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Urmund und Spina bifida.

Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie
an missgebildeten Froscheiern.

Von

Oscar Hertwig.

Hierzu 5 Tafeln.

Bonn

Separat-Abdruck aus dem Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 39
Verlag von Friedrich Cohen

1892.

(Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.)

Urmund und Spina bifida.

Eine vergleichend morphologische, teratologische Studie an missgebildeten Froscheiern.

Von

Oscar Hertwig.

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Hierzu Tafel XVI-XX.

Um der noch immer in Dunkel gehüllten Frage, ob durch Ueberfruchtung Missbildungen hervorgerufen werden können, näher zu treten, nahm ich in diesem Frühjahr Experimente an Eiern von Rana temporaria wieder auf, welche ich schon vor Jahren begann, aber wieder liegen gelassen hatte. Ich führte Ueberfruchtung bei Froscheiern, nachdem chemische Eingriffe mir nicht den gewünschten Erfolg geliefert hatten, in doppelter Weise herbei. Einmal nahm ich die mit Eiern gefüllte Gebärmutter aus der Leibeshöhle des Weibchens heraus und brachte sie 2-4 Tage in eine feuchte Kammer, um eine Schädigung durch diesen Eingriff hervorzurufen und ähnliche Resultate zu erhalten, wie an Echinodermeneiern, die man 1-2 Tage nach der Entleerung aus dem Ovarium in Meerwasser hat liegen lassen, che der Samen zugesetzt wird. Es ist auffallend, wie wenig die Froscheier im Allgemeinen bei dieser Behandlung leiden. Denn noch am dritten und vierten Tag entwickelt sich ein grosser Theil von ihnen in normaler Weise, ein anderer Theil zeigt Unregelmässigkeiten im Furchungsprocess, aus denen sich auf eine Ueberfruchtung schliessen lässt, ein dritter Theil. endlich entwickelt sich nicht, wenn auch vielleicht Samenfäden in den Dotter eingedrungen sind.

Ein zweites Verfahren, um Ueberfruchtung zu erreichen, bestand darin, dass ich die Froschpärchen von einander trennte und die Männchen während 4-6 Wochen von den Weibchen isolirte. Wenn die in die Gebärmutter eingetretenen Eier so weit über die normale Zeit hinaus nicht zur Ablage gelangen,

Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 39

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werden sie ebenfalls geschädigt, wie dies auch bei Echinodermen und Fischen (Forellen) beobachtet worden ist, und gerathen in einen Zustand, den ich als Ueberreife bezeichnet habe. Auch hier treten neben normal sich theilenden Eiern mehr oder minder häufig Störungen im Furchungsprocess auf.

In verschiedenen, auf diese Weise erhaltenen Zuchten ist mir keine einzige Mehrfachbildung aufgestossen, obwohl ich auf dieselben mein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Insofern waren meine Versuche ohne das gewünschte Ergebniss geblieben. Auf der anderen Seite aber fielen mir in den Zuchtgläsern viele Eier auf, die in eigenthümlicher Weise pathologisch entwickelt waren und daher eingehender geprüft wurden, ob sie mit der mich interessirenden Frage in einem Zusammenhang ständen. Sie zeichneten sich durch ein bald mehr, bald minder weites Offenbleiben des Urmundes bis in späte Stadien der Entwicklung aus.

Ueber derartige Missbildungen des Froscheies liegt bis jetzt in der Literatur nur eine etwas eingehendere Notiz von Roux in seinen Beiträgen zur Entwicklungsmechanik des Embryo vor. Roux (61) beschreibt die Missbildung unter dem Namen der Asyntaxia oder Diastasis medullaris.

„Die beiden Medullarwülste", bemerkt er, sind weit auseinander gelegen, indem sie die Seitenränder des eine längliche, fast ebene Platte darstellenden Embryo einnehmen; unter jedem Medullarwulst ist eine schöne, aber gleichfalls runde, durch die Zusammensetzung aus bloss 3 bis 4 Zellen auf dem Querschnitt wohl characterisirte Semichorda lateralis vorhanden. Aehnliches, aber geringeres Auseinanderweichen der Medullarwülste fand sich auch mehrfach bloss partiell, besonders im Bereiche der hinteren Hälfte des Rückenmarkes. Hierbei war auf Schnitten das Vorhandensein vom Entoblast nachweisbar; andererseits aber war mit Leichtigkeit durch wiederholte Beobachtung am lebenden Ei festzustellen, dass der grosse Spalt zwischen beiden Medullarwülsten den Urmund bezw. den Rest desselben darstellt". In Fällen der Asyntaxia medullaris, bloss im mittleren und caudalen Theile des Embryo sah ich dann mit der Zeit öfter eine weitere Näherung der Medullarwülste und zwar mehr auf der caudalen Seite stattfinden, so dass schliesslich nur noch ein Loch in der Mitte der Länge des Medullarrohrs blieb, welches aber weiterhin

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auch noch geschlossen wurde. Es lag also hier nur eine Verzögerung des Herabwachsens der jederseitigen halben Dorsalplatte vom Aequator des Eies vor, während die qualitative Differenzirung, dadurch nicht gehemmt, die Medullarwülste vor der Verschmelzung der Dorsalplattenhälften herstellte. Durch diese Form der Diastasis medullaris und die Ableitung des Spaltraumes vom Urmund wird auf's Deutlichste eine Analogie der Bildung der Embryonalanlage bei Amphibien mit derjenigen der Fische illustrirt und damit auch die Asyntaxia medullaris an die von Rauber für die Knochenfische beschriebene „Verzögerung des Anschlusses der Keimringhälften zur Bildung der mittleren und hinteren Embryonalanlage" angeschlossen."

Da mir meine Zuchten ein sehr reichliches Material von Missbildungen lieferten, so dass ich in kurzer Zeit gegen 100 von solchen isoliren konnte, conservirte ich dieselben in verschiedenen Zwischenräumen nach der Befruchtung in 1% Chromsäure mit Zusatz von 0,2% Essigsäure. Nach genügender Erhärtung wurden die Gallerthüllen nach der Angabe von Blochmann (2 b) durch vorsichtiges Schütteln in Eau de Javelle entfernt und die so freigelegten Embryonen in 85% Spiritus aufgehoben. Ich erhielt so eine sehr vollständige Serie von missgebildeten Froscheiern, welche sich auf verschiedenen Stufen der Entwicklung befanden und trotz mannigfacher Variationen im Grad der Missbildung doch ein ganz typisches Gepräge zur Schau trugen. Hierin fand ich eine Aufmunterung zu weiterer Untersuchung. Bei schwacher Vergrösserung wurden die einzelnen Eier von verschiedener Seite genau betrachtet und mit der Camera lucida. abgezeichnet. Darauf wurden sie, je nachdem es im einzelnen Fall wünschenswerth erschien, in Serien von Quer-, Sagittal- oder Frontalschnitten zerlegt. Bei Anfertigung von Sagittalschnitten wurde meist nur die eine Hälfte verwandt, die andere konnte dann noch zu einer Querschnittsserie dienen. Der Einschluss in Paraffin wurde nach dem von Oscar Schultze (62) angegebenen und auch von mir als zweckmässig befundenen Verfahren vorgenommen.

Die Ergebnisse der ziemlich umfangreichen Untersuchung theile ich zunächst in drei Kapiteln mit. Von diesen handelt das erste Kapitel über Störungen des Furchungsprocesses, das zweite über monströse Entwicklung von Eiern, bei denen mehr

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