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keit daselbst, und nun plöglich die ebenso unerklärliche Ergebenheit, welche er für die Vertheidigung meines Vaterlandes im Munde führte, ließen mich in ihm unwillkürlich etwas von einem „fahrenden Ritter" in modern- revolutionär - kriegerischem Stil vorausseßen. Die Sache meines Vaterlandes schien mir zu heilig, zu gerecht, als daß ich nicht einen entschiedenen Widerwillen gegen die Kampfgenossenschaft ähnlicher Elemente hätte empfinden sollen. Ferner widersprach Bem's günstiges Urtheil über Guyon, wie das entgegengeseßte über das Offiziercorps der regulären Truppen so schnurstracks meinen eigenen Erfahrungen, daß ich blutwenig Veranlassung darin fand, mir von Bem's Wirksamkeit auf dem Schlachtfelde dauernde Erfolge für mein Vaterland zu versprechen.

Uebrigens habe ich Bem, außer den erwähnten beiden Malen in Preßburg, nie wieder gesehen, noch bin ich sonst mit ihm in irgend einer directen Berührung gestanden.

Zehntes Capitel.

Ich

Gründe, welche mich zur Uebernahme des Armee-Obercommandos bestimmt hatten. beantrage die Räumung der Grenze, Kossuth die Besehung derselben. Kossuth's Unselbständigkeit. — Dessenungeachtet wünsche ich ihn zum Dictator. Die Gründe hierfür. Mein hierauf bezügliches Schreiben an den Landesvertheidigungs-Ausschuß. — Dic Contro versen zwischen Kossuth, dem Landesvertheidigungs-Ausschuß und Mészáros einer und mir andererseits. Belege hierzu.

Die Verfassung Ungarns war eines blutigen Kampfes werth. Die Nation hatte dies erkannt, und sich einmüthig erhoben, ihn zu bestehen. Ihr Führer war der Mann ihres Vertrauens - Kossuth.

Allein selbst nicht Soldat, unterschäßte dieser den Werth des Soldaten, und glaubte, der Donner der feindlichen Geschüße werde vor dem bloßen Kriegsgeschrei aus dem Stegreife zusammendeclamirter Volksmassen verstummen.

Soldaten darunter auch ich hatten ihn vor so arger Selbsttäuschung gewarnt. Er ließ die Warnung unbeachtet, und zahlte vor Schwechat ein schmerzliches Lehrgeld.

Nun trug er mir das Commando über die geschlagene Armee an.

Ich begrüßte diesen Schritt als einen Beweis, daß Kossuth seine antimilitärischen Schwärmereien dem Wohle des Vaterlandes für immer geopfert habe, und übernahm den wichtigen Posten in der klaren Ueberzeugung, daß der Kampf der Nation für ihre Gerechtsame ein Nothwehrkampf sei, in dem festen Vertrauen, daß er es bleiben werde;

übernahm ihn, weil ich die Berufung hierzu in mir fühlte, und durch deren Verleugnung meine Pflicht gegen das Vaterland verlezt haben würde; endlich weil, je höher ich stand, desto wahrscheinlicher mir die Möglichkeit schien, meine Mitbürger durch mein eigenes Beispiel zu jener Hingebung für die gerechte Sache des Vaterlandes zu begeistern, ohne welche an Rettung nicht zu denken war.

Allein schon in den ersten Tagen meiner neuen Wirksamkeit sollte ich erfahren, daß der Tag von Schwechat die Civil-Machthaber weder von dem Irrthume, bei der Verwendung der Streitkräfte die politischen Rücksichten auf Kosten der strategischen vorwalten zu lassen, geheilt, noch von der Wiederholung des Experimentes, den Krieg ohne Soldaten zu führen, abgeschreckt hatte.

Mein Vorschlag, auf dem rechten Donauufer mit dem Gros der Armee bis Raab, mit den Vortruppen bis Wieselburg (Moson) zurückzugehen; am linken aber Preßburg und die Hauptübergänge über das Weiße Gebirge (Fehér hegyek) blos mit isolirten starken Abtheilungen besezt zu halten, welche beim Vordringen einer feindlichen Uebermacht einerseits auf Leopoldstadt (Lipótvár), andererseits auf Komorn (Komárom) ihren Rückzug zu nehmen hätten; ferner die active Armee zu reorganisiren, den Siß der Regierung und des Reichtages hingegen, sammt der Cadres der fünftigen Bataillone, hinter die Theis zu verlegen, und den Spätherbst zu Truppenerrichtungen, Anlegung von Magazinen, Depôts, überhaupt zur Begründung einer verläßlichen geregelten Kriegsmacht zu benußen, ward verworfen. Die Grenze müsse beseßt bleiben, und die Reorganisirung der Armee angesichts des Feindes durchgeführt werden, hieß es entgegen; denn mit jeder Handbreit verlorenen Landes fiele ein Theil des Volkes von uns ab. Die Sympathien desselben für die Aufrechthaltung der Verfassung seien noch zu wenig tief begründet, um schon jezt dem rauhen Windstoße einer für uns auffallend unglücklichen Wendung des Kampfes widerstehen zu können. Es müsse demnach vor allem die entmuthigende Wirkung der Nachricht von der, bei Schwechat erlittenen Niederlage, durch die Behauptung der Grenze möglichst gemildert werden. Dann sollten die Bewohner, namentlich des dem Size der österreichischen Regierung zunächst gelegenen Theiles

von Ungarn, sich des frühern Verhältnisses zu Desterreich in der fürzesten Zeit entwöhnen, indem sie durch die Grenzsperre nachhaltig genöthigt würden, ihre Handelsverbindungen mit den außerungarischen Ländern Desterreichs abzubrechen, ihre mercantile Thätigkeit auf das Inland zu beschränken, und dadurch die Grenze Ungarns gegen Desterreich desto schroffer zu markiren. Durch die hermetische Grenzsperre sollten übrigens auch noch die Ausfuhr der Lebensmittel nach der Residenz, zum Nachtheile der in und um dieselbe concentrirten feindlichen Armee, gänzlich verhindert, der Aufkauf der in den Grenzcomitaten aufgespeicherten Getreide- und Heuvorräthe, und die Aufspeicherung derselben in dem Komorner Festungsrayon gedeckt, und dem neuen ungarischen Papiergelde ein günstiger Markt gesichert werden.

Vergebens machte ich darauf aufmerksam, wie man bei alledem durch die Grenzbeseßung nur vorübergehende Nebenvortheile anstrebe, und dafür den nachhaltigen wichtigsten Vortheil, welchen uns der Besiz einer wohlorganisirten Streitmacht sichern würde, preisgebe, weil die Reorganisirung der Armee während des (in so ausgedehnter Aufstellung) aufreibenden Vorpostendienstes an der Grenze, höchst erschwert, ja nahezu unmöglich sei.

Ich wurde überstimmt, und konnte von stens gegen die Reorganisirung der Armee

Glück reden, daß mindeworunter ich nicht we

niger als die Auflösung der Nationalgarden und Freiwilligen - Bataillone und die Errichtung ordentlicher Honvéd-Bataillone aus dem hierdurch gewonnenen Materiale verstand keine Einsprache geschah.

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Allein kaum hatte Kossuth Preßburg verlassen, um nach Pest zurückzukehren, als meine Wirksamkeit auch in dieser Richtung auf das hartnäckigste gehemmt zu werden begann.

Nun hatte ich schon während des mehrtägigen Aufenthaltes des Präsidenten in Preßburg häufig Gelegenheit zu der Wahrnehmung gefunden, daß dieser meinen rein militärischen Rathschlägen nicht etwa aus eigener, selbständiger Ueberzeugung, sondern blos in Folge des höchst nachtheiligen Einflusses einer für die Förderung unserer guten Sache eben nicht sehr glücklich gewählten Umgebung entgegentrete. Die Schwierigkeiten, welche er plöglich von Pest aus gegen die Reorgani

sirung der Armee nach meinem Vorschlage erhob, nachdem er doch in Preßburg damit vollkommen einverstanden schien, bestätigten obige Voraussetzung unverkennbar. Die Quelle dieser Schwierigkeiten konnte, meiner Ansicht nach, nur wieder in fremden Einflüssen, und zwar sehr wahrscheinlich in denen der Mitglieder des LandesvertheidigungsAusschusses liegen. Ich kannte diese Mitglieder zwar kaum dem Namen nach, allein es reichte hin zu wissen, daß diese ebenfalls keine Soldaten waren und daß die Macht der Heerführer allerwege ein Dorn im Auge der Civilgewalt gewesen.

An solch armseliger Eifersüchtelei aber konnte die Rettung des Vaterlandes, selbst bei der heldenmüthigsten Ausdauer der Nation im Kampfe, scheitern. Es kam also Alles darauf an, eine oberste Gewalt im Staate zu schaffen, welche unumschränkt sogleich über alle derlei Eifersüchteleien erhaben wäre.

Diese Gewalt aber mußte in einer Hand liegen: es fonnte nur die Dictatur sein. Der in jener Zeit einzig und allein mögliche Dictator Ungarns war Kossuth.

Obschon nicht ganz berufen hierzu, da er kriegsunkundig und der bei dem modernen System der Kriegführung gleichwohl unabweichbaren Maßregel, stehende Heere zu unterhalten, abgeneigt war: schien er mir dennoch dem guten Fortgange unserer Sache ungleich weniger hinderlich, als ein seiner Natur nach praktisch unverantwortliches RegierungsCollegium, wie der Landesvertheidigungs-Ausschuß, auf dessen Wirksamkeit sich das Sprüchwort von den vielen Köchen oft sehr treffend anwenden ließ.

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Als Dictator so combinirte ich müßte Kossuth seinen Aufenthalt bei der Hauptarmee des Landes wählen, also bei der obern Donauarmee. Einmal längere Zeit in seiner unmittelbaren Nähe, hoffte ich ihn bald für meine Ueberzeugung zu gewinnen, daß die Rettung des Vaterlandes nicht anders als mit Hilfe einer wohldisciplinirten Streitmacht, also weder durch Nationalgarden noch durch Freiwilligen-Corps, möglich sei. Und hätte die Theorie hierzu nicht ausgereicht, so konnten neue praktische Erfahrungen à la Schwechat in kürzester Zeit das Uebrige thun.

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