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in einem Jahr dreymal begegnet. Ich stoß all' Augenblick auf ein fatal heterogenes Gesicht, das mich drückt; muß 'naus in die freie Luft, aus Gottes blauem Himmel mit meinen Augen Erquickung zu trinken, daß mir wieder wohl werd' ums Herz.

Beispiel 2.

Aus den Volksmärchen.

Aus der Nymphe des Brunnens. (Ausg. v. Jakobs. Halle 1840. Bd. V. S. 3.)

Am Fuß des Schloßberges' verbarg sich tief im Gebüsche eine er giebige Felsenquelle, welche in einer natürlichen Grotte entsprang, die nach einer alten Volkssage von einer Brunnennymphe bewohnt seyn sollte, welche man die Nire nannte, und die Rede ging, daß sie sich bei sonder baren Ereignissen im Schlosse zuweilen sehen ließ. Zu diesem Brunnen lufts wandelte die edle Frau oftmals ganz einsam, wenn sie während der Abwesenheit ihres Gemahls außerhalb der düstern Burgmauern frische Luft schöpfen, oder ohne Geräusch Werke der Wohlthätigkeit im Verborgenen ausüben wollte. Sie beschied dahin die Armen, die der Pförtner nicht einließ, und spendete an gewissen Tagen nicht nur den Abhub ihrer Tafel an sie aus, sondern trieb ihre demüthige Gutherzigkeit zuweilen so weit als die heilige Landgräfin Elisabeth, die, mit stoischer Verleugnung alles widernden Gefühls, mit ihrer königlichen Hand an Sankt Elisabethen. brunnen oft Bettlerwäsche wusch.

Einsmals war Wackermann mit seinen Reisigen auf Wegelagerung ausgezogen, den Kaufleuten aufzulauern, die vom Augsburger Markte kas men, und verweilte länger als sein Verlaß war. Das bekümmerte die zarte Frau, sie wähnte, ihrem Herrn sey ein Unglück begegnet; er sey erschlagen oder in Feindes Gewalt. Es war ihr so weh um's Herz, daß sie nicht ruhen noch rasten konnte. Schon mehrere Tage hatte sie sich zwischen Furcht und Hoffnung abgeängstet, und oft rief sie dem Zwerg zu, der auf dem Thurm Wacht hielt: Kleinhänsel schau aus! Was rauscht durch den Wald? Was trappelt im Thal? Wo wirbelt der Staub? Trabt Wackermann an? Aber Kleinhänsel antwortete gar trübselig: Nichts regt fich im Wald, nichts reutet im Thal, es wirbelt kein Staub, kein Feder busch weht. Das trieb sie so bis in die Nacht, da der Abendstern herauf og, und der leuchtende Vollmond über die östlichen Gebirge blickte. Da konnte fic's nicht aushalten zwischen den vier Wänden ihres Gemachs; sie

1. In der Burg des Raubritters Wackermann Uhlfinger, der ein fanftes liebes Weib zur Hausfrau hatte. 2. Als er Angaben über seine Rückkehr hinterlaffen hatte.

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warf ihr Regentuch über, stahl sich durch's Pförtchen in den Buchenhain, und wandelte zu ihrem Lieblingspläßchen, dem Kristallbrunnen, um desto ungestörter ihren kummervollen Gedanken nachzuhängen. Ihr Auge floß von Zähren, und ihr sanfter Mund öffnete sich zu melodischen Wehklagen, die sich mit dem Geräusch des Baches mischten, der vom Brunnen her durch's Gras lispelte.

Indem sie sich der Grotte nahete, war's ihr, als ob ein leichter Schatten um den Eingang schwebe; aber weil's in ihrem Herzen so arbeitete, achtete sie wenig darauf, und der erste Anblick schob ihr den flüchtigen Gedanken vor, daß das einfallende Mondenlicht ihr eine Truggestalt vor. lüge. Da sie näher kam, schien sich die weiße Gestalt zu regen und ihr mit der Hand zu winken. Darüber kam ihr ein Grausen an, doch wich sie nicht zurück; sie stund, um recht zu sehen was es wär'. Das Gerüchte von dem Nirenbrunnen, was in der Gegend umlief, war ihr nicht unbe wußt. Sie erkannte die weiße Frau nun für die Nymphe des Brunnens, und diese Erscheinung schien ihr eine wichtige Familienbegebenheit anzu deuten. Welcher Gedanke konnte ihr jetzt näher liegen als der von ihrem Gemahl? Sie zerraufte sich ihr schwarzgelocktes Haar und erhob eine laute Klage: Ach des unglücklichen Tages! Wackermann! Wackermann! Du bist gefallen, bist kalt und todt! Hast mich zur Wittwe gemacht und deine Kinder zu Waisen!

Da sie so klagte und die Hände rang, vernahm sie eine sanfte Stimme aus der Grotte: Mathilde, sey ohne Furcht, ich verkünde dir kein Unglück, nahe dich getrost: ich bin deine Freundin, und mich verlangt mit dir zu kosen. Die edle Frau fand so wenig abschreckendes in der Gestalt und Rede der Nire, daß sie den Muth hatte die Einladung anzunehmen; fie ging in die Grotte, die Bewohnerin bot ihr freundlich die Hand und küßte sie auf die Stirn, saß traulich zu ihr hin und nahm das Wort: Sen mir gegrüßt in meiner Wohnung, du liebe Sterbliche, dein Herz ist rein und lauter wie das Wasser meines Brunnens, darum find dir die unsichtbaren Mächte geneigt. Ich will dir das Schicksal deines Lebens eröffnen, die einzige Gunstbezeugung, die ich dir gewähren kann. Dein Gemahl lebt, und ehe der Hahn den Morgen auskräht, wird er wieder in deinen Armen seyn. Fürchte nicht ihn zu betrauern: der Quell deines Lebens wird früher versiegen als der seine; vorher aber wirst du noch eine Tochter küssen, die in einer verhängnißvollen Stunde geboren, auf schwankender Wage des Schicksals Glück und Unglück dahinnimmt. Die Sterne sind ihr nicht abhold; aber ein feindseliger Gegenschein raubt der Verwaisten das Glück der mütterlichen Pflege.

Das betrübte die edle Frau sehr, da sie hörte, daß ihr Töchterlein

1. ihr, eigentlich: sie.

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2. Sie hatten zwei Töchter.

der treuen Mutterpflege entbehren sollte, und sie brach in laute Zähren aus. Die Nymphe wurde dadurch gerührt: weine nicht, sprach sie, ich will bei deinem Kinde Mutterstelle vertreten, wann du es nicht berathen kannst; doch unter dem Beding, daß du mich zur Taufpathe des zarten Fräuleins wählest, damit ich Theil an ihr habe Dabei sey eingedenk, daß das Kind, so du es meiner Sorge anvertrauen willst, mir den Wasch pfennig wiederbringe, den ich einbinden werde Frau Mathilde willigte in dies Begehr, darauf griff die Nire nach einem glatten Bachkiesel, und gab ihr solchen mit dem Beifügen, denselben durch eine treue Magd zu rechter Zeit und Stunde, zum Zeichen der Einladung zur Gevatterschaft in den Brunnen werfen zu lassen. Frau Mathilde verhieß dem allen treulich nachzukommen, verlor keins dieser Worte aus ihrem Herzen und begab sich nach der Burg zurück; die Nymphe aber ging wieder in den Brunnen und verschwand.

Empfindsamer moralischer Roman.

Johann Timotheus Hermes. 1738-1821.

Johann Timotheus Hermes wurde 1738 zu Peznick bei Stars gard in Pommern geboren, wo sein Vater Prediger war. Seine Mutter war eine treffliche Frau und der Sohn hatte sie immer im Auge, wenn er in seinen Schriften über das Weib redete. Auf der einen Seite war er schon als Knabe ein Genie und erfand sich selbst eine Methode ohne buchstabiren zu lesen, auch zeichnete er z. B. Pferde aufs ähnlichste, konnte sich aber auf der andern Seite gar nicht ausdrücken, bis auch hier eine Krankheit ihm Geist und Leben gab. Er wurde vom Vater selbst, dann von einem Hauslehrer unterrichtet und bezog später das Gymnasium zu Stargard, wo er vornehmlich die lateinische Sprache lieb gewann und mit Lust schrieb und sprach. Als er auf die Universität Königsberg gehen wollte, erlitt er bei der Seefahrt dorthin während eines Sturmes eine heftige Quetschung der Brust, worauf ein Blutsturz folgte und hatte auch in der ersten Zeit seines Universitätslebens mit großer Noth zu kämpfen. Arnold und Kant waren seine Lehrer. Der erstere würkte aber besonders auf sein Leben ein, ließ ihn den Grandison lesen und den Vortrag in philosophischen Stunden praktisch in Handlung übersehen, was den ersten Anlass zu Hermes späteren Romanschreiben gab. Von Königsberg ging er nach Danzig und Berlin. Hier schrieb er seine Fanny Wilkes als Vorläufer für Sophiens Reise. Er wurde dann Lehrer an der Ritterakademie in Brandenburg, dann Feldprediger beim v. Krockowschen Dra gonerregiment in Lüben in Schlesien, bald darauf Hof- und Schloßprediger in Ples in Oberschlesien am fürstl. Anhalt Köthenschen Hofe, bis er 1772

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nach Breslau berufen wurde. Hier hat er verschiedene geistliche Ämter verwaltet, bis er zuleht Propst zum heil. Geist und Oberconsistorial - Examinator wurde und in diesen Ämtern bis zu seinem Tode am 24. Juli 1821 gestanden hat.

Er hat sich auch als Prediger mündlich und schriftlich bekannt gemacht, doch ist er als Romanschriftsteller und Vorbereiter der empfindsamen Periode am berühmtesten geworden. Seine Sprache ist oft ungleich, oft hart und erkünftelt, oft lebendig und natürlich. Bei seinen Romanen muß man auch nicht übersehen, daß sie die ersten dieser Gattung im Deutschen waren und erst die Bahn brechen mussten; auch wollte Hermes durch dies selben mehr belehren und bessern als gefallen.

Seine Schriften sind folgende:

1. Geschichte der Miss Fanny Wilkes, so gut als aus dem Englischen übersetzt. Zwei Bde. mit Kupfern. Lpz. 1766. 8. dann 1770. 8. Dritte Aufl. 1781. 8.

2. Sophiens Reise von Memmel nach Sachsen. Th. 1. Lpz. 1770. Th. II. 1770. Th. III. 1771. Th. IV. 1772. Th. V. 1772. 8. Zw. Aufl. in 6 Theilen. Lpz. 1775. Dritte vom Verf. durchgesehene und vermehrte. Sechs Bde. Lpz. 1778. 8. Dieser Roman wurde mit großer Anerkennung aufgenommen auch die: Lieder und Arien aus Sophiens Reise von J. A. Hiller. Lpz. 1779. gr. 4." her ausgegeben. Er wurde zu Karlsruhe und Schaffhausen nachgedruckt, auch ins Holländische, Dänische und Französische übersetzt. — Er ist in Briefen mit Überschriften im Fieldingschen Geschmack geschrieben.

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3. Für Töchter edler Herkunft, e. Geschichte. Drei Theile. Lpz. 1787. 8. (Geschichte eines in schlechten französischen Pensionsanstalten erzogenen Fräuleins)

4. Manch Hermäon, im eigentl. Sinn des Worts, vom Verf. von Sophiens Reise. Zwei Bände. Lpz. 1788. 89. (Hermäon heißt Fund. Bd. 1. enthält die Geschichte eines Dienstmädchens und Bd. 2. Pufs, aus Sophiens Reise bekannt, und Briefe.)

5. Für Eltern und Ehelustige unter den Aufgeklärten im Mittelstande; eine Geschichte vom Verf. von Sophiens Reise. Fünf Bde. Lpz. 1789. 90. 8.

6. Zween literarische Märtyrer und deren Frauen, vom Verf. von Sophiens Reisen. Zwei Bde. Lpz. 1789.

7. Lieder für die besten bekannten Kirchenmelodien nebst zwölf Kommunionandachten. Breslau 1800. 8.

Außerdem hat Hermes mehrere Predigtsammlungen wie: Gele genheitspredigten, Predigten an die Kunstrichter und Prediger, Predigten

1. Se schreibt Hermes in den beiden ersten Theilen, statt: Memel.

für die Sonntage und Feste des ganzen Jahrs u. a. m., auch Andachts schriften, zwei Theile herausgegeben..

Beispiel 1.

I. Brief. (Th. I. S. 1.)

Enthält die Beranlassung zu Sophiens Reise nach Sachsen.

Die Wittwe E. an die Majorinn v. F. ihre Tochter.
Memmel, den 11. May 1761.

Wenn du, meine innigsgeliebte Tochter, auch dieses leßte Blatt nicht beantwortest, (denn nun werden meine zitternden Hände wohl nicht mehr schreiben!) so geh' ich mit der allerbekümmerndsten Ungewisheit aus der Welt. Mein Herz, dem alles entrissen worden ist, hängt fest an dir; bedenke selbst, ob dies Herz sich nur einigermaßen trösten kann, so lange ich auch nicht einmal das erfahren kann, ob du lebst? Doch ich will dir, mein liebstes Kind, keine Vorwürfe machen: es wird mir immer gewisser, daß deine oder meine Briefe verloren gegangen sind. Hättest du nur Eis nen bekommen: o gewiß du hättest mir geantwortet. Freylich können die Verwüstungen dieses entsetzlichen Krieges dich sehr entschuldigen: aber daß du mich, seitdem du vor beinahe zwey Jahren als Braut aus meinen Armen geführt wurdeßt, nicht durch Eine Zeile erfreut hast, das können Verwüstungen, wenn sie auch noch unmenschlicher wären, so wenig entschuldigen, daß ich auch die zärtlichsten Verweise aus meinen Briefen, wo du fie je bekommst, zurücknehmen und glauben will, daß alle unsre Briefe verloren sind. O! wenn ein Monarch nur Eine Wunde meines Mutterherzens fühlen sollte: ich weiß er würde, wenns möglich wäre, dem Blutvergiessen steuren. Wenn meine schwachen Augen nicht diese Finsternis des Alters empfänden: so würde ich dir sehr viel schreiben; aber ich bin nah an der Gruft. Und überdem drängt sich mein großer Kummer und die Menge meiner Wünsche für dich, so sehr in meinem Gemüth, daß ich die Feder hinlegen würde, wenn ich auch nur so lange 50 Jahr überlebt hätte, als ich schon 70 zurückgelegt habe.

Meine treue Sophie, deren Jugend ich erzeg, um eine Stüße meines Alters zu haben, wagt es in Gesellschaft ihres Bruders, der geftern hier angekommen ist, und zur Armee geht, diese lange Reise zu thun. Ich erstaune über diesen Muth, schreibe ihn aber eines Theils der Begierde zu, die sie hat, ihren Bruder zu begleiten, den sie seit ihrem vierten Jahre nicht gesehn hat. Sie verspricht mir dieses Blatt und die wichtigen Pa piere, die ich dir nun endlich überliefern fann, nur in Deine Hände zu geben. Dein Herz wird dir zwar alles sagen, was ich wünsche: ich muß dich aber doch bitten, für dieses liebe Mädgen alle erfinnliche Sorge zu tragen, und sie mir bald und sicher wieder zu schicken; denn diese Liebe von

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