Beispiel 6. An die Nachtigall. (II. S. 213.) Süfsefte der Nachtigallen, Schweige! denn ich bin allein. Liefseft du dein Lied erschallen, Scheelsucht käme bald zum Hain, In die grün gewölbten Hallen, Wo mir Thränen, füfs und rein, Heimlich in den Bufen fallen, Säh' es, und verrieth' es allen. Beispiel 6. Koridon. (II. S. 101.) In diefem holden Thal, auf diesen stillen Auen Verbracht' ich ehemals, Rofalien zu fchauen, Ein Frühlingstagen gleich vergnügt verflofsnes Jahr. Mein Finger brach hier oft, fanft irrend auf der Heide Danke, fprach fie, dem Ver- Alle Götter lieben mich: Beispiel 8. Die gebrochnen Schwüre. (II. S. 124.) Mit taufend Schwüren schwureft du, Phyllis, mir, Zu lieben unterlaffen wolltest, Würd' in dem Laufe der Rhein zurück gehn. Zurück, zurück, du König der Flüffe du! Fleufs zu der Quelle, der du entfloffen bift! Befchäme Phyllis Antlitz! Phyllis Ihr, meiner Seele feurige Fünkchen, ihr Schon zu den Himmlifchen gegangen. Doch wenn fie hier noch athmet, und Liebe mir Bewahrt, dann kehret eilendes Flugs zurück, Belebet meine Seele wieder Eh mich die Barke des Charon aufnimmt. Ach, unfre Freuden alle find Eitelkeit! Diefs ift die Eine fchöne Bekümmernifs, Beispiel 10. Abfchied von Frankreich. (III. S. 180.) Land, das mich, wie sein Kind, genähret, Sie kömmt, fie kömmt fchon an den Strand, Dafs du die andre nicht vergeffeft. Beispiel 11. Die Mädcheninfel.' (III. S. 159.) Ein elegisches Gedicht. Steine warf Pyrrha vor dem und der alte Deucalion Steine, Wo mein neidifches Loos mich Gefcheiterten hält? Mutter der Wolluft und Ruh, lafs diefen Felfen entspringen 1. Dies ist das Gedicht, welches von Knebel in Potsdam besonders hatte abdrucken lassen und das Friedrich II. in seiner Schrift über die deutsche Literatur, aller Wahrscheinlichkeit nach meint, wenn er (Ausg. Berlin 1780. 8. S. 9.) fagt: „Indeß will ich zu den Heroen, die ich genannt habe, noch einen Ungenannten hinzusehen, von dem ich reimlose Verse gesehen habe; die Cadenz und Harmonie derselben entstand aus der Abwechselung der Daktylen und Spondeen; sie waren voll von Verstand, und meinem Ohre wurde sehr angenehm durch den Wohllaut der Töne geschmeichelt, dessen ich unsre Sprache kaum fähig geglaubt hatte. Ich möchte behaupten, daß diese Art von Versification sich am besten für unsre Sprache schicke, und sehr große Vorzüge vor dem Reim habe. Wollte man sich bemühen, sie dadurch zu vervollkommnen, so würde man es wahrscheinlich hierin weit bringen." S. Friedrich d. Gr. Eine Lebensgesch. von J. D. E. Preuß. Bd. III. Berl. 1833. S. 349-350. Führt kein Wagen mich stolz durch lange Zeilen Klienten: Sitz' ich dennoch vergnügt meinen Freundinnen im Schoofs, Deren Auge mir ift, was andern helle Demanten, Oder Hesperus ift, der fich im Meere verjüngt. Bin ich vom Vaterland fern, das, mit nicht zärtlichen Händen, Mich zur Fremde verftiefs, und mir doch liebenswerth ift: Bin ich Alter doch nah den rofenfarbigen Wangen Meiner holdfeligen Schaar, ihrem ambrofifchen Kufs.- Eh mich der liebliche Ton der Säule Memnons erwecket, Zevs fieht neidifch mein Glück von der hohen olympischen Zinne, Aber Cythere, die mich zum Favoriten erkoren, Kömmt, nicht unfichtbar mir, nein, in gewohnter Gestalt Fährt fie von ihrem Paphos mit filbernen Schwänen herunter, Beut mir grüfsend die Hand, nennet mich Priester und Freund. Königinn, frag' ich vertraut, wo ist mein Bruder geblieben, Ohne den Amor ift mir kein Elyfium fchön! Siebe! dann lächelt fie füfs; schnell hüpft aus dem luftigen Schleyer, Der Aglajen umhüllt, Amor jauchzend hervor, Windet fich mir um den Hals, und küfst mich und grüfset mich Vater, Klopft die Wauge mir fanft, ringelt mein filbernes Haar, Treibt dann mit Zweigen von cyprifcher Myrte die lachenden Mädchen In die Thäler zurück, wo die Nachtigall heck!, Den ich ihr willig ertheil' und mit zwey Küssen vermehre, So geniels ich das Glück, Fortunen am Bufen zu liegen, Schreibt durch's Cyprifche Reich eilend ein Trauerfest aus; Balfamiret den Leib, und stellt mit feftlichem Pompe Mein wohlriechend Skelett hoch auf der Mutter Altar. Mit zerstreuetem Haar, in violettnem Gewande, Wie auf Anakreons Grab ehemahls Griechenland fafs, Aus den Thränen, die sie für mich aus Liebe vergiessen, - Diese vermählet vor meinem Altar mit meinen Gespielen Beispiel 12. Die beiden Kornähren. (III. S. 89.) Ein Windhalm ftieg empor, von keiner Laft gedrückt, Der Sprach zu einem Halm mit einer vollen Ähre: Wie kömmt es, dafs dein Haupt fo nach dem Boden nickt! Mein Freund, verfetzte der, dem Brüderchen zur Lehre, Ich ftünde freilich nicht fo tief herab gebückt, Wenn ich fo leer, wie du, in meiner Stirne wäre. Joft fteigt am Hof empor und ift doch ungefchickt; Der weife Lycidas lebt ohne Rang und Ehre. |