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habe. Mitten in meiner größten Beängstigung habe ich tausendmal an Sie gedacht, und da ich endlich erfuhr, daß ich alles verloren hatte, so fiel mir zu meiner größten Beruhigung ein, daß mir doch noch die Freundschaft meines Ferbers übrig sey. Es war ganz natürlich, daß mir dieses einfiel, da ich, Sie wissen es wohl, Sie von ganzem Herzen liebe, und da ich die Nachricht von meinem Verluste eben damals in Gegenwart Jhrer Mademoiselle Schwester erfuhr, die ich unendlich und doppelt hoch schätze, weil sie Ihre Schwester und meine Freundinn ist. Sie wird Ihnen von H*** aus von meinem Schicksale etwas gemeldet haben; erlauben Sie mir, daß ich es wiederhole.

Unsre Briefe sind so oft vergnügt und scherzhaft gewesen; dieser mag einmal traurig seyn. Nicht allzu traurig, ich gebe Ihnen mein Wort: denn mein Verlust, so weh er mir auch thut, hat mir doch nicht eine Thräne gekostet und mir keine unruhige Minute gemacht. Mir selbst ist das unbegreiflich. Es war weder Unempfindlichkeit noch Philosophie : eine Gnade von Gott war es, ich erkenne es dafür, daß ich mit der größten Gelassenheit mein Haus brennen sah, und mit eben der Gelassenheit hernach anhörte, daß alles verloren sey.

Der 19. Julii war dieser schreckliche Tag. Schon am 14., da unfre Noth angieng, war mein Haus der Gefahr am meisten ausgeseßt. Früh um acht Uhr zerschmetterte eine Haubißgranade das Zimmer meines Bedienten und zündete. Wir löschten damals noch das Feuer. Ich ließ meine Sachen, so gut es möglich seyn wollte, zusammenpacken und theils in den Keller, theils in ein Gewölbe schaffen, welches wir feste genug zu seyn glaubten. Weil sich aber die Gefahr vermehrte und es Kugeln und Karkassen auf die Gegend meiner Wohnung regnete, so flüchtete ich noch selbigen Abend um sieben Uhr nach Neustadt zu Herrn D*** meinen Bedienten aber ließ ich, mit seinem guten Willen, zurücke. Neustadt ward vom 15. an auch beschossen, und zwey Zwölfpfünder fuhren durch unser Haus, aber wir, waren doch mit dem Feuereinwerfen daselbst verschent.

So gefährlich und ängstlich dieser unser Aufenthalt war, so viel fo mische und lächerliche Auftritte kamen doch dabey vor. Die Madame 3*** mit ihrer Bedienung, und ich, waren die meiste Zeit bey Herrn H** in seiner Stube, und da schliefen wir auch. Hinten im Hofe, in zwey gewölbten Stübchen, stack die ganze D*** Familie und noch vierzig Personen, alt und jung. Die Fensterladen waren mit Miste verschüttet, der obere schöne Saal mit Miste bedeckt, und mit eben so viel Miste der ganze Hof bestreut. Unter diesem Miste lagen alle diese Personen. Einige waren stille und verdrüßlich, einige beteten und man sahe es ihnen

1. Brandkugeln.

am Maule an, wie sie mit ihrem Gott zankten, daß er es doch so weit habe kommen lassen, ungeachtet sie ihm nun seit vier Jahren die Ehre an gethan und fleißig gebetet. In einem andern Winkel saßen einige poli tische Kannengießer und machten für Daunen einen Operationsplan, wur den aber sehr uneinig, weil sie sich über den kleinen Nebenumstand nicht vergleichen konnten, ob sie den König von Preußen mit seiner Armee wollten zu Kriegsgefangenen machen, oder nicht lieber alles über die Klinge springen lassen. Ich war fürs lettere, aber ich ward überstimmt. Eine Priesterwittwe kriegte mich immer auf die Seite und zischelte mir ins Ohr: Wir sollten Gott danken! nur der lieben Religion wegen schöffe uns der König von Preußen todt und unsre Häuser in Grund. Aber, zum Henker, Madame, was haben meine Perucken mit der Religion zu thun? (denn kurz vorber hatte ich erfahren, daß eine dreyßigpfündige Granade meinen ganzen Apparatum von Perucken zerschmettert habe.) Lassen Sie es gut seyn, antwortete sie mir, es wird sich schon geben, danken Sie Gott dafür! Die verwünschte fromme Frau hat mich grausam gepeinigt. Ich und ein paar gute Freunde vertrieben uns die Zeit in unsrer Stube, und mich deucht, das war noch am solidesten gedacht. Unter dergleichen Abwechselung und Unruhe brachten wir den 19. heran, den schrecklichsten Tag meines Lebens. Schon um drey Uhr Nachmittags stund die Kreuzkirche, das Amthaus und meine Wohnung in voller Flamme. Ich lief vor in das Gouvernementshaus, (hier war es eben, wo ich die Frau Mama und Ihre Babet antraf,) und sah diesem Greuel der Verwüstung zu. Ich blieb einige Zeit dort und gegen fünf Uhr kam mein ehrlicher Bedienter mit der Nachricht, daß mein Haus niedergebrannt, das Gewölbe von den Bomben eingeschmissen und darinnen alles verbrannt, der ganz unbeschäs digte Keller aber von denen zum Löschen kommandirten Soldaten rein ausgeplündert sen. Das that weh, mein lieber Ferber, sehr weh; alle mein Hausrath, meine Kleider, Wäsche, Vorräthe, alle meine Bücher und Manuskripte, alle Briefe, die ich von Ihnen und andern guten Freunden so forgfältig gesammlet hatte, alles war verloren; von Sachen, die ich wohl auf drey tausend Thaler rechnen kann, habe ich nicht zehn Thaler werth gerettet. Der älteste Zeugrock, den ich anzog, um desto bequemer zu lö schen, eine alte abgelebte Perucke, die ich in eben der Absicht aufgesetzt, ein paar alte Hemden, die ich schon für meinen Bedienten bestimmt hatte, und ein Schlafrock: das war meine ganze Garderobbe. Die wißigen Manus skripte, welche nach meinem Tode sollten gedruckt werden, sind zum kräftigen Troste der Narren künftiger Zeit, alle, alle mit verbrannt. Nun verlohnt es beynahe die Mühe nicht, daß ich sterbe, weil nach meinem Tode weiter nichts gedruckt werden kann. Dieser Gedanke hatte mich bisher noch beruhigt, wenn ich, als Autor, an den Tod dachte; aber nun will ich immer leben bleiben und mich in die Welt schicken, so gut ich kann. Meine schönen

Bücher dauern mich sehr; aber mannichmal dauern mich doch meine Hem den noch mehr, und meine Kleider und meine Betten, und --- kurz, Ferber, ich bin so nackigt, wie ein Gratulant! Ein Glück für mich, daß ich noch meine Wechsel und Dokumente gerettet habe. An baarem Gelde habe ich nicht viel über vierzig Thaler verloren; aber wie viel baares Geld hat denn ein Steuersekretär, der ein Jahr in preußischem Depot und zwey Jahr unter der Vormundschaft der Landesdeputation gestanden? Das schmerzt mich am meisten, was ich durch die Plünderung verloren. habe. Einige von unsern Freunden, unsern Hülfsgenossen, unsern Errettern, Leute, die sich das größte Gewissen machen würden, am Charfreytage Schweinebraten zu essen, die plündern uns selbst in der größten Beängstigung, und brechen die Keller auf, in welchen man vielleicht vor der Wut der Feinde noch etwas hätte retten können. Sagen Sie es auf mein Wort in Warschau nach, daß uns die Feinde zwey Drittel verbrannt, und diese Freunde ein Drittel gestohlen haben; aber sagen Sie auch, daß alle ehrliebende von der Garnison, Officiers so wohl, als Gemeine, einen Abscheu vor diesen Gewaltthätigkeiten gehabt, und sagen Sie auch zum Ruhme unsers tapfern Kommendanten, daß er die strengste Ordre gestellt habe, diesem Unwesen zu steuern; doch hat es nichts geholfen: denn einen Räuber macht kein Galgen ehrlich.

Den Sonntag früh ward in Neustadt angesagt, daß, wer sich aus der Stadt retten wollte, es bald thun möchte. Eine neue Angst! Um acht Uhr früh gieng ich mit meinem Bedienten zum schwarzen Thore hinaus. In dem Ueberzuge von einem Kopftüssen stack mein ganzer Reichthum. Wir wadeten bey der grausamsten Hiße durch den brennenden Sand bis auf Saarens Weinberg. Das that ich in Gesellschaft der D*** Familie, welche, wie die Salzburger, emigrirte. Es schlug zwölf Uhr, und sie hatten noch keine Anstalt gemacht, etwas zu essen; zu trin: ken war noch weniger da. Ich versicherte die Gesellschaft, daß mich hungere und, dürfte, und ich, als ein Abgebrannter, sähe wohl, daß man nichts von der Welt habe, als was man mit dem Maule hinausbringe; Ich wünschte mir also zu essen und zu trinken; und weil die löbliche Gewohn heit abgekommen wäre, das Volk in der Wüsten mit Manna zu speisen, so wollte ich mich der Gesellschaft empfehlen und sehen, wo ich einen gu ten Freund fände, der sich nicht blos auf die göttliche Fürsorge verließe. Ich gieng und kam nach Loschwitz zu einem guten Freunde, bey dem ich willkommen und ziemlich gut versorgt war. Hier blieb ich bis Mittwochs früh, da ich ein Pferd bekam und nach ** ritt.

Seit dem berühmten Morgen, als der Ritter von der traurigen Gestalt sein Schloß verließ, um die göttliche Dulcinea zu suchen, ist kein so abentheuerlicher Ritt gesehen worden, als der meinige. Stellen Sie sich einen hohen Gaul vor, dessen eigentlicher Beruf seit funfzehn Jahren ge

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wesen war, im Karren zu ziehen; auf diesem Gaule den Steuersekretär Rabener, noch nicht völlig drey Ellen lang, und, die schweren Zeiten ungeachtet, anderthalb Elle im Durchschnitte; diesen Sekretär in ein paar zerrissenen Schuhen, schwarz seidenen Strümpfen, gestrickten Beinkleidern, einem beschmußten, alten und lebenssatten Zeugrocke, einer Haar: beutelperucke, welche seit der Belagerung nicht ausgekämmt und vielleicht seit der preußischen Invasion nicht gepudert war; hinter ihm ein Kornsack, in welchen der Rest seines Vermögens geflüchtet war, auf diesem Kornjacke einen bundfreißigten Schlafpelz, welcher, im Fall es regnete, zum Rockelor dienen sollte; zur Rechten gieng mein Bedienter, der eine Schachtel mit Brod und Braunschweiger Wurst trug, zur Linken der Monarch des Gauls, dem er von Zeit zu Zeit Muth zusprechen, und, wenn er stolperte, ihn mitleidig aufrichten mußte. In diesem Aufzuge kam ich endlich zum Amtssteuereinuchmer in H***, wo ich sehr wohl aufgenommen ward. Mein Quartier bekam ich im Städtchen, wo die Wirthinn eine bejahrte dienstfertige Frau war, voll von dem Ceremonielle, wie es unter Johann George des Vierten Regierung mochte bräuchlich gewesen seyn; der Wirth, ein feiner Mann, mein alter Schulkamerad, und bey ihm ein frisches rundes Mädchen, welche gute Hoffnung macht, daß sie ihren künftigen Eheherru wird ohne Hosen herumlaufen lassen. Hier wohnte ich. Die meiste Zeit brachte ich auf dem Schlosse zu, wo ich das Vergnügen hatte, die Frau Assistenzräthinn mit ihrer Familie und ganz unvermuthet ihre Mademoiselle Schweßter zu finden. In dieser vortrefflichen Gesellschaft habe ich zehn Tage lang mich so wohl und vergnügt befunden, daß ich zu manchen Zeiten gar vergaß, daß ich abgebrannt war. Der Amtmann und seine Frau sorgten für unsre Bequemlichkeit: beyde waren sehr ' dienstfertig und gasifrey; auch hatte sie Gott mit zeitlichem Vermögen ziemlich und mit Hunden und Katzen reichlich gesegnet.

Am 2. August fuhr ich mit der Frau Schwester zurück und bedauerte, daß mein Exilium nicht länger gewährt hatte. Nun bin ich hier und wohne bey der D***, welche, um ihren Geruch der Heiligkeit ferner, wie bisher, zu erhalten, mir das ganze Logis eingeräumet und sich bis Michaelis nach Borthen begeben hat; alsdann kömmt sie zurück und ich beziche mein neues Quartier.

Da haben Sie, mein liebster Ferber, eine lange Beschreibung meiner Abentheuer! Das übrige wünsche ich Ihnen mündlich zu erzählen; und wann? Bleiben Sie mein Freund. Ich liebe Sie ewig und küsse Sie in Gedanken. Versicheru Sie meine Ergebenheit allen Bekannten, welche sich ihres abgebrannten Freundes nicht schämen. Leben Sie wohl.

3. Johann Elias Schlegel. 1718-1749.

Johann Elias Schlegel war am 28. Januar 1718 in Meißen geboren, wo sein Vater, Johann Friedrich Schlegel,' Chursächsischer Appellationsrath und Stiftssyndikus war. Sein Ältervater, Chris stoph Schlegel, Oberprediger zu Leutschau in Ungern, war 1651 vom Kaiser Ferdinand III. mit dem Beinamen: von Gottleben in den Adelstand erhoben worden, den seine Nachkommen aber nicht beibehielten. Bis in sein 15. Jahr hatte Joh. Elias Schlegel Privatunterricht im väterlichen und im Hause seines mütterlichen Großvaters des Dr. Theol. und Superintens denten Wilke in Meißen und kam so gut vorbereitet auf die Landesschule Pforta, daß er in die 2. Abtheilung der 2. Klasse gesetzt wurde. Vier Jahre blieb er in der ersten Klasse, zeichnete sich überall durch seine Kenntnisse wie durch sein Betragen unter seinen Mitschülern aus und genoß bei ihnen der größßten Achtung. Auch sein Vater wirkte viel auf seine Studien und leitete ihn zur Dichtkunst an. So entwarf er auch schon auf der Schule 1737 seine erste Tragödie Hekuba, welche später in veränderter Gestalt unter dem Titel: Trojanerinnen erschienen ist. Nachher dichtete er: die Geschwister in Taurien," später Orest und Pylades genannt, was auf der Schule heimlich aufgeführt wurde, und die Neuberinn schon 1739 auf das Leipziger Theater brachte. Bald nachher ging Schlegel, welcher auch noch die Dido geschrieben hatte, selbst nach Leipzig, legte sich nach des Vaters Willen besonders auf Rechtsgelehrsamkeit und Redekunst und wurde auch Gottscheds Schüler, der damals noch in großem Ansehen stand. Bald aber, obschon Schlegel Mitarbeiter an Gottscheds deutscher Schaubühne war, wendete er sich von diesem ab und trat, ob er gleich nicht öffentlich gegen Gottsched schrieb, auf die Seite der Schweizer. Schon 1740 fing er seinen Hermann an und später, 1742, unternahm er ein episches Gedicht Herzog Heinrich der Löwe, was eben so wenig als eine kritische Geschichte dieses Herzogs be endigt wurde. Daneben hatte er mehrere Lustspiele verfasst, wie den ge schäfftigen Müßiggänger und verschiedene kritische Abhandlungen geschrieben. Als im Jahre 1741 die Beluftigungen des Verstandes und Witz es erschienen, war auch Schlegel neben Schwabe, Gellert, Rabener und Kästner Mitarbeiter und trieb daneben noch Geschichte, Sprachen, Mathematik und Theologie. Seit 1741 studirte auch sein jüngerer Bruder Johann Adolf Schlegel mit ihm und als dieser an den Blat tern gefährlich krank wurde, pflegte er ihn aufs sorgfältigste und rettete

1. Gellert nennt ihn einen rechtschaffenen, gelehrten aber unglücklichen Vater; wir wissen nicht, ob nur wegen des frühen Todes seines Sohnes. Cf. Gellerts Schriften Lpz. 1840, Th. 6. S. 346.

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