Графични страници
PDF файл
ePub

Wanderungen an der Ifar und Loisach.

φοιτα ὑπ' αγριαν ύλαν ανα τ' αντρα και πετρας.·

1

[ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small]

Wir stehen an den Ufern der Isar, deren grüne Fluth sich schäumend zwischen Kiesufern daher wälzt. Es ist ein ächtes Kind der Alpen: klar, smaragdhell, rasch. Ueber ihren südlichen Lauf, dem entgegen gewendet wir dahinschreiten, dämmern jene ewigen Berge herauf, die auch dem alten Keltenvolke, das einst diesem Fluße den Namen ge= geben, in das waldige Land hineinschauten. Isara, die Reißende, schnell Wandelnde, heißt unser Strom in der Sprache des untergegangenen Geschlechtes. Er hat noch zwei Namensbrüder in den weiten Gebieten, welche in der Urzeit von keltischen Stämmen bewohnt waren; auch die Isère des südlichen und die Oise des nördlichen Frankreich hießen Isara.

Es war ein Volk, dessen Sinne der Natur offen waren, dieses Volk der Kelten. Das zeigen die Namen, die fie ihren Bergen, Seen, Flüssen gaben. Von diesen weiß ich

noch den Tanaros, den Donnernden, Labara, die Geschwäßige, Jlara, die Eilende. Von unserm Volke, das in den Fußstapfen der Flüchtigen und Verjagten vom Norden her in das Land zog, welches wir jezt unser Vaterland nennen, verstand Keiner mehr die Laute der Fortgewanderten. Aber die Namen, welche sie ihren Wäldern, Gebirgszügen, Strömen gegeben hatten, hafteten an der wechsellosen Natur. Erst uns, den späten Nachgeborenen, blieb es vorbehalten, den Sinn der räthselhaften Sprache aus spärlichen Denkmälern zu deuten.

Man hat München oft den Vorwurf gemacht, daß in seiner nächsten Nähe sich Partien befinden, deren Wildheit nicht die Nähe einer großen civilisirten Stadt ahnen läßt. Wenn das wahr ist, trifft es besonders von der weiten Fläche zu, die sich im Süden der Stadt ausdehnt und sich mit ihrem unftäten Geröll und ihren Uferweiden fast bis in ihre Straßen hineinzieht. Es ist eine Aue, gespalten von tiefen und seichten Rinnsalen, durchkreuzt von bald tosenden, bald träg sickernden Armen des Flußes. Weiden, Erlen, Birken, Tannen, Ginster, Wachholder strecken ihre triefenden Wurzeln aus unterhöhlten Uferrändern. Das rechte Ufer, oberhalb der südöstlichen Vorstädte, ist ein seltsames Labyrinth von Gestrüpp, Wasser, dichten Baumschlägen und sandüberschwemmtem Kies. Nirgends in Europa wird es möglich sein, durch solche Umgebung zu wandeln und zugleich die Thurmuhren einer Stadt schlagen zu hören, deren Einwohnerzahl sich mehr dem zweiten als dem ersten Hunderttausend nähert. Doch das geht mir, ich gestehe es, nicht nahe; im Gegentheile mir und Anderen meines Schlages ist es wohl, daß wir vor unserer Hausthüre den anmuthenden Reiz einer Natur genießen können, deren vielgestal

tende Willkühr nur wenig von dem Lineal der Verschönerer gestört wird. Anders mag der sonntäglich wandelnde gut gebürstete Bürger und das zartfußige Frauenzimmer denken, wenn die wunderbare Verklärung eines Maienmorgens sie etwa die Ufer des Stromes entlang lockte, der in der vollen Wucht seiner von dem Weiß der Alpengipfel genährten Frühlingskraft die Schleusen hinabdonnert und gegen die Wehre schwillt.

Doch auch für diese ehrenwerthen und liebenswürdigen Glieder des Gemeinwesens haben der Stadt ehrwürdige Väter in unsern Tagen die gebührende Sorge getragen, daß sie ohne von dem Untraut, was hinter den Büschen keimt und blüht, Notiz zu nehmen, über gut gebahnte Wege und licht gerodete Gänge die nächsten Wirthshäuser unbelästigt und ohne Umwege erreichen können. Freilich lechzt manches, vor einem Jahrzehent noch thauige, schattige Plätzchen jest kiesbedeckt in der Sonnengluth, doch zum Ersaße dafür kann man fahren, und stolz jagt der staubumwirbelte Fiaker dahin, wo damals Schmetterlinge über himmelblauen Gentianen geflattert. Gentianen - ja Gentianen, meine lieben Leser im Norden werden euer wunderherrliches Blau nicht kennen, kennen euch nicht und gar manche eurer Genossen, welche der Lenz hervorruft. Es sind Alpenblumen; die „subalpine Flora, “ so nennen die Gelehrten die vielen Blüthen, die da, fast alle in klaren, grellen Farben zwischen den Weiden am Strome emporkommen. Die Wasser des Flusses haben die Keime aus den tiefdunklen Wäldern des schlummernden Alpenthales herabgeschwemmt; sie ahnten nichts und ihre Blumen schauen jezt nach oben, wie dort, wo die son= nige Alpenmatte und der gleißende Firner auf sie herab: lächeln.

« ПредишнаНапред »