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fchrieb Romane voller Thränen, Zärtlichkeit und Sehnsucht, und Stolberg, eine weibliche, zarte, unmännliche Natur, stürmische Oden und Dramen voll Kraft und Drang, weshalb er zu den Kraftgenies gezählt wurde. An Talent mögen beide gleich ste= hen; Miller jedoch machte zufolge seiner bescheidenen Stellung in der Welt auch geringere Ansprüche und erfüllte den Kreis, der ihm angewiesen war; Stolberg, als hochgeborener, vornehmer Ritter, überschritt seine Sphäre und wirkte in der That nachhaltiger.

Friedrich Leopold Graf zu Stolberg war 1750 im Holsteinischen geboren, kam aber schon in zarter Jugend nach Kopenhagen und wuchs hier, da der Vater früh starb, unter mütterlicher Obsorge als ein verhätscheltes Kind auf. Die buns teste Lektüre war dem Knaben gestattet, und die Nähe Klopstocks bildete frühzeitig einen eigenthümlichen Begriff von Poesie in ihm aus. I. I. 1770 gieng er mit dem ältern Bruder Christian nach Halle, später nach Göttingen, wo beide Mitglieder des Hainbundes wurden; 1773 giengen sie wieder nach Kopenhagen; 1775 auf Reisen in die Schweiz und Oberitalien; 1776 hielten sie sich in Weimar auf; 1777 gieng Friedrich als fürstlich - Lübeckischer Gesandter nach Kopenhagen, ein Amt, das wenig oder nichts zu bedeuten hatte und die freieste Zeit zu Reisen ließ; 1781 lernte er in Eutin die liebenswürdige Agnes von Wizleben kennen und vermählte sich mit ihr; hierauf übernahm er eine Mission nach Petersburg, dann wurde er Landdrost zu Neuens burg im Oldenburgischen, und in dieser Lage, wo auch seine besten Gedichte entstanden, wäre er vielleicht geblieben, wenn nicht 1788 ihm seine vortreffliche Gattin plößlich gestorben wäre. Er gieng wieder nach Holstein, dann nach Berlin, verheirathete sich hier mit der Schwägerin des sardinischen Gesandten, machte dann in Begleitung mit ihr und später in Gemeinschaft mit den beiden Freiherren von Droste-Vischering *) eine Reise durch Italien, trat 1792 zur katholischen Kirche über, ward dann Regierungspräsident zu Eutin und Director des lutherischen Confistoriums, war 1800 genöthigt, seinen Uebertritt öffentlich zu

*) Der eine wurde später Erzbischof von Cöln.

erklären, zog mit seiner Familie nach Münster, und starb hier i. J. 1820.

Dieses Unstäte des äußern Lebens giebt uns ein Bild von dem unstäten und unsichern Verhältnisse Stolbergs zur Literatur. Er gehörte zu den Dichtern, die nach allem greifen, alles versuchen, alles wieder liegen lassen and so ihre wahre Bestimmung gar nicht kennen lernen. Die Mannigfaltigkeit des Lebens ängstigte, die Anforderungen desselben drückten ihn; einen Zustand der Ahnungen und Empfindungen, der Thränen und des Träumens hielt er für das, was dem Menschen, dem Dichter wohl anstehe. Er schwärmte für die Natur, für die Vorzeit, für die Freundschaft, für das griechische Alterthum, für Lavaters Lehren, zuleht für Rom und den Pabst. In ein aufrichtiges Verhältnis zu den Gegenständen seiner heftigen Leidenschaft tritt er nirgends ein; denn nie hat er sich mit der Natur wirklich beschäftigt, weder wissenschaftlich noch als Landwirth, niemals fich eine Kenntnis der frühern Zeit, im Sinne Mösers, zu verschaffen gesucht, nie sich höher stehenden Freunden untergeordnet, oder ihre Belehrungen benut; nie fich bestrebt, einen Blick in's Ganze des Alterthum zu erhalten. Alles erhielt bei ihm den Anstrich schwelgerischer Ascetik oder eines unduldsamen Fanatismus, welchem später Abspannung oder Abneigung folgte. Selten weiß er sich in den Gegenstand selbst zu versenken, sondern er spricht in starker und rührender Rede seine Leidenschaft für ihn aus. So donnert er in einer seiner frühesten Oden gegen diejenigen, welche die göttliche Natur nicht lieben, d. h. nicht über eine schöne Gegend in Entzückung gerathen *); so flucht er in einem Auffahe über Fülle des Herzens dem, der in der Geschichte den Julius Cäsar, diesen Bösewicht, dieses Unge= heuer, mehr achte als den Brutus. Er war sein ganzes Leben lang wie ein heftiges Kind, das alle Dinge nach den Eins drücken beurtheilt, die sie in einem erregten Augenblicke auf sein Gefühl hervorbringen. Diese Reizbarkeit, welche nur in Liebe *) Er ist kein Sohn der Freiheit! Das Vaterland Ift Spreu dem Feigen! Sklave, dich freite nicht Die Römerschlacht! Zu meinen Füßen, Krümme dich, Raupe, daß bein ich potte!

and Haß Genuß findet, and nur Schmerz und Wonne in der Welt kennt, nicht den ruhigen Zustand klarer Betrachtung, trug er auch auf seine literarischent Beschäftigungen über, nahmentlich auf die Poeffe. Gerade das, was eigentlich den Dichter an fe ster Gestaltung hindert, Leidenschaft und zügellose Phantasie, bielt er für die Quelle aller Dichtung, und verwechselte das, was dem einzelnen Gedichte Färbung und Ton verleiht, mit dem pretischen Gehalte felbst. So wie Lenz das Wesen des Poeti schen bloß in's Charakteristische feht, in starte kräftige Zeichnung des Einzelnen, so Stolberg in Größe und Schwung der Empfin dung; er verhält sich hier zu Klopstock genau so wie Lenz zu Göthe, d. h. er übertrieb sein Muster und Vorbild. Die Schaue spiele, welche beide Brüder 1787 herausgaben, bilden daher den sonderbarsten Gegensatz zu Lenzens; denn wenn bei diesem die Masse von Handlung allen pretischen Dialog vernichtet und das Ganze in eine Reihe charakteristischer unzusammenhängender Sce nen sich auflöst: so bestehen die Dramen der Stolberge in nichts als schwungvollen Reden und lyrischen Ergüssen, so daß alle Charakteristik der Perfonen verschwindet.

·Da Stolberg selbst fühlte, daß seinen Poesten Klarheit und Sicherheit fehle: so bildete er sich eine merkwürdige Theorie *): er zerriß gewaltsam die Einheit zwischen Dichten und Darstellen und setzte das Geschäft des Dichtens nicht in das Her vorbringen, sondern in das Empfangen, in den Zustand, worin Götterscheinungen vor dem Geiste aufsteigen, ohne Willen, ohne Zuthun des Dichters. Dichten, d. H. also träumen, ist nach ihn süßer und steht höher als Darstellen; der Poet läßt sich bloß zur Darstellung herab, um auf den Menschen zu wirken, und die Darstellung besteht darin, daß er jene Erscheinungen ÄifË Feiergewanden bekleidet. Wir haben schon mehrmals erinnert,

*) Sie ist niedergelegt in mehreren Auffäßen, die alle im deutschen Museum erschienen und jeßt in Bb. 10 der fämmtt. Werke stehen: „Ueber Fülle des Herzens Vom Dichten und Darstellen Ueber die Ruhe nach dem Genuß und dem Zustande des Dichters in dieser Ruhe Ueber die Begeisterung." Auch der Auffas: Weber Poefie und ihre Wirkung (deutsches Muf. 1782. II.) ist ohne Zweifel von ihm, obgleich er feinen Nahmen nicht trägt.

daß sich in dem Dichter die Begriffe Künstler und Sänger scheiden lassen; wir sahen oben, daß Lessing überall von dem Bes griffe der Kunst ausgieng und wirklich mehr Künstler als Sänger war; daß Herder hingegen immer von der Sprache ausgieng und auch wirklich mehr Sänger als Künstler war. Stolberg nun gieng weder von der Kunst noch von der Sprache aus, sondern von der Idee, die schon an sich Poesie wäre und sich nur in Worte kleide, um erscheinen zu können. Den Sah, welchen Herder unaufhörlich bekämpfte: „das Wort sey nur das spätere Kleid des Gedankens," während der Dichter doch unmittelbar in Wors ten empfangen und denken müsse: diesen Sah stellte Friedrich Stolberg an die Spiße seiner Theorie. Der Dichter war ihm vorzugsweise Seher; die Begeisterung nahe ihm und ergreife ihn; er müsse ihr folgen und sey nicht verantwortlich für das, was er sage, sondern nur für die Art, wie er es sage, da das Gewand so schön als möglich seyn solle.

Diese unglückliche Ansicht, welche die belebende und die bildende Kraft in der Poeste auseinanderreißt, schadete den Dichtungen Stolbergs außerordentlich; denn wenn in dem Begriffe des Dichters allerdings auch der des Sehers liegt: so hätte doch er diese Seite nicht hervorheben sollen; er war nichts weniger als Seher, im Gegentheil sehr arm an Ideen. Stolberg war durchaus Sänger und zwar Sänger der ausgezeichnetsten Art, jedoch in einem engern Kreise von Gegenständen. Seine Sprache ist voll Musik und Innigkeit, und sobald er nicht den Himmel stürmen will, sondern sich im Bezirk wirklicher Ges fühle bewegt, ist er vortrefflich. In der Zeit seiner glücklichen Ehe entstanden Lieder und Oden, welche den besten in unserer Sprache an die Seite zu sehen sind. Dagegen verdienen seine Balladen, seine Idyllen, seine Dramen, seine ästhetischen Auffäße, seine geschichtlichen Arbeiten die Vergessenheit, in die sie gesunken; auch seine Uebersehungen aus dem Griechischen haben nur zweideutiges Verdienst, da sie nicht die Färbung des Originals, sondern des übersehenden Dichters trage, und Homer z. B. zu feierlich auftritt.

Die Nation im Ganzen schenkte dem Dichter Stolberg nicht das Ohr, das sie seinen Freunden Bürger, Claudius, Hölty

und Miller lich. Daß er aber von den poetischen Kreisen seiz ner Zeit völlig überschäßt wurde, daran war nicht nur der Irrthum schuld, daß man die Leidenschaft mit Genie und zügellose Einbildungskraft mit Dichterkraft verwechselte, sondern auch der vornehme Rang des Grafen. Man freute sich nicht bloß, den Sohn eines, der vornehmsten Geschlechter in der Mitte bürgerlicher Männer zu sehen, sondern noch mehr, ihn so freißinnig und republikanisch reden zu hören. Da nun Stolberg immer mit Göthe, Herder und Hamann zusammen genannt wurde, so hielt er sich nicht bloß für ihres Gleichen, sondern kraft sei= ner hohen Geburt wohl für mehr.

§. 117.

Joh. Heinrich Voß.

Das Schicksal hatte diesem Manne einen Freund zugesellt, der nach äußerer Lage und nach seiner Geistesrichtung sein Gegenfüßler war, Johann Heinrich Voß. Denn wenn Stol= berg mit Königen und Fürsten sich verwandt fühlte *): so mußte Voß bei Bauern und gemeinen Leuten seine Sippen aufsuchen, und sich überhaupt erst eine Stellung im Leben durch Fleiß und Ausdauer erobern, wodurch sein Charakter zäh und nachhaltig wurde.

Voß war 1751 zu Sommersdorf im Meklenburgischen geboren, kam aber ganz jung nach Penzlin, wo sein Vater Brauerei trieb. Vom vierzehnten Jahre an erhielt er Unterricht auf der Schule zu Neubrandenburg; Armuth aber verhinderte ihn, von dort aus gleich die Universität zu besuchen und er wurde Hauslehrer bei einem Meklenburgischen Edelmanne, in welchem Vers hältnisse sich der Haß gegen den Stolz und die Rohheit des Landadels besonders ausbildete. Durch Beiträge, welche er zum Musenalmanach einsandte, kam er in Verbindung mit Boie, und durch diesen nach Göttingen, wo er der eigentliche Stifter des Hainbundes ward. Dem Studium der Theologie entsagte er bald und widmete sich ganz der Dichtkunst und dem Ver

*) Er war wirklich mit dem meklenburgischen und dänischen Hause verwandt.

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