Графични страници
PDF файл
ePub

Wenn große und rechtschaffene Männer aufrichtige Anekdoten ihres geheimen Lebens aufseßten und sie den Händen ihrer Freunde überließen, aus denen sie zu der Zeit, da es die Klugheit erlaubte, der Nachwelt mite getheilt würden; wie lehrreich würden sie nicht dem denkenden Leser, und wie demüthigend oft für ihn seyn! Wie glänzend ist Ludwig, der Große, wenn ihn uns die Geschichte von ferne auf dem Throne, in seinen Eroberungen und auf dem Theater königlicher Anstalten zeigt! Wie glücklich scheint er zu seyn! Und doch wie sehr ein Mensch, wie klein, wie unglücklich wird er uns, wenn wir ihn in der Nähe, auf seinem Zimmer, in der Gewalt verstellter Lieblinge, an der Seite unglücklicher Kinder, unter der Last seiner Leidenschaften, in den Fesseln der Wollust, unter den Zurufungen der Schmeichler, unter der Unruhe seiner leeren Stunden, und endlich an der Hand einer Maintenon voller Scham über seine Vergehungen erblicken, und, um den Herrn aller Herrn zu seinem Freunde zu machen, ihn, in der falschen Meynung die Religion zu beschüßen, gegen ihre aufrichtigsten Bekenner mit einem blutdürftigen Schwerdte wüten sehen! Ihn von der ersten Seite kennen, heißt ihn nur nach einem betrüglichen Schein kennen; ihn von der andern Seite kennen, muß einen Prinzen Weisheit und Kenntniß seiner selbst lehren. Einen Racine, einen Addison nur als Dichter kennen, ist wenig; ihn als Freund, als Vater, als Clienten, ihn als Jüngling, als Mann bey Hofe, ihn als einen Christen, ihn im Tode kennen, dieses ist Kenntniß für das Herz. Wenn der Jüngling in dem Leben des Addison liest: „Als Addison die Aerzte und alle „Hoffnung des Lebens aufgegeben, ließ er einen jungen nahen Anverwand„ten, dem er noch sterbend nüßen wollte, zu sich rufen. Anfangs schwieg „der sterbende Addison. Nach einer bescheidnen und anständigen Pause ,,fagte der Jüngling: Theuerster Herr, Sie haben mich rufen lassen. Ich ,,glaube und hoffe, daß Sie mir etwas befehlen wollen. Ich werde Ihre „Befehle heilig beobachten. Darauf ergriff Addison des Jünglings Hand, „drückte sie und sprach sanft zu ihm: Siehe, in welchem Frieden „ein Christ sterben kann! Er sprachs mit Mühe aus und starb bald darauf." Wenn ein Jüngling diese Nachricht liest, sollte sie nicht den Wunsch in seinem Herzen erwecken, auch einst so glückselig und lehrreich zu sterben, und täglich so zu leben, damit er einst auf diese Art sterben könne? Lassen Sie diese Erzählung einen tiefen Eindruck auf Ihr Herz machen, theuerste Commilitonen. In diesem Frieden sterben können, das ist die wahre Hoheit des Menschen und Christen, das ist Ruhm und Seligkeit.

[merged small][merged small][ocr errors]
[ocr errors]

--

[ocr errors]

[ocr errors]

(Briefe Bd. 5. S: 130.)

Leipzig den 3. April 1775.

Ich bin außer mir, und ich muß es Ihnen sagen, daß ichs bin, ob ich gleich erst gestern an Sie geschrieben habe. Gestern war ich noch nicht mit dem 5ten Theile des Grandison zu Ende. Ich las zwar bis des Nachts um 12 Uhr ein Fehler, den ich seit der Clarissa nicht begangen. Ich schlief, wie Sie leicht denken können, die ganze Nacht wenig elend. Kaum hatte ich heute morgen nach 6 Uhr in der Bibel gelesen, so ergriff ich den Grandison, um ihn statt einer Rede aus dem ** zu lesen. Ich las, ich kam auf den Abschied des Grandijon und der Elemen tine. Ach Graf, lieber Graf! Nun habe ich wieder das größte Vergnügen des Lebens geschmeckt, das ich schmeckte, als ich den letzten Theil der Clarissa las. Seit so vielen Jahren habe ich weder über Natur, noch Nachahmung (einige bittre Thränen der Traurigkeit ausgenommen) weinen können nicht weinen können, um alle Wunder der Natur nicht, so hart, so verschlossen ist mein Herz gewesen! und heute, diesen Morgen den 3. April zwischen 7 und 10 Uhr (gesegneter Tag —) habe ich geweinet, theurer Graf, mein Buch mein Pult mein Gesicht - mein Schnupf tuch durch durchgeweinet, lautgeweinet, mit unendlichen Freuden ge schluchzet, als wäre ich in Bologna, als wäre ich Er, als wäre ich Sie, als wäre ich das seelige Gemische von Glück und Unglück, von Liebe und Schmerz, von Tugend und Schwachheit gewesen, und kein Mensch hat mich gestöret. -Gott was ist in diesem Buche! Nun begreife ich, wie die Tragödien der Alten haben so gewaltsame und unglückliche (unglaubliche?) Wirkungen thun können. Ja, Graf, in den Augenblicken nicht fort lesen — nicht mehr fühlen sollen dort auf der Rasenbank hier in der Cle: mentine Zimmer lieber hätte ich alle mein Vermögen verloren. Kann denn Richardson zaubern? Ja, ihm steht alles, was nur rühren be: stürmen, alles was hinreißen, und zur Trunkenheit entzücken kann, zu Ge bote, und seine Landsleute zweifeln noch einen Augenblick daran? Aber er muß sterben; Er soll sterben! und alsdann wird man ihm Gerechtig feit wiederfahren lassen. Haben sie den Gay einiger Fabeln wegen in die Gräber der Könige gelegt: so werden sie einen Richardson unsterblicher Name! Ehre des menschlichen Geschlechts und Fürst der Romandichter! Glücklicher Tyrann aller unsrer Leidenschaften! Dich sollten sie nicht in die Gräber der Könige, nicht zur Asche des Milton, und wenn noch ein ehrwürdigerer Ort ist, nicht dahin legen? Schreib, aber das ist über die Kräfte der Menschheit, schreib noch einen Grandison, und dann

1. Bermuthlich an den Grafen Moriß von Brühl.

[ocr errors]

sirk, seliger als deine Clementine, als dein Grandison den Gedanken nach Herben müssen! Ja, Graf Gott vergebe mirs! — Ebert hat wohl nicht unrecht. Wenn er, spricht er, den Grandison gemacht hätte, so glaube er gewiß, daß er seelig werden müßte. Gott vergebe mirs! könnte der Himmel durch Verstand und Kunst, durch Witz und Herz, durch göttliche Meral verdient werden, nun, so hätte ihn Grandison überverdient! Heben Sie diesen Brief mit aller seiner Enthusiasterei, mit aller meiner aufrichtigen Albernheit auf! und wenn ich bald fierbe, so lassen Sie, Sie sollen es thun, ihn mit meinem ganzen Namen, zur Ehre eines Richardson (denn sobald ich todt bin, bin ich groß genug ihn zu ehren) und folgende Stelle groß drucken: Zween meiner vergnügtesten Tage, soll die Nachwelt wissen, sind die gewesen, da ich den 7. Theil der Clarissa und den 5. des Grandison gelesen. Wenn die Tugend in jenem Leben eine fortgeseßte ewige Empfindung solcher Freuden ist, als ich hier gefühlet, so kann kein Mensch, auch in einem zehnfachen Leben, zu viel für sie ausstehn. Ich habe noch nie namentlich für den Richardson gebetet, aber bey dem 5. Theile habe ich das Gebet für seine immerwährende Wohlfahrt gemacht. — Dürfte ich doch nicht denken, daß es Geschöpfe gebe, denen dieses Werk nicht gefällt. — Ich will nicht. mehr schreiben. Ich kann auch nicht. Ich bin immer noch außer mir. Ich habe geweint, daß ich noch immer zittere. Und wenn ich ist krank werde, so ist Grandison die Ursache, und meine Krankheit das Lobgedicht des Richardson. Ich umarme Sie, liebster Graf.

[ocr errors]

Gellert.

Beispiel 10.

216. Gellert an Rabener. (Th. 5. S. 365.)

Liebster Rabener!

L. d. 29. Jan. 1761.

Sie mögen mit mir machen, was Sie wollen, so werde ich Ihnen doch dießmal keine ausführliche Antwort schreiben, denn ich bin schon seit vierzehn Tagen von einem Husten und von Schmerzen in der linken Hüfte frank. Es ist wahr, daß ich in der Mitte des letzten Monats vorigen Jahres durch einen Major zu dem Könige gerufen worden bin, daß er sich von vier Uhr bis dreyviertel auf sechs Uhr mit mir von den schönen Wissenschaften und der deutschen Literatur und der Methode, womit er seine Hypochondrie curiret und mit der ich die meinige curiren sollte, unterredet; daß er mir sehr gnädig begegnet hat; daß ich wider allen meinen Charakter ohne die geringste Furcht, ohne Begierde zu gefallen, blos das,

was Wahrheit und Ehrerbietung befahlen, geredet und eben deswegen gefallen habe. Am Ende des Gesprächs fragte er mich, ob ich keine von meinen Fabeln auswendig könnte? Nein, Sire." -,,,,Befinne Er sich doch, Herr Professor, ich will etlichemal in der Stube auf- und niedergeben.""Endlich fiel ich, ohne zu wissen warum, auf den Maler, die lehte Fabel im ersten Theile. „Nun, sagte er, das ist gut, das ist sehr gut, natürlich, kurz und leicht. Das habe ich nicht gedacht. Wo hat Er so schreiben lernen? “ “ ,,In der Schule der Natur." "Hat Er den Lafontaine nachgeahmt?"" —,,Nein, Jhro Majestät, ich bin ein Original; aber darum weis ich noch nicht, ob ich ein gutes bin." —

Nein, ich muß Ihn loben"" Und da sagte er zum Major, der dabey stand, noch viel zu meinem Lobe, das ich in der That nicht hören wollte. — ,,,,Komme Er wieder zu mir, und siecke Er Seine Fabeln zu sich und lese Er mir welche vor."" Allein, guter Rabener, ich bin nicht wiedergekommen. Der König hat mich nicht wieder rufen lassen, und ich habe an Sirachs Wort gedacht: Dränge dich nicht zu den Königen. Er hat mich den Tag darauf bey der Tafel gegen den Oberstlieutenant Marwiß, auch den englischen Gesandten, den Marquis d'Argens, den Lector le Cat und Andere, die mirs wieder gesagt haben, mit einem Lobspruche ge lobt, den ich nicht hersehen will, weil es doch eitel seyn würde. Der eng lische Gesandte, der ein vortrefflicher Mann ist, mag wohl die wahre Urs fache gewesen seyn, warum mich der König sehen wollen; denn der Ge sandte hat mit Strauben in Breslau meine Fabeln größtentheils gelesen und ist sehr für sie eingenommen. Der König sprach bald deutsch, bald französisch; ich meistens deutsch, nur im Nothfalle französisch. Den aus: führlichen Inhalt einem Briefe anvertrauen, würde wenigstens wider die Klugheit seyn. Warten Sie bis ich Sie spreche. Gott gebe, daß dieses bald geschehe, und daß ich Sie gesund und zufrieden umarmen kann, wo es auch sey. Das Ende Ihres Briefes, liebster Rabéner, ist sehr ernsthaft. Allein Ihr Ernst ist mir so schäßbar, als kaum Ihr Scherz. Sie reden von Ihrem Tode. Ja, davon sollten wir alle reden, oft reden und ge trost, wie Sie, reden. Gott lasse uns leben, um wohl zu sterben, zu der Zeit, da er es beschlossen hat. Menschlich zu urtheilen müssen Sie mich lange und weit überleben.

bin ewig

Ich umarme Sie, liebe Sie und

der Ihrige

Gellért.

1714-1771.

2 Gottlieb Wilhelm Rabener. Gottlieb Wilhelm Rabener wurde den 14. September 1714 in Wachau bei Leipzig geboren, wo sein Vater Justus Gottlieb Ra. bener Rittergutsbesißer und Anwald im Leipziger Oberhofgerichte war. Bis zum 14. Jahre wurde er von Hauslehrern unterrichtet, worauf er 1728 die Landschule zu Meißen bezog, wo sein Großvater M. Justus Gottfried Rabener Rector gewesen war. Unter seinen Mitschülern waren Grabener, nachheriger Rector der Schulpforte, Gärtner und Gellert seine Freunde, mit welchen er das ganze Leben hindurch treu verbunden blieb. Nach sechs Jahren ging er auf die Universität Leipzig, wo er vornehmlich die Rechtsgelehrsamkeit studirte, auch öffentlich disputirte de mitiganda furti poena ob reftitutionem rei ablalae. Auch legte er sich unter Anleitung eines Bekannten auf das Steuerwesen, vergaß aber dabei nicht ́ die Wissenschaften. Als Prof. Schwabe unter Gottscheds Leitung 1741 die Belustigungen des Verstandes und Wißes herausgab, wurde auch Rabener Mitarbeiter und blieb es bis zur Mitte des Jahres 1744 und theilte in dieser Zeitschrift unter andern sein scherzhaftes Gedicht mit: Beweis, daß die Reime in der deutschen Dichtkunst unentbehrlich sind. Auf Gärtners Antrieb vereinig ten sich nun aber mehrere Freunde, zunächst Cramer nnd Adolf Schle gel, eine eigne Monatschrift herauszugeben, welchen nun auch Rabener, dann auch Schmidt von Lübeck, Ebert und Zachariä beitraten, später auch Klopstock, Fuchs und Schmidt von Langensalze. Diese Zeitschrift erschien zu Bremen und ist unter dem Namen der Bremer Beiträge1 bekannt. Wie diese Arbeit für die Leser sehr ansprechend war, so verband sie auch die Verfasser in innigerer Freundschaft, weil man durch gemeinsames Studium, Vorlesungen und Beurtheilungen der für die Zeitschrift bestimmten Beiträge sich immer näher fam; doch zerstreute sich der freundschaftliche Kreis allmählich, blieb sich aber in wechselseitiger Freundschaft unverändert treu. Rabener hatte schon 1741 das beschwerliche Amt eines Steuerrevisors des Leipziger Kreises erhalten, in welchem er unermüdet thätig war. Seine satirischen Arbeiten waren seine Erholungen. Am Ende des Jahres 1751 schrieb er seine satirischen Briefe, welche von vielen für das Gelungenste seiner Werke gehalten werden. Im Jahre 1753 wurde er nach Dresden berufen und erhielt die Stelle eines ersten Obersteuersecretairs. Auch hier fand er Beifall und Freunde, und wie er in seinem Amte thätig war, arbeitete er auch für die Wis

1. Neue Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Wißes, vier Bände. Die Fortseßung erschien mit dem Titel: Sammlungen vermischter Schriften.

« ПредишнаНапред »