" hier bis nach Sachfen zu gehen, wollte ich ihr noch gern persönlich ver danken. Du kannst ihr wohl sagen, daß ich ihr das Erbtheil deines ver lornen Bruders zur Belohnung verschrieben habe; dich mein liebstes Kind hat ja Gott so reich gemacht, daß du ihr diese 18000 fl. gern gönnen wirst und daß Karl todt ist, ach Gott! das ist ja wol nur zu gewiß. Hier sage ich auch mit Young genug mein Herz!" ich bin eine höchst unglückliche Mutter! Meine Kinder! was sage ich? Kinder? ach! er ist ja nicht mehr auf Erden, dieser theure Sohn! - mein Kind, mein einziges Kind! meine zu sehr geliebte Tochter, o! möchtest du diese zitternden Züge meiner Hand, die dich segnet, noch sehen und möcht ich doch noch auf Erden erfahren, daß du lebst, und um mein seliges Ende betest! Wittwe E. Beispiel 2. IV. Brief. (Th. III. S. 24.) Sophie an Henrietten **, ihre Freundin zu Memmel. Danzig, den 7. August, Freitags Der Tag ist kaum angebrochen: aber meine liebste Henriette, ich kann nicht schlafen. Mein Gott, wie zerstört ist mein armes Gemüt! Lesen Sie diesen Brief nur meiner Mutter2 nicht vor: denn ich weis noch nicht was ich schreiben will. Einliegendes Zettelchen können Sie ihr geben, ale sei das alles was Sie heute von mir bekommen haben. . Ich gehe wie eine Kranke in meinem Zimmer umher. O Marie (so heist mein Mädchen) könt ich doch so sauft schlafen als du! Meine Henriette! was wolte ich sagen? Mein Herz ist geprest. Ich will versu chen ob ich ihm Luft machen kan. Aber ich kan nicht schreiben, und hier ist nichts zu meiner Erholung, kein Klavier nicht einmal ein Flügel! In Bohnsak kam mein Bruder' mir entgegen. Bald aus seiner Anrede merkte ich, daß seine iezige Gemütsart der Liebe werth war, mit der mein Herz mich drang, mich in seine Arme zu werfen. Vormals hat er Grundsäze gehabt, die mich mit mehr Furcht erfüllten als eine Schwe fter haben mus. Sie haben ihn nicht gesehn Gewis auf seinem Gesicht herrscht noch der Ausdruk seiner ehemaligen Gemütsart. O Gott der du so oft eine so fanfte Gewalt über Zweifler wirken lieffeft: bring mei: nen armen Bruder ganz zurüf, wenn du ihn, wie ich fürchte, noch nicht ganz gewonnen hast! Er spricht sehr viel vom Christentum: aber ich fürchte daß das kein gutes Zeichen ist. Sein Herz glaubt vielleicht schon fest zu seyn: o! wie bald kan es wieder wanken! 2. Jhrer Pflegemutter in Memel. 1. 6000 Rthlr. (Anm. des Verf.) 3. Dieser angebliche Bruder war ein Betrüger. Ich habe den gestrigen Morgen damit zugebracht, daß ich ihm einen Theil meiner Lebensgeschichte erzält habe. Ich mußte mit der traurigen Geschichte meines Vaters anfangen, denn er weis nichts von unserm Hause. Er weis nicht einmal daß unsre Eltern adelich waren, und ich habe es, da ich dies durch einen glücklichen Zufall gewar ward, ihm sorgfältig verschwiegen, um nicht ihn und mich in das Unglük zu stürzen das unzälig mannigfaltig ist, das aber mit Einem Wort verarmter Adel heist. Mir ist es geglüft das ganz zu vergessen, wenigstens so, daß ich wol in Jahrsfrist nicht daran gedacht habe. Doch läugne ich nicht, schäme mich auch nicht, Ihnen zu bekennen, daß dieser Gedanke, wenn er mir einfällt, ein Gefühl meines Verlusts mit sich bringt! Verschweigen Sie meine Geburt forgfältig meiner Pflegemutter ... Ach! ich fürchte hier, daß ich hochmütig bin! Mein Bruder soll dies nie erfaren, und wenn wir beide so reich würden als wir iezt arm sind (denn wir sind arm ... o Henriette, ich bin noch nicht Madame Van Vlieten' ... vielleicht sage ich Ihnen davon hernach mehr) Sie wissen, daß wie mein armer Vater zuerst das Ruder ergrif, um sein dürftiges Leben zu erhalten, ich sein Pettschaft ins Wasser werfen muste. Ich war fünf Jahr alt: aber ich weis die Worte noch, die er unter Thränen, in denen das Feuer der Abendsonne sich spiegelte, von seinen zitternden Lippen hauchte: Dies Wappen sagte er, war ein Ruf zu hohen Tugenden: aber dies Holz (indem er das Ruber aufhob) ,,dies Holz entferne mich von Menschen die nicht werth sind, daß die Tu,,gend sich um sie verdient mache! Du meine Tochter (und o! wie schluchzte ,,hier der Mann der erst so sanft weinte) du brauchst diesen diplomatischen ,,Ruf zur höhern Tugend nicht. Dein Elend wird dich zur stillen Häus,,lichen Tugend laut genug ruffen. Lebt dein Bruder, und weis er, daß ,,er Ahnen gehabt hat: so sag ihm, daß ich ihm verbiete, iemals an fie ,,zu denken. Ich geh nach Rusland; als Bootsknecht geh ich hin! Ift ,,ie (hier legte er die Hand an das Steuer) ein solches Nuder mein: o „Töchterchen! dann kann ich dich kleiden, dich erziehn“... Lassen Sie mich abbrechen! das Glück, meine Blösse noch einmal zu bekleiden, hat er erlebt: aber sein Gebet ist alles was er für meine Erziehung hat thun können. Und sein leztes Gebet in Ihrem Hafen: ich werde es nie vergessen. Er sah wie er Amen gesagt hatte die Memelschen Kirchen an: ,,Da wonen ia auch Christen sagte er, indem er mir seine Bibel hinreichte. „Nimt dich iemand dort auf: so leiste ihm alle Pflichten die dies Buch ,,von dir fodert" - und da war es doch in der That bedenklich, wenig. stens war es seine leßte Freude, daß ich beim Aufblättern dieses Buchs die Stelle fand: „Ich habe daselbst einer Witwe geboten, daß sie dich ,,verforge." 1. Der Schiffsherr Puf van Vlieten warb um ihre Hand. O stünde ich noch unter dieser treusten Pflegemutter Vorsorge! Wohlan, nichts soll mich abhalten in ihrem Dienst weiter zu reisen. Ich kan mich fast nicht enthalten, Ihnen zu sagen was in meinem Her zen vorgeht; und doch ists als würde mein Herz verschlossen, als solte ich alles zerreissen was ich geschrieben habe. II. Geschichtliche Profa. (§. 123.) Johann Joachim Winckelmann. 1717-1768. Johann Joachim Winckelmann wurde am 9. December 1717 zn Stendal in der Altmark geboren und war der einzige Sohn eines dortigen Schuhmachers. Unter Armuth und Noth brachte er seine Jugend hin. In der Schule seiner Vaterstadt zeichnete er sich bald aus und der Rector Tappert nahm ihn in sein Haus. Als dieser blind wurde, war Winckelmann sein Führer und Vorleser, auch Aufseher der Schulbibliothek und legte so den ersten Grund seiner spätern Kenntnisse. Im Jahre 1735 ging er auf das Cöllnische Gymnasium in Berlin und machte von hier aus eine Fußreise nach Hamburg, um auf der Auction der Bibliothek des berühmten Fabricius Ausgaben der Klassiker zu kaufen, wozu er sich unter weges bei Adligen, Beamten und Predigern Beisteuern sammelte. In Halle, wohin er um 1738 auf die Universität gegangen war, musste er sich kümmerlich durchbringen, wendete aber seinen Fleiß mehr auf die Stu dien der Literatur und des Alterthums als auf Theologie, besuchte mehr die Bibliotheken als die Hörsäle und nur ein Prof. der juristischen und philosophischen Facultät Gottfr. Sellius scheint ihn angezogen zu haben. Durch das Ordnen der Bibliothek des Canzlers Ludwig ward er mit die sem näher bekannt und durch ihn in die Anfangsgründe des Feudalrechts eingeweiht. Nachdem er Halle verlassen, wollte er nach Paris gehen, woran der Krieg ihn hinderte und brachte dann mehrere Jahre theils als Hauslehrer, theils auf der Univ. Jena zu, wo er medicinische und mathematische Collegia hörte, wie er auch in dieser Zeit Bayles großes Wör terbuch zweimal durchlas und sich Auszüge daraus machte. Das sehr ärm liche Amt eines Conrectors in Seehausen verwaltete er, unter eifrigen Selbststudien der Klassiker und der Geschichte, von 1743 bis 1748, in welchem Jahre der Minister Graf von Bünau ihn auf sein demüthiges Bitten bei seiner Bibliothek in Nöthenig bei Dresden als Secretair mit 80 Thlr. Gehalt anstellte. Hier machte er Auszüge aus Geschichtsschreibern und Chroniken für den Grafen, studirte aber daneben fleißig die Alten, sowie die Kirchenväter. Dresdens Nähe weckte seine Liebe zur Kunst Kunst und alle ihm übrige Zeit weihte er der Gallerie, wo er auch Lips perts und Hagedorns Bekanntschaft machte, vor allem aber den päpstlichen Nuntius Monsignor Achinto kennen lernte, welcher ihm die Aussicht auf eine Anstellung an der Vaticana in Rom machte, wenn er zur römischen Kirche übergehen wollte. Dies that Winckelmann nach manchem Kampfe im Sommer 1754 und ging nun nach Dresden, wo er bei Oeser wohnte und 1755 seine Gedanken über die Nachahmung der griechischen Kunstwerke herausgab, welche er dem König August III. widmete. Im Herbste 1755 reiste er darauf mit einem Jahrgehalte von 200 Thlen. auf zwei Jahre nach Rom ab und fand sich jetzt am Ziel seiner sehnlich ften Wünsche. Bald fand er auch Freunde, unter denen Mengs, der ersie Mahler des Königs von Polen, die bedeutendjie Stelle als Künstler und späterhin die Kardinäle Passionei und Alexander Albani als einfluffreiche Gönner einnahmen, die ihm selbst beim Papste Benedict XIV. Audienz und Schuß verschafften. Ganz der Betrachtung der Kunstwerke hingegeben lebte Winckelmann zurückgezogen, schrieb die schönen Beschreis bungen der vorzüglichsten alten Statuen und fasste die Idee einer Geschichte der alten Kunst. Im zweiten Jahre schloss er sich mehr dem Kardinal Archinto, feinem frühern Befehrer an und führte mit dem Baron von Stosch († 1757) in Florenz einen Briefwechsel. Sein Wunsch, Neapel zu sehen, ging im Frühjahr 1756 in Erfüllung. Er lebte hier fünf Wochen in Portici, aus welchem Aufenthalt die Berichte über die herkulanischen Alterthümer ihren Ursprung nahmen und besuchte auch Pästum. Im September 1758 ging er nach Florenz, um das Stofchische Steinkabinet für den jeßigen Besizer Muzel-Stosch zu ordnen und blieb neun Monat dort. Nach dem Tode des Papstes Benedict XIV. und des Cardinals Archinto wurde Winckelmann Bibliothekar und Aufseher der Alterthümer des Cardinals Albani, welcher auch Bibliothekar der Vaticana geworden war. Mit dem Grafen von Brühl machte er eine zweite Reise nach Neapel 1762 und widmete diesem nachher ein Sendschreiben über die herkulanischen Entdeckungen, schrieb auch Anmerkungen über die Baukunft der Alten und arbeitete an den Monumenti antichi inediti und an der Geschichte der Kunst. Im Jahre 1763 erhielt er neben andern Anträgen die Stelle eines Auf sehers aller Alterthümer in und um Rom (Antiquario della Camera Apostolica) und ein Jahrgehalt als Wartegeld bis zur Erledigung eines Scrittorats an der Vaticana. Indessen erschien auch 1764 in Dresden die Geschichte der Kunst und nach einer dritten Reise nach Neapel mit Heinr. Füßli aus Zürich gab Winckelmann: Nach 1. Wohl schon jest als würkliche Anwartschaft, wenigstens nennt er sich schon 1763 Scrittore der Vaticanischen Bibliothek. Pischon Denkm. IV. 41 richten von den neusten Herkulanischen Entdeckungen heraus. Ei nen Antrag nach Berlin schlug er 1765 des geringen Gehalts wegen aus, arbeitete an einer neuen Ausgabe der Geschichte der Kunst, schrieb auch Anmerkungen zur ersten Ausgabe und machte nach Beilegung einiger Misshelligkeiten mit den neapolitanischen Gelehrten im Septbr. 1767 eine vierte Reise nach Neapel, wo er auch den Ausbruch des Besuvs beobachtete. Im April 1768 trat er endlich eine lang vorbereitete Reise nach Deutschland an, wo er sowohl eine französische Übersetzung sei ner Geschichte der Kunst besorgen als Beiträge zu Ausgrabungen in Elis sammeln wollte; aber schon in Tyrol versenkte ihn der Anblick der schrof fen Felsenwände und späterhin die spißigen gothischen Dächer in solche Schwermuth, daß er von München und Regensburg wieder umkehrte und fein Begleiter Cavaceppi nur mit Mühe von ihm gewann, noch nach Wien zu gehen. Hier nahm ihn der Fürst von Kaunih achtungsvoll auf, doch zur Fortsetzung der Reise war er nicht zu bewegen, wurde selbst frank, blieb dann noch bis zum Juni in Wien und trat durch Ehrenbezeugungen und Geschenke ausgezeichnet feine Reise nach Triest an. Unterweges schloss sich ein Bösewicht, Francesco Archangeli, (früher Koch in Wien und mehrerer Verbrechen wegen erst zum Tode verurtheilt, dann des Landes verwiesen) an Winckelmann und schlich sich in sein Vertrauen ein. Als er in Triest vorgiebt nach dem Venezianischen gehen zu müssen, Abschied nimmt und Winckelmann bittet, ihm noch einmal seine goldnen Medaillen zu zeigen, durchbohrt er ihn mit fünf tödtlichen Messerstichen, entflieht aber durch ein Kind des Gastwirths gestört, ohne die Medaillen mitzunehmen. Nach sieben Stunden starb Winckelmann, welcher noch feinem Mörder verziehen und sein Testament gemacht hatte, am 8. Juni 1768 im ein und funfzigsten Lebensjahre. Sein Mörder wurde auf der Flucht ergriffen und einen Monat später in Triest hingerichtet. Winckelmann gehört zu den größßten und bedeutendsten Menschen, ein Meister in Schilderung der Kunstwerke und Anschauung ihres ursprünglichen Wesens, auf gleiche Weise gelehrt und kunstsinnig. Seine Sprache und Darstellung ist kräftig, blühend, gedankenreich, durchaus edel. Für alles Große und Gute empfänglich, ist er daneben ein treuer liebender Freund und ein edler Mensch. Von ihm sagt Göthe in seinem Winckelmann (Göthes Werke Ausg. leßter Hand. Bd. 37. Stuttg. Tüb. 1838. 12. . 66.) Er hat als Mann gelebt und ist als „vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken ,,der Nachwelt den Vortheil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu er „scheinen: denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt ,,er unter den Schatten und so bleibt uns Achill als ewig strebender Jung,,ling gegenwärtig. Daß Winckelmann früh hinwegschied kommt auch uns zu Gute. Von seinem Grabe her stärkt uns der Anbauch seiner Kraft, |