Графични страници
PDF файл
ePub
[ocr errors]

von der Dicht Kunst ausmachet, hat jederzeit der Sitten und der Staats Lehre nüßliche Dienste gethan, indem sie die Unterrichte dieser Wissenschafs ten mittelst ihrer Kunst auf eine angenehme Weise in die Gemüther der Menschen eingespielet hat. Die Geschichte des Menenius Agrippa kan uns ohne mehreres davon überzeugen. Dieser kluge Römer hat durch die geschickte Fabel von der Empörung der Glieder wider den Magen die Aufruhr der Bürgerschaft von Rom gestillet. Also war die Poesie in ihrem Ursprung und rechten Gebrauche zur Verchrung Gottes, zur Besse rung des Nebenmenschen und zu einer unschuldigen Aufmunterung und Beluftigung des Gemüthes gewiedmet: Aber so bald diese edle Gabe des Himmels durch den schädlichen Mißbrauch entweyhet worden, ward sie nach und nach zu einem schändlichen Werckzeuge der dreh vornehmsten lasterhaften Neigungen, der Wolluft, der Ehrsucht und des Geißes gemachet, und mußte diesen Tyrannen als eine gefangene Sclavin dienen. Wenn man inzwischen die besondern Arten Gedichte, ihre verschiedene Gestalt und ihren Zweck einsichet, so zeiget sich noch klärer, daß das Ergeßen der Poesie sich noch ferner die Erbauung zu seiner lehten Absicht sehen, und dieselbe durch verschiedene Wege müsse befördern helffen. Was zwar die kleinern Gattungen der Lyrischen Gedichte betrifft, als die Oden, Cantaten, Madrigale, Elegien, Sonnete u. a. so kan man nicht immer fordern, daß sie allemahl grossen Nußen schaffen, allermassen sie zu einer unschuldigen Kurzweil dienen, und daher genug ist, wenn sie nur den vornehmsten und Haupt-Zweck der Poesie, nehmlich das Ergeßen, gewähren. Alleine die größern Hauptstücke der Poesie, als die Epopee, das Trauerspiel, die Comödie, die Satyre, anbelangend, ist unstreitig, daß diese Gattungen Ge dichte nicht das blosse Ergehen, sondern die Besserung des Willens zum Zwecke haben. Das epische oder heroische Gedicht ist eine Schule für den Leser, wo er zu hohen, tugendhaften und großmüthigen Unternehmungen aufgewecket und vorbereitet wird; und die Epische Fabel hat allezeit eine nüßliche Hauptlehre in sich; in der Tragödie kan man die Abwechselungen des menschlichen Schicksals erlernen, mittelst des Schreckens und des Mit leidens die Affecten der Leute reinigen, und die Mächtigen durch das Beyspiel anderer, die sich selbst, durch ihre Tyrannie in das gröste Elend gestürhet haben, von Grausamkeit und Gewaltthätigkeit abhalten; die Comödie stellet uns die Mängel gemeiner Personen vor Augen, und ist ein Spiegel des bürgerlichen Lebens, damit die Haus-Väter unter dem Vold lernen, ihren Haushaltungen vorstehen, ihre eignen Fehler verbessern, und sich an ihrem Stand begnügen. Derowegen muß ich die Poesie nicht nur als eine Kunst betrachten, die in der Nachahmung bestehet, sondern als ein Geschencke des Himmels, und ein köstliches Werckzeug, dadurch Wahrheit und Tugend eingeführet und das Laster verjaget wird. Und diesemnach muß ein Poet in der Wahl seiner Materie nicht alleine auf

das Wahre und Neue sehen, und es ist nicht genug, daß seine Vorstellun gen' natürlich und wunderbar seyn, sondern sie müssen auch ehrbar und nüßlich seyn; hiemit müssen sie die Erleuchtung des Verstandes und die Besserung des Willens zum Zwecke haben; an welchen beiden Stücken die Glückseligkeit des menschlichen Lebens einig hängt, und ohne welche kein wahrhaftes und eigentliches, vernünftigen Geschöpfen anständiges Ergeßen statt haben kann.

Beispiel 2.

Critische Dichtkunst. Th. II. Abschn. 2. Von den Machtwörtern. (S. 62.)

Was jeho die Vermehrung der Sprache mit Erfindung und Einführung neuer Wörter von dieser Art' angehet, welche sich nicht anderst, als mit der Ähnlichkeit schützen können, so wollte ich den Scribenten alleine die Behutsamkeit anbefehlen, daß sie solche zuerst in der Poesie und der nachdrücklichen Schreibart bekannt macheten, wo sie ihren eigenen Sitz haben, weil die kühne Art zu gedencken daselbst einige Freyheit in dem Ausdruck erfodert. Ich kann auch von etlichen neuen Verfassern mit Grunde sagen, daß sie sich diese Vorsorge für die Vermehrung der deuts schen Sprache mehr haben angelegen seyn lassen, als die Verhütung des Abgangs so vieler nachdruckreicher Wörter; so daß ihr Verdienst um die Sprache in diesem Stücke nicht geringer ist, als die Schuld, welche ich ihnen in jenem beygemessen habe. Zum Beweisthum dessen will ich einige Beyspiele anführen, die mir Herr König und Herr Haller darlehnen werden. Jener sagt in dem schönen Gedichte von dem Heldenlobe König Augusts:

So hast du gütigst auch die aller Straf entbunden,
Die dir heimtückisch selbst nach deinem Leben stuhnden.

So muß sich auch das Aug, um sie zu seh'n vertheilen.

1. Nehmlich nachdrücklicher, ausdrucksvoller, welche das deutsche Bürgerrecht, in der Zusammenseßung nichts Unrichtiges haben und in der Ähnlichkeit der Sprache gegründet find. 2. Joh. Ulr. König den 8. Dkt. 1688 zu Eßlingen am Neckar geboren, lebte erst in Hamburg in Bekanntschaft mit Brockes, dann in Leipzig, wurde Geheimsecretair und Hofpoet Königs August in Dresden, 1729 Hofrath und Ceremonienmeister und in den Adelstand erhoben. Er starb 1744. Von seinen Gedichten ist August im Lager" am bekanntesten geworden, welches Breitinger in demselben Werke Eritische Dichtkunst Th. I. S. 348-376. scharf kritisirt und für kein Gedicht erklärt, auch einen andern selbst gedichteten Eingang zu demselben vorschlägt.

Du hast des Himmels Zorn entwaffnet durch dein beten.
Und von dem ernstlichen Gesetz gegen das Duellieren:

Da du diejenigen selbst wilst zum Leben zwingen,
Die unter sich so sehr nach Tod und Sterben ringen.

Die Redensart, einen der Straffe entbinden, ist sichtbarlich von besonderm Nachdrucke, sie stellet euch einen strafwürdigen Uebelthäter gleich sam vor Augen, wie er der Gerechtigkeit gebunden zugeführt wird, und wie ihn die empfangene Gnade von den Banden erlediget. Das Auge vertheilen ist überaus geschickt gegeben, anzuzeigen, daß das Auge nicht im Stande sey, die mannigfaltigen Gegenstände, von denen es auf eins mal überfallen wird, mit einem Blicke zu überschauen; sondern daß es sich von einem zu dem andern wenden muß, ein jedes absonderlich zu betrach ten; der Ausdruck hat etwas wunderbares in sich, jedoch ohne Abbruch der Wahrscheinlichkeit und der Deutlichkeit. Wenn von dem Gebete gesagt wird, daß es den Zorn des Himmels entwaffne, so wird die Kraft desselben ungemein dadurch erhoben, allermassen es nach dieser Redensart sich des Allmächtigen selber, der schon im Antritt ist, die Sünder mit seiz nen verheerendeu Gerichten zu straffen, bemeistert und ihn zwinget, die Waffen des Verderbens als übermannet, niederzulegen. Es ist seltsam, daß man vernünftige Menschen durch ernsthafte Gesetze zum Leben zwingen muß, und da die übliche Redensart, mit dem Tode ringen, ges nugsam zu verstehen giebt, wie sauer es insgemeine den Menschen ankomme, das Leben zu verliehren, so ist der Ausdruck nach dem Tode ringen um so viel wunderbarer, und das Wort ringen behält hier, da die Rede von Kämpfern lautet, alle seine Kraft, der es durch die Zusammenschung fähig ist.

II. Die sächsische Schule. (§. 112.)

.1. Christian Fürchtegott Gellert. 1715-1769.

Christian Fürchtegott Gellert wurde den 4. Julius 1715 zu Haynichen, einem Städtchen im Erzgebürge zwischen Freiberg und Chemnit, geboren. Er war der fünfte Sohn des Diakonus und nachherigen Oberpfarrers M. Christian Gellert und der Frau Johanne Salome geb. Schüße, welche dreizehn Kinder hatten und größtentheils erzogen. Er genoß den ersten Unterricht in der Schule seines Geburtsortes, hatte dann einige Jahre lang Privatunterricht und bezog in seinem dreizehnten Jahre die Fürstenschule Meißen, wo er mit Gärtner und Rabener eine vertraute Freundschaft schloß. Nachdem er fünf Jahr in Meißen gewesen, bereitete er sich noch ein Jahr lang im Hause feines Vaters für die Akademie vor,

bezog im Jahre 1734 die Universität Leipzig und trieb daselbst vorzugsweise Philosophie, Theologie und. Literatur. Der Hoffnung Geistlicher zu werden entsagte er aber bald, weil seine Schüchternheit ihn daran hinderte, obschon er öfter auch mit Beifall gepredigt hatte. Nach vier Jahren rief ihn sein Vater nach Hause zurück und auf Val. Ernst Löschers Empfehlung wurde er Erzieher zweier Herren von Lüttichau unweit Dresden, bereitete dann ein Jahr lang seinen Schwestersohn für die Universität vor und ging selbst mit ihm nach Leipzig 1741. Hier ließ er sich bewe gen an den Belustigungen des Verstandes und Witzes" Antheil zu neh men und gab einige Fabeln, Erzählungen und Lehrgedichte, auch prosaische Abhandlungen, in diese Monatsschrift, wie er schon auf Schulen sich in der Dichtkunst versucht hatte; obschon er dort nur Günther, Neukirch und Hanke unter den deutschen Dichtern kannte. In den Streit mit Gottsched und Bodmer mischte er sich nicht und ehrte und achtete das Gute an beiden, stand auch im Briefwechsel mit Bodmer. Mit Joh. Elias Schlegel, Gärtner und Cramer errichtete er innige Freundschaften und der letztere disputirte unter ihm, als er 1744 eine Disputation de Poeli Apologorum eorumque scriptoribus (nachdem er schon 1743 Doctor phil. geworden war) vertheidigte, um das Recht zu erlangen, Col legia lesen zu können. Von dieser Zeit an las er über Poesie und Beredsamkeit, schrieb mehrere Schriften und gab 1746 den ersten Theil seiner Fabeln und Erzählungen, 1747 den ersten Theil der schwedischen Gräfinn, 1748 den zweiten, auch der Fabeln und Erzählungen und die Trostgründe wider ein sieches Leben, nachher bis 1754 die Lustspiele, Briefe und Lehrgedichte, 1756 die Sammlung vermischter Schriften und 1757 die geistlichen Lieder heraus. Da sein Ruhm sich weit auch über Deutschland hinaus verbreitete, wurde er selbst vom Hofe aufgefordert, sich um eine außerordentliche Professur und Pension zu bewerben und erhielt 1751 die Professur1 und hundert Thaler Pension. Schon jeßt litt er viel an Hypochondrie und fiel bis 1757 dreimal in ́tödtliche Krankheiten. Seine stille chriftliche Geduld ließ ihn aber Alles in Sanftmuth ertragen. Zärtlich hing er an seinen Freunden und es war ihm besonders schmerzlich, daß ihn die vertrautesten unter ihnen, die Verfasser der bremischen Beiträge, allmählich alle verließen, nur Rabener blieb noch eine Zeitlang in seiner Nähe. Der Beifall, welchen er auf der Universität erndtete, und der segensreiche Einfluss, welchen er übte, war sehr groß.2 Schr schön sagt sein Freund

1. Das Programm zu s. Antrittsrede als Profeffor de comoedia commovente ist von Leffing 1754. (S. Lessings Schriften von Lachmann. IV. S. 34. fl.), die Antrittsrede selbst von Heyer überseßt (f. Gellerts Schriften Lpz. 1840. III. S. 403.). - 2. Wie auch Göthe zu seinen Schülern gehört hat ist aus seinem Leben bekannt.

[ocr errors]
[ocr errors]

Cramer von ihm in seiner Lebensbeschreibung: Die Lehren aus seinem „Munde hatten die Anmuth eines stillen Sommerabends kurz vor dem „Untergange der Sonne, mit deren Entfernung die von ihr verschönerte „Natur nicht ihre Schönheit, aber die Lebhaftigkeit und den Glanz des ,,Tages verliert." Als man ihm bei dem Tode des Philosophen Müller 1761 eine ordentliche philosophische Profeffur (früher war keine erledigt) geben wollte, nahm er sie nicht an und das Gnadengehalt, welches Masfov bis zu seinem Tode 1761 genossen, musste ihm förmlich aufgedrungen werden durch die Verpflichtung, der akademischen Jugend durch seine Ges sellschaft und Unterhaltungen angenehm und nützlich zu werden. Dies ist er denn auch unter den schwersten Kämpfen mit immer mehr wachsenden Körperleiden bis an sein Ende geworden; doch kam er in den letzten fünf Jahren seines Lebens troß seiner Krankheit zu einer Stille des Herzens, die ihn beseligte. Er starb, wie er gelebt hatte, fromm und sanft den 13. December 1769.

Gellert war einer der redlichsten und frömmsten Menschen, welche die Welt gekannt hat, ein so edles reines Gemüth, das uns zu Bewunderung und Liebe hinreißt, wenn wir in sein stilles Seelenleben hineinschauen. Er war nach unsern Begriffen kein großer aber ein anziehender, edler und reiner Dichter und einer der besten deutschen Prosaiker. Noch immer liest man seine Briefe, sein Leben der schwedischen Gräfinn u. a. m. mit Vergnügen. Kein Dichter ist je volksthümlicher gewesen als er, und gleicher Ruhm, gleiche Bewunderung und Liebe ist ihm zu Theil geworden wie von den Fürsten seines Landes und Preußens und von dem großen Könige selbst, so auch von dem Niedrigsten im Volke, bis zu dem Bauer, der ihm für seine Fabeln eine Fuhre Holz brachte, und der schmutzigen alten Dienstmagd in Carlsbad, die seine Hände mit Küssen bedeckte. Er ist ein wahrer Volkslehrer im größesten höchsten Sinne des Wortes gewesen und ein Vorbild für Tausende geworden. -Als Oden und Liederdichter ist er am größßten und als solcher und Dichter von Fabeln und Er-zählungen am bekanntesten. Geringer und nach unsern Ansichten zu breit und gedehnt sind seine dramatischen Sachen. In der Prosa sind seine Briefe vortrefflich, auch sein Roman Leben der schwedischen Gräfinn wird einem unverdorbenen Geschmack noch immer gefallen. Seine moralischen Vorlesungen waren sein leßtes Werk und erschienen erst nach seinem Tode. Seine gesammelten Schriften hat er 1769 zum letztenmal herausgegeben und seinem Churfürsten geweiht. Nachher sind sie in vie len Auflagen erschienen. Leipz. 1775-84 in 10 Theilen. 1838 in Einem Bande. 1839 und 1840 in 10 Theilen, vornehmlich: C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. Neue rechtmäßige Ausgabe in sechs Theilen. Lpz. Weidm. Buchh, und Hahn'sche Verlagsbuchh. 1840. 12. mit seinem Bilde und einem fac fimile seiner Handschrift. — Diese Ausgabe enthält:

[ocr errors]

« ПредишнаНапред »