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3u einer Zeit, wo der deutsche Geschmack in Briefen noch sehr unbestimmt und im Aufkeimen war, machte sich Gellert um die schnellere Fortbildung und Beförderung desselben durch die Bekanntmachung seiner Briefe, nebst einer praktischen Abs handlung von dem guten Geschmacke in Briefen, nicht wenig berdient. Seine Absicht war, junge Leate, und besonders Vers fonen des andern Geschlechts, zu einer natürlichen Schreibart žu ermuntern, und andern, wo möglich, das Vorurtheil zu be nehmen, als ob unsre Sprache zu den Gedanken der Höflichkeit, des Wohlstandes, des Scherzes, und zu andern zarten Empfin Er wählte dungen, nicht bicgsam und geschmeidig genug fen.

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daju mit Recht solche Briefe, die wirklich, und ohne Absicht öffentlicher Bekanntmachung, geschrieben waren; und die Mane nichfaltigkeit ihres Inhalts und Tons, verbunden mit Leichtigs keit und Korrektheit der Schreibart, erwarben dieser Sammlung großen Beifall, und beförderten den rühmlichen Eudzweck ihrer Herausgabe sehr merklich. Zwar sind diese Briefe, die man imz mer in Rücksicht auf die damalige Lage unsers Geschmacks und Styls beurtheilen muß, nicht alle von gleichem Weeth; der fols gende gehört aber wohl gewiß zu den bessern.

Madam!

Das Landleben muß doch nicht für alles helfen. Ich bin seit vierzehn Tagen ein rechter Heavtontimorumenos. Lass sen Sie mich immer ein Wort brauchen, das Sie nicht

Der

verstehen, und das ich Ihnen vielleicht selbst nicht erklären
kann. Es schickt sich dem Klange nach gar zu gut zu meis
nem Charakter. Lesen Sie nur das Wort noch einmal
Es hat so was schwerfälliges und verdrießliches bei sich,
daß ichs nicht für vieles Geld gegen ein andres vertauschen
würde. Ganz gewiß muß es einen unzufriednen und
mürrischen Menschen bedeuten, mein Herz sagt mirs; und
wenn es auch was anders bedeuten sollte; so will ich doch
durchaus, daß es einen Unzufriednen bedcuten soll.
bin ich,~Madam! Ein vollkommner Heavtontimorumenos
bin ich seit vierzehn Tagen. Aber warum? Weil ichs
bin; weiter weiß ich Ihnen nichts zu sagen. Ich bin
viel zu verdrießlich, als daß ich nachsinnen sollte, woher
mein Verdruß kåme; und wie könnte ich auch ungestöre
verdrießlich seyn, wenn ich lange nachsinnen wollte? Ich
habe die schönste Gegend vor mir, und ich nehme mich sehr
in Acht, daß sie mich nicht rührt. Ich sehe sie an, und
denke nicht auf das, was ich sehe, sondern daran, daß ich
nicht zufrieden bin. Ich habe gute Bücher um mich hers
um liegen. Ich möchte dieses, ich möchte auch jenes lesen,
ich möchte sie alle lesen. Ich berathschlage, welches ich
lesen will, und nach langen Berathschlagungen nehme ich
ein anders, als ich gewählt habe. Ich lese, und fühle
nichts, und werfe es weg. Ganz gewiß sind meine Büs
cher zu lichte für mich. Die Gedanken sollten dunkel, die
Sprache sollte ångstlich seyn; dann würde ich lesen. Sa
gen Sie mir nur, Madam, ob ich etwa krank bin? Wenn
es doch der Himmel wollte! Denn, wenn ich nicht krank
seyn sollte: so müßte ich beinahe nårrisch seyn, und das
mag ich doch, ungeachtet meines Haffes gegen mich selbst,
nicht seyn. In den ersten Wochen konnte ich mich an den
inannichfaltigen Scenen dieser Gegend nicht satt sehen.
Ich flog von der Stube, um im Freien, durch Berg
und Thal, durch Fluren und Gebüsche, zu irren; und
wenn ich müte war, die Gemählde der Natur zu sehen:

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L

1

Ich

so ruhte ich in den vortrefflichen Bildergallerien des Herrn des Dorfs aus. Jeht komme ich nicht weiter, als von dem Pfarrhause auf den Kirchhof. Ich besehe die Leis chensteine, die hölzernen Kreuze, und ruhe nicht, bis ich einen halbverloschnen Namen herausgebracht habe. Wenn ich auf den Denkmalen die Worte finde: er starb alt und lebenssatt; so bewegt sich mein ganzes Herz. Ich fühle es alsdann recht eigentlich, daß ich des Lebens müde bin, aber vielleicht in keinem bessern Verstande, als ich es eins mal in meinem siebenten, oder achten Jahre war.. weiß nicht, was mir für ein kindischer Wunsch damals fehl geschlagen seyn mochte. Genug, ich warf mich unter einen Baum im Garten, und bat den Tod recht instan dig, daß er mich gen Himmel holen sollte; so verhaßt war mir die Welt. Kurz, Madam, wenn mir der Pfarrer den Kirchhof verschließen läßt, so weiß ich vor Angst nicht mehr, was ich anfangen soll. Aber warum kommen Sie nicht wieder in die Stadt, wenn Sie auf dem Lande so unzufrieden sind? Das weiß ich auch nicht, Madam. Ich glaube, ich warte darauf, daß Sie mich bitten sollen. Und wenn Sie mich bitten werden: so werden Sie mich nach meinen Gedanken nicht inständig, nicht herzlich genug gebeten haben, und da werde ich wies der aus Rache nicht zurück reisen wollen. Jeßt läßt mir mein Wirth die Scheere und das Federmesser sehr höflich Aber abfordern. Merken Sie diese List nicht? . . . wer hat denn gesagt, daß ich schwermüthig bin? Nein, unzufrieden bin ich nur, nicht bei mir. selber, dieß ist es alles; und deswegen läßt man mir das Federmesser ab fordern? Sagen Sies auf Ihr Gewissen, meine Freun din, können Sie aus meinem ganzen Briefe etwas an ders schließen, als daß ich mürrisch bin, daß ich selbst nicht weiß, was ich will, und wenn es hoch kömmt, daß ich hypochondrisch bin. Gut, ich bin es für mich, was kann denn das meinem Wirth verschlagen? Man lässt ja

einem

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einem jeden das Recht, lustig zu seyn, und mir will man die traurige Freiheit nehmen, niedergeschlagen zu seyn? Das ist artig! Sie sind Madam, Sie wehren mirs nicht.

mehr meine Unzufriedenheit klagen.

tausendmal billiger, Sie lassen Sich viel

Dieses sehe ich als

die größte Wohlthat an, und küffe Ihnen die Hand dai für, und bin Zeitlebens dafür Ihr ic.

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8

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Nicht lange nach seinem Tode wurde eine schäßbare Sammis fung seiner Briefe, begleitet mit Nachrichten von feinen Lebenss umständen und Schriften, durch Hrn. Weiße veranstaltet die man auch in der Folge mit in die vollständigere Sammlung seis ner sämmtlichen Schriften aufnahm. "Diese Briefe, fagt ihr wirklich von ihm und gar nicht geändert worden. Er dachte noch nicht daran, als er fie schrieb, daß sie jemals follten gedruckt werden; und die Lefer fehen ihn darin wirklich so, wie er sich seinen vertrauteßten Freuns den zeigte. Alles ist in diesen Briefen Wahrheit und Nas Wer bewundert ausserdem nicht in dem folgenden, und in mehrern von gleicher Veranlaffung, den in dem Sturm der schwersten Unfälle gesezten und heitern Mann?

Herausgeber, find alle nahm geschrieben,

tur."/

Dresden, am 9. August 1760.

Liebster Gellert!

Aus us meinem Briefe an den Herrn Commissionsrath, den ich Herrn W... vor etlichen Tagen zugestellt, werden Sie einige Nachricht von meinem traurigen Schicksal ersehen haben. Erlauben Sie mir, daß ich mich auch mit Ihnen davon unterhalte, denn ich finde eine große Beruhigung darinnen, wenn ich einem so lieben Freunde, wie Sie sind, mein Unglück klagen kann. Was die Umstände dieser Bes Tagerung überhaupt betrifft, so werde ich mich dabei wenig aufhalten, und mich auf ein Diarium beziehen, wel ches unter der Autoritåt unsers Gouverneurs heute herauss gekommen und sehr zuverlässig ist; nur von meinen eiges nen Zufällen will ich etwas melden. Am 14ten Jul. mit Anbruche des Tages fieng sich die Kanonade und das Einwerfen der Haubißgranaden auf die schrecklichste Art an. Früh um acht Uhr kam eine solche Granade in mein Zim

*mer,

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