Der klagt die Seinigen, und jener fremde Noth, Opitz. v. Haller. von Haller. S. B. II. S. 359. Die didaktischen Stellen seines berühmten Gedichts, die Alpen, haben freilich mehr Werth, als die mahlerischen, obgleich jene nur zur Hebung und Verschönerung dieser leßtern bestimmt waren. Der Dichter fühlte selbst die Unbehülflichkeit des Ganzen, und den Zwang, den er sich durch die Wahl der zehnfylbigen Strophen, und durch den Vorsaß auferlegt hatte, in jede dieser Strophen ein besondres Gemåhlde einzufassen, und ihrem Schlusse jedesmal einen besondern Nachdruck zu geben. Auch fürchtet er, daß man in der Diktion dieses Gedichts noch manche Spuren des Lohensteinischen Geschmacks wahr. nehmen werde. Ist dieß der Fall, so haben doch freilich diese Spuren das Gepråge der beffern, und nicht ganz vers werflichen lohensteinischen Manier. Villig frei davon aber ift folgende Stelle, die eine schöne Schilderung der Alpenbez wohner und ihrer Lebensart, in den verschiednen Jahrszeiten, enthält. Aus dem Gedicht: Die Alpen. Entfernt von eitlen Tand der mühsamen Ge: Wohnt hier der Seelen Ruh, und flieht der Städte Ihr thatig Leben stärkt der Leiber reife Kräfte, ret, Kein geiles Eiter fåult, kein welscher Koch versäuret. 1 So So bald der rauhe Nord der Lüfte Reich verlies v. haller. ret, Und ein belebter Saft in alle Wesen dringt, Wann sich der Erde Schooß mit neuem Schmucke zies ret, Den ihr ein holder West auf lauen Flügeln bringt; Woraus noch kaum das Eis mit trüben Strömen Und eilt den Alpen zu, fließt, das erste Gras zu finden, Wo taum noch durch den Schnee der Kräuter Spike sprießt *) Das Vieh verläßt den Stall, und grüßt den Berg mit Den Frühling und Natur zu seinem Nußen kleiden. Und uns das Licht der Welt die ersten Blicke giebt, Er treibt den trågen Schwarm, von schwer beleibten Mit freudigem Gebrüll, durch den berhauten Steg, Und måhn das zarte Gras, mit scharfen Zungen weg; Er $ *) Im Anfange des Maimonats brechen, aus den Städten und Dörfern, die Hirten mit ihrem Vich auf, und zies hen mit einer eigenen Fröhlichkeit erst auf die niedrigen, und im Brachmonat, auf die hdhern Alpen. **) Ein Kraut, das in den Weiden allen andern vorgezogen wird. Sefeli foliis acute multifidis umbella purpurea. Enum. Helu. p. 43L. v. haller. Er aber sehet sich bey einem Wasserfalle, Wann der entfernte Strahl die Schatten nun Und Phōbus müdes Licht sich senkt in kühle Ruh, Der Kinder froh Gewühl frohlockt und spielt um ihn.. Wann nun von Titans Glanz die Wiesen sich ents zünden Und in dem falben Gras des Volkes Hoffnung reift; Eh' noch Aurorens Gold der Berge Hdh durchstreift. Ein lieblicher Geruch aus tausenden vermenget, Und ein frohlockend Lied begleitet ihre Reise. Bald, wann der trübe Herbst die falben Blätter Und sich die kühle Luft in graue Nebel hüllt, Der Der Birnen süß Geschlecht, die honigreiche Pflaus, v. Haller. me *) Reizt ihres Meisters Hand, und wartet an dem Baus me. Zwar hier bekränzt der Herbst die Hügel nicht Man preßt kein gåhrend Naß gequetschten Beeren ab: Für euch, o Selige! will das Verhängniß sorgen, gen. Allein es ist auch hier der Herbst nicht leer an Die List und Wachsamkeit auf hohen Bergen findt. Da seßt ein schüchtern Gems, beflügelt durch den Schres Durch den entfernten Raum gespaltner Felsen fort: C Hier *) Die am Fusse der Alpen liegenden Thäler find übers haupt voll Obst, welches einen guten Theil ihrer Nahrung ausmacht. **) Dieser Mangel an Wein ist den eigentlichen Alpen eigen, denn die nächsten Thäler zeugen oft die stärksten Weine, ganz nahe unter den Eisgebürgen, wie der feus rige Wein zu Martinach, am Fuß des St. Bernhards Bergs. |