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kein Stück der Gesellschaft mehr Ruhm und Geld ein, als der Hamlet mit Betterton in der Titelrolle. Colley Cibber, welcher im Jahre 1690 ein Mitglied der von Betterton geleiteten Gesellschaft wurde, spricht von ihm in den Ausdrücken der höchsten Bewunderung. Betterton, sagt er, war ein Schauspieler wie Shakespeare ein Dichter, beide ohne Nebenbuhler, beide geschaffen zu gegenseitiger Unterstützung und Verherrlichung ihres beiderseitigen Genius.' Von allen seinen Rollen stellt auch er den Hamlet oben an. 1 Wir sehen also, wie die von Shakespeare ausgehende Auffassung und Darstellung des Hamlet sich auf drei aufeinander folgende Schauspieler, und durch sie auf eben so viele Zeitalter fortpflanzte, denn dass die Burbage, die Taylor und Betterton nicht nur auf jeder Bühne, sondern auch in jeder Scheune nachgeahmt wurden, bedarf kaum der Erwähnung. Zwei dieser Hamletspieler, Burbage und Betterton, erfreuten sich des stolzen Beinamens des englischen Roscius 2 Beweis genug, wie uns dünkt, für Shakespeare's Grösse auch als Schauspieler, und dass er mehr als Hamlet's Geist zu spielen verstand.

Betterton wurde als Shakespeare - Darsteller von dem dritten englischen Roscius, David Garrick (1716-1779), abgelöst, der sich gleichfalls als Hamlet auszeichnete. Bei der Verehrung, welche Garrick für Shakespeare hegte, lässt es sich kaum anders denken, als dass auch er, so weit es seine Eitelkeit zuliess, sich der bis auf den Dichter zurückreichenden Überlieferung in der Darstellung dieser Rolle anschloss. Bei der Unmöglichkeit, hier auf die Einzelheiten des Garrick'schen Hamlet einzugehen, möge es genügen, auf die kurze Besprechung desselben in The Dramatic Censor, Lond. 1770 Vol. I, p. 33 sq. (das Buch ist Garrick gewidmet) und auf die ausführlichere geistvolle Schilderung von Lichtenberg im Deutschen Museum 1776 zu verweisen. 3 Im Gegensatz zu diesen Lobrednern spricht Knight tadelnd von Garrick und meint, er habe namentlich am Hamlet bewiesen, dass er Shakespeare nicht verstanden habe. Er bezieht jedoch diesen Tadel nicht sowohl auf sein Spiel, als vielmehr auf seine Bühnenbearbeitung des Hamlet, in welcher u. A. die Todtengräberscene gestrichen war, eine Verballhornung, gegen die sich schon damals das Londoner Publikum entschieden er

1 Knight Studies of Sh. 514. 2 Hallam Introduction III, 518.

3 Bd 1, S. 562-574. Lichtenberg's Schriften herausg. von L. Chr. Lichtenberg und Kries, Göttingen 1801. III, 239 folgg.

4 Knight Studies 553.

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klärte, indem es Garrick's Theater den Rücken kehrte und sich nach Coventgarden in den unverstümmelten Hamlet drängte. Diese Misshandlung des Zurechtstutzens für den jedesmaligen Zeitgeschmack und die sogenannten Anforderungen der Bühne hat Hamlet gleich so vielen andern Stücken des unsterblichen Dichters wiederholt über sich ergehen lassen müssen, gleich wie er mit ihnen auch das Schicksal getheilt hat, der Reihe nach von jedem Herausgeber nach Kräften zergliedert und kritisirt zu werden. Welche Verkehrtheiten dabei zu Tage gekommen sind, davon liefert sogar Dr. Johnson einen merkwürdigen Beleg, indem er als einen Vorzug des Stückes u. a. hervorhebt, dass Hamlet's verstellter Wahnsinn viel Heiterkeit errege, obgleich kein genügender Grund für denselben vorhanden sei. Im Allgemeinen weiss er dem Stücke kein grösseres Lob zu zollen, als das der Abwechselung, die er als den Grundcharakter desselben bezeichnet. Ein anderer Kritiker, J. Plumptre, hat es sogar unternommen darzuthun, dass Shakespeare mit dem Hamlet einen mittelbaren Tadel der Maria Stuart beabsichtigt habe.2 Im Gegensatze zu solchen Missgriffen müssen wir noch schliesslich des grössten englischen Ästhetikers gedenken, der auch den Hamlet wahr und tief erfasst hat, wir meinen S. T. Coleridge, welcher in seinen Vorlesungen die Erfindung und Durchführung des Charakters des Hamlet unbedingt für das Schönste erklärt, das erreichbar sei. Shakespeare, sagt er, hat uns im Hamlet die Lehre einprägen wollen, dass das Handeln der Hauptzweck unseres Daseins sei, und dass alle Fähigkeiten des Geistes, wie glänzend sie auch sein mögen, werthlos, ja unheilvoll sind, wenn sie uns dem Handeln (action) entfremden. In der Einschärfung dieser sittlichen Wahrheit habe Shakespeare die ganze Fülle und Gewalt seiner Begabung entfaltet.

Erst ein Jahrhundert nach Shakespeare's Tode fingen seine Werke an in Frankreich bekannt zu werden, das doch nur durch einen schmalen Kanal von dem gegenüberliegenden England getrennt ist, und vorzugsweise der Hamlet war es, welcher diese Bekanntschaft einleitete und vermittelte. Der glänzendste und bis auf den heutigen Tag gefeiertste Name in der ganzen französischen Literatur, Voltaire, war dazu bestimmt, seine Landsleute mit der Ultima Thule der englischen Literatur

1 Z. B. auch von Kemble. Lond. 1800.

2

An Appendix to Observations on Hamlet. London, 1797.

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Seven Lectures on Shakespeare and Milton, by the late S. T. Coleridge, &c. By J. P. Collier. London, 1856, p. 148 sq.

und mit Shakespeare insbesondere bekannt zu machen. Voltaire rühmt sich in seinem bekannten Schreiben an die Akademie vom 25. August 1776, dass er vor etwa 50 Jahren der erste Franzose gewesen sei, der die englische Sprache erlernt habe, der erste, welcher Shakespeare in Frankreich einführte und einige Bruchstücke desselben frei, wie man Dichter übertragen müsse, übersetzte, der erste endlich, welcher Pope, Dryden, Milton, Newton und Locke bekannt machte. Wäre Voltaire überhaupt im Stande gewesen, sich in eine fremde Sprache und Volksthümlichkeit hineinzudenken und eine fremde Individualität anzuerkennen, so hätte ihn sein Lebensgang allerdings befähigen können, die geistigen Zustände Englands kennen zu lernen und sich mit der englischen Sprache und Literatur vertraut zu machen. In seinem 31. Lebensjahre aus Frankreich verbannt, flüchtete er nach England, wo er fast zwei Jahre (1726-1728) in Wandsworth bei London zubrachte und mit den bedeutendsten literarischen Persönlichkeiten, mit Pope, Bolingbroke u. A., persönliche Bekanntschaften anknüpfte. Nach seinen eigenen prahlerischen Versicherungen benutzte er diese Musse zum unausgesetzten Studium der englischen Sprache und gewöhnte sich englisch zu denken. 2 Er schrieb sogar den ersten Akt seines Brutus in englischer Prosa 3 und gab unter seinem Namen zwei Aufsätze über die Bürgerkriege in Frankreich und über die epische Poesie heraus, welche in vollkommen idiomatischem Englisch abgefasst sind. Allein die Gegner, welche er namentlich durch das erwähnte unverschämte Schreiben an die Akademie wider sich aufbrachte, haben ihm übereinstimmend auf das Schlagendste nachgewiesen, dass seine Kenntniss des Englischen im höchsten Grade oberflächlich, unzuverlässig und schülerhaft war, dass die beiden englischen Abhandlungen unmöglich von ihm geschrieben sein können wenigstens nicht in der Gestalt, in der sie veröffentlicht worden sind, und dass er die Stellen, welche er aus dem Shakespeare übersetzt hat, mit Hülfe des

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1 Oeuvres Complètes de Voltaire. Gotha 1784-1790. Vol. 49 p. 315 sqq. 2 Oeuvres Complètes I, 296. 3 Oeuvres Complètes I, 295.

4 (Chevalier Rutlige [sic]) Observations à Messieurs de l'Académie Française, au sujet d'une Lettre de M. de Voltaire lue dans cette Académie le 25. Août 1776. Discours sur Shakespeare et sur M. de Voltaire. Par Joseph Baretti. A Londres et à Paris, 1777. ings and Genius of Shakespear. By Mrs. Montagu. Shakespeare wider neue Voltaire'sche Schmähungen vertheidigt von J. J. Eschenburg im Deutschen Museum 1777 Bd. 1 S. 40-70. Grimm Corres-. pondance Littéraire Secrète 1776 No. 35 und No. 46. 1777 No. 1 u. 2.

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An Essay on the Writ4th Ed. London, 1777.

Wörterbuches à la mode des petites demoiselles' zusammengestoppelt hat. Die Früchte seiner englischen Studien erschienen zunächst in seinen Lettres écrites de Londres sur les Anglais et autres Sujets, suivant la Copie imprimée à Londres. A Amsterdam 1735, welche jedoch in seine sämmtlichen Werke nicht als Ganzes aufgenommen, sondern unter verschiedenen Titeln an verschiedenen Stellen derselben zerstreut sind. Welchen Einfluss namentlich Shakespeare auf ihn ausgeübt hat, zeigt sich darin, dass er alsbald Shakespeare'sche Gegenstände zu bearbeiten und Shakespeare'sche Stücke nach französischer Manier zurechtzustutzen unternahm; so den im Jahre 1730 aufgeführten Brutus, La Mort de César u. s. w. Von allen Stücken Shakespeare's hat jedoch keines seine Aufmerksamkeit und sein Interesse in so hohem Maasse beschäftigt, als der Hamlet, auf welchen er immer und immer wieder zurückkommt, 1 ohne jedoch jemals einen Versuch zu wagen, denselben der französischen Bühne anzupassen. Es scheint fast, als habe er gerade an diesem Trauerspiele die Überlegenheit und die Allgewalt des Shakespeare'schen Genius wider Willen geahnt, und, da ihm seine Anmassung und Eitelkeit die Anerkennung eines ebenbürtigen, geschweige eines überlegenen Geistes unmöglich machte, gerade gegen den ihn bedrückenden Hamlet seinen ganzen ohnmächtigen Zorn und Hass ausgespieen. Er krümmt und windet sich unter dem Hamlet, wie ein Wurm unter dem Fusstritt eines Riesen. Alles im Hamlet, Stoff und Form, ist ihm unbegreiflich, während ihm bei den von ihm nachgeahmten Stükken wenigstens der klassische Stoff einigen Anhalt gewährte. Bei seiner Kritik des Hamlet geht er überall darauf aus, die Lacher auf seine Seite zu bringen und verschmäht zu diesem Zwecke die gewissenlosesten Mittel nicht. Seine Unkenntniss und Unwissenheit könnte ihm, wie so manchen Anderen, gern verziehen werden, wenn uns nur nicht zwischen den Zeilen überall seine Bosheit angrinste und er nicht nach dem Ausdrucke der Mrs. Montagu (S. 279) jenen Erklärern des Homer aufs Haar gliche, von denen Pope sagt, dass sie ihn erst bis zur Unkenntlichkeit entstellt hätten, um dann über ihn herzufallen und sich an ihrem eigenen Triumphe zu weiden. Voltaire's Schreiben wurde, wie er ganz unverhüllt eingesteht, durch die Ankündigung der Übersetzung Shakespeare's von Ca

1 S. Oeuvres Complètes III, 344 sqq. (Dissertation sur la Tragédie Ancienne et Moderne); XLVII, 274 sqq. (De la Tragédie Anglaise); XLVII, 290 sqq. (Du Théâtre Anglais); XLIX, 193 sq. (A un Journaliste); XLIX, 320 sqq. (Lettre à l'Académie Française).

tuelan, le Tourneur und Malherbe veranlasst, in welcher sich die Übersetzer unterstanden, Shakespeare 'le Dieu créateur de l'art sublime du théâtre, qui reçut de ses mains l'existence et la perfection' zu nennen, und zu behaupten, dass Shakespeare bis da in Frankreich unbekannt oder vielmehr nur in einer Entstellung bekannt gewesen sei, während sie in der 300 Seiten langen Einleitung den grossen Hrn. v. Voltaire, der doch auch zwei oder drei Stellen aus Hamlet übersetzt hatte und zwar wie man Dichter übersetzen muss! und von dem andererseits mehrere Stücke ins Englische übersetzt waren, nicht einmal der Erwähnung würdigten. Hinc illae irae! Das ganze Schreiben ist was man in der heutigen Zeitungssprache eine Reclame nennt. 'Presque tout ce qu'il a dit de Shakespeare, sagt der mit beissender Schärfe gegen Voltaire zu Felde ziehende Baretti S. 122, n'est qu'insolence, que malignité, que brutalité, et que sottise', und Bouterwek bemerkt sehr wahr, dass der französische Geschmack für die Grösse Shakespeare's, der selbst in seinen Verirrungen bewundernswürdig bleibe, so unempfänglich war, dass Voltaire sich ungestraft an diesem herrlichen Geiste versündigen durfte.1

In seiner Beurtheilung des Hamlet, wie des Shakespeare überhaupt, bleibt Voltaire durchaus an Äusserlichkeiten kleben. Als höchstes Princip der dramatischen Poesie erscheint ihm die äussere Wohlanständigkeit. Aus diesem Grunde tadelt er die Antwort der Schildwache in der Eingangsscene (not a mouse stirring), denn, sagt er, so darf ein Soldat wol in der Wachtstube antworten, aber nicht auf dem Theater, nicht vor den vornehmsten Personen einer Nation, die sich edel ausdrücken, und vor denen man sich ebenfalls edel ausdrücken muss. An einem andern Orte stellt er dieser durch ihre Einfachheit so wirksamen Bezeichnung der Todtenstille der Nacht den pomphaften Vers aus der Iphigénie des Racine gegenüber:

Mais tout dort, et l'armée, et les vents, et Neptune, d. h. die abstrakte Allgemeinheit der konkreten Besonderheit. Er appellirt an die Königin von Frankreich, an die Prinzessinnen und an die Töchter so vieler Helden, welche wissen, wie Helden sprechen müssen als ob Poesie und Theater nur zur Unterhaltung französischer Prinzessinnen und Markisinnen vorhanden wäre, und als ob der Pariser Gesellschaftston der unbestreitbare Maassstab für die Dichter aller Nationen sein müsste.

1 Geschichte der Poesie und Beredsamkeit. Göttingen 1807. Bd. 6, S. 345.

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