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beschäftigte. In Frankreich begann die Revolution; er machte mit Alexander von Humboldt die Reise rheinabwärts durch die Niederlande nach England und kehrte über Paris zurück. Sein Buch: „Ansichten vom Niederrhein“ war die Frucht davon; später erschienen die Erinnerungen aus dem Jahre 1790. J. J. 1792 wurde Mainz von den Franzosen belagert, erobert und aufgefordert, sich eine eigene Verfassung zu geben und einen eigenen Staat zu bilden, und Forster ward Chef der Verwaltung. Man sehte von deutscher Seite einen Preis von 100 Dukaten auf seinen Kopf. Während er sich in Paris aufhielt, um über die Einverleibung von Mainz in die französischen Republik zu unterhandeln, ward letteres wieder erobert; er starb 1794 zu Paris, arm an Glauben, äußerlich elend und innerlich tief unglücklich.

Sein Schicksal hatte die Folge, daß man lange Zeit ihn kaum mit Ruhm nennen durfte, und ihn endlich ganz vergaß *). Forster aber war nicht nur ein Mensch voll Tiefe, Ehrlichkeit, Wärme und Herrlichkeit des Gemüthes, sondern auch einer unserer gehaltreichsten und rollendetsten Schriftsteller. Schon seine erste Schrift: Leben William Dodds, (1779) verkündigte ihn als solchen; man begreift kaum, wie ein so junger Manu ein so reifes Buch, wie ein außerhalb Deutschland Geborener und Erzogener eine solche Sprache schreiben konnte. Von gleicher Vortrefflichkeit sind seine gediegenen Abhandlungen, seine kräftig blühenden Schilderungen, seine naturwissenschaftlichen Auffäße, die er in den Hessischen Beiträgen, in das Göttingische Magazin und in die Berliner Monatschrift lieferte oder mit de nen er als Vorreden Uebersehungen ausstattete (z. B. Cook der Entdecker). An Fülle und Wohlklang, Klarheit und Anschaulichkeit, Lebendigkeit und Nachdruck des Styls steht er zunächst an Lessing; wie dieser verband er mit einem warmen Herzen einen kühlen Kopf und ein gesundes Urtheil, so daß seine Meinungen nicht von persönlicher Empfindungsweise abhängen; wie bei diesem vereinigten sich in ihm die seltensten Fähigkeiten, die aus

*) Eine Sammlung von Forsters Schriften ist 1843. 44. in 9 Bänden erschienen. Leipzig. Brockhaus.

gebreitetsten Kenntnisse und die stärkste Charakterfestigkeit; wie Lessing endlich lebte er auch fast immer in bedrängten Verhältnissen und konnte sich nie nach Bedürfnis und Recht seiner Natur entfalten.

Indessen trugen nicht nur seine lehten Schicksale dazu bei, daß Forster fast ganz vergessen wurde, sondern auch die Beschaffenheit seiner Schriften. Er breitete sich nach allen Seiten aus und verarbeitete alle Kenntnisse zu Geist und allen Geist in lebendige Gebilde; allein es knüpfte sich sein Nahme nicht an ein bedeutendes Werk in einer bestimmten Wissenschaft oder an eine große poetische Hervorbringung; es war vielmehr nur die rein persönliche Wirksamkeit eines großen Charakters mit bes stimmter Weltanschauug, die sich überall kund gab. Er war in vielem seiner Zeit voraus; wie er aber auf Einzelne wirkte, geht daraus hervor, daß er den größten Einfluß hatte auf die beiden Humboldt, die sich seiner Führung in der Art hingaben, wie andere an Herder.

§. 128.

Göthe in Italien.

Wir haben Göthe in Weimar verlassen, mismuthig über seine Lage und danach ringend, sich im Leben, in Poesie und Sprache größere Ruhe und einen andern Mittelpunkt zu erobern. Alles was er seit seinem Aufenthalte in Weimar gedichtet, blieb der Oeffentlichkeit vorenthalten, einmal weil er seinem Style immer mehr Harmonie verschaffen wollte und hier und da änderte, dann weil er das Heer der Nachahmer fürchtete, die ihm schon so viel geschadet hatten, da sie sich nicht nur seine Darstellungsmanier, sondern auch seine sittlichen Anschauungen zueigneten und beide ins Widerliche verzerrten. Sittliche Anschauung und Darstellungsweise war aber nach und nach eine andere geworden. Alle seine frühern Dichtungen, die nicht bloße Gelegenheitssachen waren, hatten den Widerstreit kräftiger urs sprünglicher Natur mit der Ordnung des bewußten Menschenlebens und dem Herkommen zum Gegenstande, ein Streit, in welchem die Naturgewalt, gleichviel ob gut oder böse, untergeht, weil sie ihre Rechte gegen die Vernunft und Convenienz nicht

aufgeben will. In den neuen Dichtungen sucht er nun zwischen der Berechtigung des Naturwahren und den Anforderungen des vernünftigen und geschichtlichen Bewußtseyns eine Versöhnung, und findet diese in einer unmittelbar als Seelenschönheit auftretenden Harmonie des Gemüths; er will jezt Erscheinungen aufstellen, in denen Gefühl und Bewußtseyn sich gegenseitig Grens zen sehen, Gestalten, die sich vermöge eines innern Taktes selbst abrunden. Hierher gehörte Iphigenia, Tasso, hierher seine in jener Zeit beginnende neue Lyrik *), hierher die Entwicke lung im Wilhelm Meister und das Fragment: die Geheimnisse. Die beiden äußersten Enden des menschlichen Gemüthes - Hiße der Leidenschaft und Kälte der Reflexion, Aufruhr der Gefühle und Besonnenheit des Verstandes fie grup: pieren sich nun überall um eine harmonisch vermittelnde Gestalt, Iphigenia steht versöhnend und beruhigend zwischen Orest und Thoas, die Prinzessin zwischen Tasso und Antonio, und im Meis ster begegnen uns eine Reihe Menschen, die rein ihrem guten oder bösen Instinkte folgen, andere voll nüchternen Verstandes oder kalter Berechnung, und zwischen beiden stehen wieder harmonische, in sich abgerundete, ebenmäßig ausgebildete Frauen. Denn Frauen waren die poetischen Vertreter der innern Seelenschönheit und des harmonischen Maßes, und hierzu trug eben bei, daß er im Leben diese Vollendung nur an weiblichen Erscheinungen geschaut hatte; die Herzogin Louise stand in Weis mar eben so als versöhnende Mitte zwischen den verschiedensten Richtungen und erzwang durch ihre bloße Erscheinung die Verehrung und Huldigung aller.

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So war es also nicht philosophische Reflexion, die Göthe's fittliche Weltansicht veränderte, sondern unmittelbare Anschauung. Den bedeutendsten Einfluß jedoch übte. Herders Nähe, der jezt durch Rath und Umgang eben so mächtig auf ihn einwirkte, wie früher in Straßburg, und selbst eine Erscheinung darbot, in der sich eine große ursprüngliche Natur mit einem gebildeten *) Es ist ein gangbarer Irrthum, Göthe's Naturlieder (z. B. an den Mond, Jägers Abendlied, Schäfers Klagelied u. a.) schon in die Frankfurter Periode zu feßen. Diese Lyrik beginnt erft mit den achtziger Jahren, und Schäfers Klagelied fällt fogar i. 3. 1803.

Bewußtsein verband. Beite Freunde wendeten sich von dem bloß Naturkräftigen und Charakteristischen, das sie früher so angepriesen, bestimmt ab und strebken dem Schönen und Reinmenschlichen nach. Natürlich mußte sich Göthe jezt zur antiken Poesle und Kunst wieder hingezogen fühlen, und er empfand ein Heimweh nach Italien und den Werkstätten der bildenden Kunst. Ohnédies fühlte er, daß er alle seine äußeren Verhältnisse abwerfen und eine lange Zeit in Ruhe und Sammlung leben müsse, um seine sittliche und poetische Bildung zu fördern und sich zu neuen Hervorbringungen zu stärken. Plöhlich reiste er im September 1786 von Carlsbad, wohin ihn Herder und Knebel begleitet, ab nach Italien und suchte erst von Rom aus um Urlaub nach. Während seiner Abwesenheit sollten alle seine bisherigen Dichtungen, um damit abzuschließen, in einer Ge= sammtausgabe erscheinen, die Herder besorgen wollte *). Auf des lehtern Rath und Bitte nahm er jedoch die noch nie gedruckten Sachen, meist angelegte und unvollendete Arbeiten, (Egmont, Iphigenia, Tasso, die Geheimnisse, Faust u. a.) mit nach Italien, um alles noch einmal zu bearbeiten und das Unvollendete weiter zu führen; nahmentlich drang Herder auf eine Umwandlung der poetischen Prosa zu wirklichen Versen, wozu Leffings Vorgang im Nathan das Muster gab.

Herdern also haben wir zu verdanken, daß Iphigenia und Tasso in der Gestalt erschienen, wie wir dieselben jezt haben. Diese Dramen find übrigens ganz aus der alten Quelle hervorgegangen. Der Dichter sprach aus, was er selbst erlebt und erlitten hatte. In Tasso ist sein zwiespältiger Zustand als Dichter und als Staatsmann, ein Verhältnis, das ihm viel Mühe und Kummer gemacht, in einem Bilde dargestellt, und der Orestes in der Iphigenia ist er selbst, da er von den Furien der Leidenschaft, des Temperaments und des Zweifels lange umbergejagt worden war, bis er erlöst ward durch den Zauber ruhiger Seelenschönheit. Daher in diesen Stücken neben der klaren, gemessenen Darstellung die Wärme des Gefühles und

*) Sie erschienen 1787-1789 in 8 Bänden (Leipzig bei Göschen). Die vier leßten Bände wurden in Italien geordnet.

das Feuer, das aus dem Herzen des Dichters in sie hineinges strömt ist.

Diese Ueberarbeitung wurde ihm äußerst schwer; er hatte die Technik der Poesie, die Uebung in äußerer Handhabung der Kunstmittel, verführt durch die Naturtheorien, vernachlässigt und mußte nun vieles nachholen. Seine Uebung in Knittelversen und poetischer Prosa konnte ihm hier nichts helfen, wo es auf strenge Schönheit der Form abgesehen war. „Ich habe,« schreibt er aus Rom an Herder *), „ich habe recht diese Zeit her meine zwei Capitalfehler, die mich mein ganzes Leben verfolgt und gepeinigt haben, entdecken können. Einer ist, daß ich nie das Handwerk einer Sache, die ich treiben wollte „oder sollte, lernen mochte. Daher ist gekommen, daß ich mit „so viel natürlicher Anlage so wenig gemacht und gethan habe. Entweder es war durch die Kraft des Geistes gezwungen, ge= „lang oder mislang, wie Glück und Zufall es wollten, oder wenn ich eine Sache gut und mit Ueberzeugung machen wollte, war ich furchtsam und konnte nicht fertig werden. Der andere „nahe verwandte Fehler ist, daß ich nie so viel Zeit auf eine »Arbeit oder Geschäft wenden mochte, als dazu erfordert wird. „Da ich die Glückseligkeit genieße, sehr viel in kurzer Zeit den„ken und combinieren zu können, so ist mir eine schrittweise „Ausführung unerträglich. Nun dächt' ich, wäre Zeit und „Stunde da, sich zu corrigieren.«

Er hatte eigentlich schon zwei Epochen seiner poetischen Entwickelung hinter sich. In der ersten hatte man ihn an gute Muster und die herrschenden Regeln und Ueberlieferungen, an Uebung und Fleiß gewiesen; die zweite (die Frankfurter) entstand durch Hingebung an Natur, Instinkt und Jugendfeuer; jeht nun wollte er nicht eher ruhen, bis ihm alles in der Kunst lebendiger Begriff geworden sey. Diese drei Stufen seiner Entwickelung stellt er treffend dar in dem kleinen Drama: Künstlers Apotheose, das ebenfalls in Italien entstanden ist. Den strebsamen Schüler verweist ein Meister auch an Uebung und Fleiß; dadurch komme der Verstand nach und nach

"Zweiter römischer Aufenthalt. Br. v. 20. Juli 1787.

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