Beispiel 3. Die Krähe und der Reimer. Eine Fabel. (Verm. Ged. II. S. 392.)1 Als eine Kräh' einst ihr Gefieder Mit Pfauenfedern ausgeschmückt, Besah sie sich, und gleich schritt sie, von sich entzückt, Doch sie, die das verdroß, beraubten ihr Gefieder Der ihnen abgeborgten Pracht. Der kaum gewordne Pfau ward schnell zur Krähe wieder, Als einst ein Reimer seiner Lieder Mit Raub aus Britten ausgeschmückt: Las er sich selbst, und sah, von sich stets mehr entzückt, Doch bald sah er durch die den Diebstal seiner Lieder Der neue Haller ward zum magern Reimer wieder 1. Diese Fabel war früher schon erschienen und von Lessing getadelt werden. Hier hat sie Schlegel bedeutend abgekürzt. Hier hofft ihr das vergebens; Euch, Staub, hat Gott erwählet, Sein hohes Lob erzählet. Beispiel 5. Von der Seligkeit des Himmels. 1777. Mel. O Vaterherz, o Licht, o Leben. (ib. 128.) Jauchzt! Es ist eine Ruh vorhanden, Kein Mund läßt dort noch Seufzer hören. Stirb, Christ, getrost auf Jesu Namen, Beispiel 6. Der kräftige Trost, daß Gott alles wohl macht. Ein Trostlied. Mel. Jesu meine Freude. (Geiftl. Gefänge. Dritte Samml. S. 155.) Christ aus deinem Herzen Wenn schon Kreuz dich drücket, Sorgen stets mit dir erwachen; Soll die Wahrheit schweigen; Drohet ihren Zeugen Der Verfolgung Schwerdt; Will man deinen Glauben Dir vom Herzen rauben; Fleh zu Gott; er hört. Schäumt voll Wut Schon Flut auf Flut Wider dich der Hölle Nachen; Ist der Himmel trübe; Weicht das Glück Stets mehr zurück; Bürden abzunehmen, Hilft nichts Angst noch Grämen; Zähm deinen Schmerz! Du führst Christi Namen. Den Gott nicht läßt. Laß rings um dich Wetter krachen! Herrlich ist die Krone, Scheints dich nicht mehr anzula Mag doch die Welt Deiner Hoffnung spöttisch lachen! chen; Wohl wirds Gott doch machen. Wohl wirds Gott doch machen. Nun, so soll es bleiben Sen stets mein Ziel. Wunderbar mag Gott es machen; 5. Abraham Gotthelf Kästner. 1719-1800. Abraham Gotthelf Kästner war am 27. September 1719 in Leipzig geboren, wo sein Vater Dr. und Professor der Rechte an der dortigen Universität war. Als einziges Kind seiner Eltern wurde er sehr forgfältig, doch einfach, erzogen und nur vom Vater und Oheim, dem Dr. juris Pommer, im Hause unterrichtet. Leichte Fassungsgabe, glückliches Gedächtniss und lebhafte Lernbegierde förderten seinen Unterricht und die Frühreife des Geistes in dem Knaben erregte allgemeine Bewunderung. Auch der Unterricht in der Religion war lebendig, einfach und streng orthoder auf das Lesen der heil. Schrift gegründet. Alles was der Knabe lernte ergriff er mit Lust und Liebe, vor allem aber ergab er sich den mathematischen Studien und nie wollte er sein Gedächtniss ohne Überlegung arbeiten lassen. Schon im zehnten Jahre hielt ihn der Vater für reif, an seinen juristischen Vorlesungen Theil zu nehmen und mit dem zwölften Jahre wurde er als ftudiosus juris immatrikulirt, woncben er eifrig Mathematik und classische Sprachen trieb. Obwohl er sich bald der Neigung, nur Philosophie und Mathematik zu studiren, überwiegend hingab, wurde er doch im Jahre 1733 Notar, sich etwas verdienen zu können, war daneben ein fleißiger Schüler Gottsched's in der Dichtkunst und Beredsamkeit und rühmte sich dessen auch späterhin, obschon er auch, wie seine Vorlesung und manche Epigramme zeigen, seine Schwä chen wohl anerkannte. Er wurde auch Mitarbeiter an den Schwa- · beschen Beluftigungen des Verstandes und Witzes und schonte auch zuweilen der Schweizer nicht. Im Jahre 1735 wurde er Baccalaureus und im felgenden Magister der Philosophie in Leipzig. Im Jahre 1739, in seinem zwanzigsten Jahre, trat er selbst als. Docent an der Leipziger Universität auf und las Mathematik, Logik, Naturrecht und praktische Übungen in der Logik mit großem Beifall, daß ihm auch 1746 eine außeror dentliche Professur der Mathematik übertragen wurde, welche aber nur 100 Thaler eintrug, daß er sich zu manchen unfreiwilligen schriftstelleri schen Arbeiten genöthigt sah, um sich und die nun verwittwete Mutter zu crnähren. Nach zehn Jahren entschloß sich Kästner dem Rufe zur ordentlichen Professur der Mathematik und Physik nach Göttingen 1756 zu folgen und verheirathete sich kurz vorher mit Rosine Baumann, welche er innig liebte, aber schon 1758 durch den Tod verlor. Vier und vierzig Jahre lang ist nun Kästner Lehrer und eine Hauptzierde der Universität Göttingen gewesen und erwarb sich durch seine Vorlesungen und seine Schriften eine außerordentliche Berühmtheit. Er wurde allmählich Mitglied fast aller gelehrten Gesellschaften Europas und stand mit den bedeu tendsten Gelehrten in Briefwechsel. Der Cardinal Quirini überseßte se. gar zu Kästners Triumph dessen „kleine Theodicee" als eine Andachtsübung in lateinische Verse. Zu seinen bedeutenden Schülern gehört auch Karsten Niebuhr, welchen er selbst zu seiner Reise nach Arabien veran lasste. Er wurde als Vorsteher der deutschen Gesellschaft in Göttingen zugleich der Protector des Hainbundes, wie sehr auch seine Ansich ten über Pocsie von der der hochstrebenden Jünglinge jenes Bundes verschieden war.1 Im Jahre 1765 wurde er zum großbritt. und braunschweigschen Hofrath ernannt und genoß das große Vertrauen des Ministers Münchhausen, welches er nur späterhin sich verscherzte, da er seinen Hang zur Satire nicht zu beherrschen verstand. Hierdurch ist er vielen Menschen, besonders auch seinen Collegen lästig, und oft ist dadurch sein Character in ein falsches Licht gestellt worden, da, wie wenig Rücksicht er auch in Streit und Laune selbst auf seine Freunde nahm, doch sein Herz fern war von aller Bosheit und Hinterlist und er für durchaus bieder und ehrenwerth, das Gute aus edler Denkungsart und mit ́Aufopferung fördernd, auch fremdes Verdiens neidlos anerkennend und seinen Freunden und Verwandten unwandelbar treu anhangend immerdar erscheinen muß. Er starb, nachdem er sein goldnes Jubiläum als Magißter schon dreizehn Jahre überlebt hatte, sehr sauft am 20. Juni 1800 im ein und achtzigsien Jahre seines Alters. Kästner hat sich den Namen eines Poeten lediglich durch seine Epi gramme erworben und das epigrammatische Element bildet auch den cha rakteristischen Zug aller seiner Schriften. Die Epigramme sind meist negativer Natur, mehr voll Witz und Spott als Humor und Satire, kräftig und scharf, öfter schonungslos, daneben komisch, ergößlich und fïnnreich. Seine didaktischen Gedichte, welche Opitz und Haller zum Muster haben und unter denen das von den Kometen am bedeutendsten ist, sind zu 1) Vergl. darüber die treffliche Darstellung von Pruß: Götting. Dichterbund. Leipz. 1811. S. 186 ff. |