Seifriel 9. III. Ino. Eine Cantate. -(Ausg. 1800. II. S. 12.) Wohin? wo soll ich hin? Mein rasender Gemahl verfolgt mich. Ohne Retter 5 Kein Busch. kein Sumpf verbirget mich. 10 15 Grausame Königinn der Götter. Ungöttliche Saturnia, Wird Rachsucht dich ewig entflammen? Du hast dich an Semelen ja Mit Jupiters Blitze gerochen: Was hat die Schwester verbrochen? Ungöttliche Saturnia. Wird Rachsucht dich ewig entflammen? Ich hab' ein Götterkind ernährt. Ist kein Erbarmen unter euch? Hier schwank' ich unter der geliebten Last, Hier fliehet dem gescheuchten Rehe, 25 Der aufgejagten Gemse gleich, Des Kadmus königliche Tochter;' springt Durch Dorn und Hecken. 1. Semele, Jno's Schwester, Cadmes Tochter, war Jupiters Geliebte und wurde durch Juno, welcher sich in Semeles Amme verwandelt hatte, verführt, vom Jupiter beim Styx sich schwören zu lassen, ihr in seinem Götterglanze zu erscheinen. Da verbrannte Semele, Jupiter aber rettete ihr Kind, Bacchus, und gab es der Ino zur Erziehung. Nun ergrimmte Juno auf Ino und machte ihren Gemahl Athamas, König von Theben, rasend, daß er seinen und Ino's ältesten Sohn Learchus an einen Felsen zerschmetterte und Ino mit ihrem jüngsten Sohn Melicertes verfolgte. 2. Juno, Saturns Tochter. 3. Ausg. 1772,: Die königliche Tochter Kadmus. Nein, weiter nicht! hier mufs ich ruhn;" 30 Ich kann nicht höher klimmen . . . Götter! Ach, rettet, rettet mich! ich sehe Den Athamas: an seinen Händen klebt Er eilt, auch diesen zu zerschmettern. 35 0 Meer! o Erde! er ist da! Ich hör' ihn schreyen! er ist da! Ich hör ihn keichen! Jetzt ergreift er mich. 40 Nimm der gequälten Ino Seele! 45 50 55 60 Wo bin ich? o Himmel! Ich athme noch Leben? O Wunder! ich walle - O Wehe mir! mein Sohn! Mein Schutzgott! mein Erretter! O Wehe mir! mein Sohn! Ich seh' ihn! ihr Götter! Die Nymphen empor. Euch dank' ich dies Leben, Diefs bessere Leben? Euch dank' ich den Sohn? Ich seh' ihn ihr Götter! Ihr hängt um meine Schläfe zackige Korallen. 70 Und Perlen in mein Haar? Ich dank' euch, Töchter Doris!' Der freudetrunknen blauen Götter! Sie flechten Schilf und Lotosblätter Um meines Sohnes Haar. Seht, o seht die Schaar 75 Wie gütig, wie vertraut empfanget ihr Zwey Sterbliche, wie wir! 80 85 90 Ihr gebt uns eure Götterkränze Und zieht uns mit euch unter eure Tänze. Ungewohnte Symphonien Schlagen mein entzücktes Ohr. Panope! dein ganzer Chor Rufen laut:,,Leukothea ,,Ist zur Göttinn aufgenommen. Meint ihr mich, ihr Nereiden? Ihr allgütigen Erretter, O, mein Dank soll nicht ermüden, Und nun? Ihr wendet euch so schnell zurück? 95 Ihr eilt mit aufgehobnen Händen? O wehe! mein Sohn! Er ist mir entfallen! Er ist mir entflohn! Ich seh' ihn, ihr Götter! Von Nymphen umgeben: Stolz ragt er hervor. 1. Doris, ein Meergott. .. Welch ein Blick! Wew dank' ich diefs Leben, Ich seh ihn, von Göttern Auf 2. Pánope. Eine von den 50 Nereïden oder Doriden, Töchtern des Doris und der Nercus, vornehmlich als Göttinn des heitern und stillen Wetters angerufen. Auf einem perlenhellen Wagen Wird der Monarch der Wasserwelt Hoch auf dem Saum der Fluth getragen. Bis an den Himmel flammt der goldene Trident. Der du mit Allmacht dieses Element 105 Mir dein Geschenk, die Gottheit, anzutragen Ist hier dein Aufenthalt, mein König? oder brachten In diesen infelvollen Sund, Mich selbst in dein Gefolg', in deinen Schutz zu nehmen?' 110 Ach! ewig soll mein Dank, 115 Mit jeder Sonne soll mein lauter Lobgesang Tönt in meinen Lobgesang Tochter der Unsterblichkeit! 120 In die tiefste Meereshöhle 125 Senke dein gehäuftes Leid. Tönt in meinen Lobgesang, 1. Die Ausg. von 1772 liest statt 103-109: Vischon Denkm. IV. O Neptun, mein König! tragen Die Räder deines Wagens dich In diefen infelvollen Sund, und lassen Den Sonnenwagen hinter fich, Mir meine Gottheit anzufagen? 6. Anna Luise Karsch, geb. Dürbach. 1722-1791. Anna Luise Karsch geb. Dürbach, gewöhnlich die Karschinn genannt, wurde am 1. December 1722 auf einem Vorwerke, der Hammer genannt, im Schwiebuser Kreise geboren. Der Vater war der Pächter des Vorwerks und Brauer Dürbach oder Derbach, die Mutter, eine geborene Kuchel, war eine Förstertochter und da sie den Vater bald ver loren, bei ihren Pathinnen den Fräulein von Mohr erzogen und wird be: sonders ihres zierlichen Tanzens und ihres wunderschönen Gesanges wegen gerühmt, Talente, welche weit über ihren späteren Stand hinaus gingen; doch hatte sie nach damaliger Sitte nicht schreiben gelernt. Die Dichterinn war ein sehr hässliches Kind und darum der zierlichen Mutter, welche schon zwei sehr schöne Kinder verloren hatte, wenig angenehm. Die Kleine wurde der Großmutter zur Wartung übergeben, denn die Mutter konnte wenig auf sie achten und noch weniger, da der Vater starb, als die Kleine erst fünf Jahr alt war. Es gab auch keine Schule in der Umgegend und darum war es der Mutter sehr angenehm, daß ihr Oheim, der Amtmann Fetke, die Kleine mit der Großmutter, seiner Schwester, zu sich nahm und sie zum Theil selbst unterrichtete. Bald lernte sie lesen und fand be sonders große Freude an den Büchern der Makkabäer, welche selbst in ihren Spielen einen Hauptgegenstand ausmachten. Auch Schreiben lerute sie trotz dem Widerstreiten der Großmutter und machte auch im Rechnen gute Fortschritte, wogegen ihr das Stricken, welches die Großmutter lehrte, sehr wenig, zusagte. Als sie aber den Großonkel immer mehr antrieb, sie zu unterrichten und dieser nun halb scherzhaft aufing, sie in der lateinischen Sprache zu unterweisen, ließ die Großmutter der Tochter sagen, ihr Bru der ginge darauf aus, das Mädchen verrückt zu machen, sie müsse sie zu sich zurücknehmen. So nahm die Mutter, welche wieder verheirathet war, die zehnjährige Tochter troß des Großonkels Widerstreben wieder zu sich und von nun an beginnen die widrigen Schicksale der Dichterinn. Sie musste jetzt ihren kleinen Stiefbruder wiegen und warten und gewann ihn bald sehr lieb. Da wurde ein Jahr später der Stiefvater Hempel, ein aufbraufender brutaler Mann, aus der Pacht des Hammers verdrängt und musste in die kleine Stadt Tirschtiegel ziehen, wo er mit wenigem Glücke wieder einem Gasthof vorstand. Als auch die zwei jüngern Geschwister auf den Füßen waren und die Großmutter nach des Bruders Tod auch ins Haus zurückkam, musste das 13jährige Mädchen, was uns eben von der Einsicht der Mutter keinen großen Begriff giebt, drei Rinder täglich auf die weit entfernte Weide führen und dort hüten. Hier traf sie einst einen Knaben, welcher in einem Buche las und dieser, der äußerlich ungestaltet, aber ein heller Kopf war, versorgte das Mädchen nun mit Büchern, wie sie ihm zugänglich waren. Sonst lernte fie in ihrem dreijährigen Hirtenstande viel von Gegenständen der Na |