!
Greif nicht dem Richter in den Arm ! Knabe. Ich bete für den Landvogt nicht — Ich bete Für den Tell, der auf dem Schiff sich mit befindet. F. Unvernunft des blinden Elements! Mußt Du, um Einen Schuldigen zu treffen, Das Schiff mit sammt dem Steuermann verderben! Knabe. Sieh, sich, fie waren glücklich schon vorbet Am Buggisgrat; doch die Gewalt des Sturms,
Der von dem Teufelsmünster widerprallt, Wirft fie zum großen Arenberg zurück.
F. Dort ist das Hakmesser, Wo schon der Schiffe mehrere gebrochen. 95 Wenn sie nicht weislich dort vorüberlenken, So wird das Schiff zerschmettert an der Fluth, Die fich jähstroßig absenkt in die Tiefe.
Sie haben einen guten Steuermann
Am Bord; fönnt Einer retten, wäre der Tell; 100 Doch dem sind Arm' und Hände ja gefesselt.
Wilhelm Tell (mit der Armbrust )
(Er kommt mit raschen Schritten, blickt erstaunt umher, und zeigt die heftigste Bewegung. Wenn er mitten auf der Scene ist, wirft er sich nieder, die Hände zu der Erde und dann zum Himmel ausbreitend.) Knabe (bemerkt ihn). Sich, Vater, wer der Mann ist, der dort kniet? F. Er faßt die Erde an mit seinen Händen, Und scheint, wie außer sich zu sein. Knabe (tommt vorwärts). Was seh ich! Vater! Vater! kommt und seht!
105 F. (nähert sich). Wer ist es? Gott im Himmel! Was! der Tell?
Wie kommt Ihr hierher? Nedet!
Ein starker Mann und weiß ein Schiff zu steuern. Wie, wenn wir sein jezt brauchten in der Noth ?“ Da sprach der Vogt zu mir: „Tell, wenn Du Dire Getrautest, uns zu helfen aus dem Sturm, So möcht ich Dich der Bande wohl entledgen.“. Ich aber sprach: „Ja, Herr, mit Gottes Hülfe Getran ich mirs, und helf uns wohl hiedannen.“ So ward ich meiner Bande los und stand Am Steuerruder und fuhr redlich hin; Doch schielt ich seitwärts, wo mein Schießzeug lag, Und an dem Ufer merkt ich scharf umher, Wo sich ein Vortheil aufthät zum Entspringen. Und wie ich eines Felsenriffs gewahre, Das abgeplattet vorsprang in den See F. Ich kenns, es ist am Fuß des großen Aren, Doch nicht für möglich acht ichs — so gar steil Gchts an- vom Schiff es springend abzureichen — 1 T. Schrie ich den Knechten, handlich zuzugehn, Bis daß wir vor die Felsenplatte kämen, Dort, rief ich, sei das Aergste überstanden Und als wir sie frischrudernd bald erreicht, Fleh ich die Gnade Gottes an, und drücke, Mit allen Leibeskräften angestemmt, Den hintern Gransen an die Felswand hin.
Knabe. Wart Ihr nicht Jeht schnell mein Schießzeug fassend, schwing ich selbst
Dori auf dem Schiff gefangen und gebunden? F. Ihr wurdet nicht nach Küßnacht abgeführt? T. (fteht auf). Ich bin befreit.
F. und Knabe. Befreit! O Wunder Gottes!
110 Knabe. Wo kommt Ihr her?
F. Alles weiß ich, redet! T. Daß mich der Landvogt fassen ließ und binden, Nach seiner Burg zu Küßnacht wollte führen? 120 F. Und sich mit Euch zu Flüelen eingeschifft.
Wir wissen Alles. Sprecht, wie Ihr entkommen? T. Ich lag im Schiff, mit Stricken festgebunden, Wehrlos, ein aufgegebner Mann Nicht hofft ich, Das frohe Licht der Sonne mehr zu sehn, 125 Der Gattin und der Kinder liebes Antlig, Und trostlos blickt ich in die Wasserwüste · F. O armer Mann!
T. So fuhren wir dahin, Der Vogt, Rudolf der Harras und die Knechte. Mein Köcher aber mit der Armbrust lag
130 Am hintern Gransen bei dem Steuerruder. Und als wir an die Ecke jezt gelangt
Beim kleinen Aren, da verhängt es Gott, Daß solch ein grausam mördrisch Ungewitter Jählings herfürbrach aus des Gotthardts Schlünden,
135 Daß allen Nuderern das Herz entsank, Und meinten Alle, elend zu ertrinken. Da hört ichs, wie der Diener Einer sich Zum Landvogt wendet und die Worte sprach: "Ihr sehet Eure Noth und unsre, Herr, 140 Und daß wir All am Rand des Todes schweben; Die Steuerleute aber wissen sich
Vor großer Furcht nicht Nath und sind des Fahrens
Hochspringend auf die Platte mich hinauf, Und mit gewaltgem Fußstoß hinter mich Schleudr ich das Schifflein in den Schlund der Wasser- Dort mage, wie Gott will, auf den Wellen treiben! So bin ich hier, gerettet aus des Sturms Gewalt und aus der schlimmeren der Menschen. F. Tell, Tell, ein sichtbar Wunder hat der Herr An Euch gethan; kaum glaub ichs meinen Sinnen – Doch saget! Wo gedenket Ihr jezt hin? Denn Sicherheit ist nicht für Euch, wofern Der Landvogt lebend diesem Sturm entkommt. T. Ich hört' ihn sagen, da ich noch im Schiff Gebunden lag, er wollt bei Brunnen landen, Und über Schwyz nach seiner Burg mich führen. F. Will er den Weg dahin zu Lande nehmen? T. Er beafte
F. O so verbergt Euch ohne Säumen! Nicht zweimal hilft Euch Gott aus seiner Hand. T. Nennt mir den nächsten Weg nach Arth und Küsnacht F. Die offene Straße zieht sich über Steinen; Doch einen kürzern Weg und heimlichern Kann Euch mein Knabe über Lowerz führen. T. (gibt ihm die Hand.) Gott lohn Euch Eure Gut 19 that. Lebet wohl.
(Geht und lehrt wieder um.)
Habt Ihr nicht auch im Nütli mitgeschworen? Mir däucht, man nannt Euch mir
F. Ich war dabel Und hab den Eid des Bundes mit beschworen. T. So eilt nach Bürglen, thut die Lieb mir an! Mein Weib verzagt um mich; verkündet ihr, Daß ich gerettet sei und wohl geborgen. F. Doch wohin sag ich ihr, daß Ihr geflohn? T. Ihr werdet meinen Schwäher bei ihr finden Und Andre, die im Rütli mit geschworen Sie sollen wacker sein und gutes Muths; Der Tell sei frei und seines Armes mächtig; Bald werden sie ein Weitres von mir hören. F. Was habt Ihr im Gemüth? Entdeckt mirs fret! T. Ist es gethan, wirds auch zur Rede kommen.
B. F. Kann ich sie trösten? Hab ich selber Trost? Häuft alles Leiden sich auf meinem Haupt? Hedwig (hereindringend.) Wo ist mein Kind? Laßt mich, ich muß es sehn # St. Faßt Euch! Bedenkt, daß Ihr im Haus des Todes —— H. (ftürzt auf den Knaben.) Mein Wälty! O er lebt mir! W. T. (hängt an ihr.) Arme Mutter! H. Ists auch gewiß? Bist Du mir unverlegt? (Betrachtet ihn mit ängstlicher Sorgfalt.) Und es ist möglich? Konnt er auf Dich zielen? Wie fonnt ers? Der hat kein Herz. Den Pfeil abdrücken auf sein eignes Kind!
B. F. Er thats mit Angst, mit schmerzzerrißner Seele; Gezwungen that ers, denn es galt das Leben. H.D hátt er eines Vaters Herz, eh ers 0Gethan, er wäre tausendmal gestorben!
Et. Ihr solltet Gottes gnädge Schickung preisen, Die es so gut gelenkt —-
Bies hätte kommen können! Gott des Himmels! Und lebt ich achtzig Jahr ich seh den Knaben ewig 15 Gesunden stehn, den Vater auf ihn zielen, Und ewig fliegt der Pfeil mir in das Herz.
Frau, wüßtet Ihr, wie ihn der Vogt gereizt! H. O rohes Herz der Männer! Wenn ihr Stolz Beleidigt wird, dann achten sie Nichts mehr; 10 Sie sehen in der blinden Wuth des Spiels
Das Haupt des Kindes und das Herz der Mutter! B. Int Eures Mannes Loos nicht hart genug, Daß Ihr mit schwerem Tadel ihn noch kränkt? Für seine Leiden habt Ihr kein Gefühl ?
H. (lehrt sich nach ihm um und sieht ihn mit einem großen Blid an.)
35 Hast Du nur Thränen für des Freundes Unglück?
H. (wirft sich an seine Brust.) O Vater! Und auch Du haft ihn verloren!
Das Land, wir Alle haben ihn verloren. Uns Allen fehlt er, ach! wir fehlen ihm! Gott rette seine Seele vor Verzweiflung! Zu ihm hinab ins öde Burgverließ Dringt keines Freundes Trost. Ach, in des Kerkers feuchter Finsterniß Muß er erkranken. Wie die Alpenrose Bleicht und verkümmert in der Sumpfesluft, So ist für ihn kein Leben, als im Licht Der Sonne, in dem Balsamstrom der Lüfte. Gefangen! Er! Sein Athem ist die Freiheit; Er kann nicht leben in dem Hauch der Grüfte. St. Beruhigt Euch! Wir alle wollen handeln, Um seinen Kerker aufzuthun.
H. Was könnt Ihr schaffen ohne ihn? So lang Der Tell noch frei war, ja, da war noch Hoffnung, Da hatte noch die Unschuld einen Freund, Da hatte einen Helfer der Verfolgte,
Euch Alle rettete der Tell
St. Er meint den Junker. — Schickte man nach ihm? W. F. Es ist nach ihm gesendet. — Tröstet Euch! Er hat sein Herz gefunden; er ist unser. A. Hat er gesprochen für sein Vaterland? St. Mit Heldenkühnheit.
A. Warum kommt er nicht,
Um meinen lezten Segen zu empfangen? Ich fühle, daß es schleunig mit mir endet. St. Nicht also, edler Herr! Der kurze Schlaf Hat Euch erquickt, und hell ist Euer Blick. A. Der Schmerz ist Leben, er verließ mich auch. Das Leiden ist, so wie die Hoffnung, aus. (Er bemerkt den Knaben.)
W. F. Segnet ihn, o Herr!
Er ist mein Enkel und ist vaterlos.
(Hedwig finkt mit dem Knaben vor dem Sterbenden nieder.) A. Und vaterlos laß ich Euch Alle, Alle Zurück. Weh mir, daß meine lehten Blicke Den Untergang des Vaterlands gesehn! Mußt ich des Lebens höchstes Maß erreichen, Um ganz mit allen Hoffnungen zu sterben! St. zu Walther Fürst.) Soll er in diesem finstern Kum- 90 mer scheiden?
Erhellen wir ihm nicht die lezte Stunde Mit schönem Strahl der Hoffnung? Erhebet Euren Geist! Wir sind nicht ganz Verlassen, sind nicht rettungslos verloren. A. Wer soll Euch retten?
W. F. Wir uns selbst. Vernehmt! Es haben die drei Lande sich das Wort Gegeben, die Tyrannen zu verjagen. Geschlossen ist der Bund; ein heilger Schwur Verbindet uns. Es wird gehandelt werden, Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt. Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande. A. O saget mir! Geschlossen ist der Bund? M. Am gleichen Tage werden alle drei Waldstätte sich erheben. Alles ist
Bereit, und das Geheimniß wohl bewahrt
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