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theidigungen nicht immer die rechtlichsten, noch weniger die klügsten Mittel an. Was ihm mit vollem Grunde vorgeworfen werden kann, ist eine gränzenlose Eitelkeit, die, wie bei dem frühern Wieland, besonders durch Frauen und Weiblein genährt wurde. Er duldete es, daß man ihm auf eine Art huldigte, wie es keinem Menschen gebührt, hielt sich für berufen, in allen Richtungen des Lebens zu glänzen, und wagte sich in Gebiete, wozu ihm geradezu jedes Verständnis und jedes Talent abgieng. Sein höchster Wunsch, Wunder thun zu können, wurde ihm nicht erfüllt. Aus seiner Eitelkeit läßt sich seine spätere Schriftstellerei erklären, eine durchaus leichtfertige. Er hatte Talent, gab sich aber nicht die geringste Mühe und schleuderte zahllose Sachen in die Welt. Da er durch seine persönliche Erscheinung überall mächtigen Eindruck machte und eine außerordentliche Gabe mündlicher Mittheilung besaß, faßte er den neuen Grundsah, daß man so schreiben müsse, wie kein anderer Mensch schreibe, begierig auf. Eine ernste Prüfung, wohin denn sein schriftstellerisches Talent eigentlich ziele, achtete er für überflüffig; er hielt sich allem gewachsen und wollte als Dichter, als Redner, als Philosoph, als Kunstkritiker glänzen. Als Dichter wagte er sich in alle Gattungen und schrieb wie Bodmer - eine Unzahl epischer, dramatischer, lyrischer und didaktischer Werke; nirgends ist er Original, überall blickt das Muster hervor, das er nachahmte und verzerrte; der größte Theil dieser Poesteen ist unsäglich dürr, aber aufgeputzt mit Empfindung und Deklamation. In seiner Prosa zeigt er außerordentliche Rednergabe, aber durchaus keinen Styl; überall tritt später nur er Lavater hervor, nirgends der Gegenstand. In soweit er Einfluß auf die neue Gestaltung der Prosa übte, schadete er bedeutend. Schon durch Herders Beispiel war eine Fragmenten-Literatur in Gang gekommen; Lavater brachte nun gar eine aphoristische Manier in Umlauf; denn bereits seine physiognomischen Fragmente sollten eigentlich physiognomische Aphorismen heißen, und die meisten spätern Schriften, Pontius Pilatus an der Spize, sind durchaus nichts als eine Sammlung von Aphorismen und einzelnen Concepten.

§. 106. Göthe.

Wenn Herder Bodmers frühere Stellung, Lavater Gellerts Plak einnahm, so sollte nun als eigentliches poetisches Genie Klopstock seine Herrschaft mit Göthe theilen, auf dessen EntwickeLung Herder sowohl als Lavater den größten Einfluß hatten. Johann Wolfgang Göthe, geb. 1749 zu Frankfurt am Main, wuchs in wohlhabigen, unabhängigen Verhältnissen auf. Dichterischen Sinn, Neigung und Gabe, Erlebtes und Empfundenes kräftig auszusprechen, hatte er von der Mutter, Liebe zur Ordnung, als Grundlage aller Kunst, vom Vater. Da er von Kindheit auf unter Mahlern gelebt, so gewöhnte er sich, alle Gegenstände in Beziehung auf die Kunst zu betrachten und nach der Natur zu zeichnen, was großen Einfluß auf seine Behandlung poetischer Stoffe hatte. In seiner frühern Jugend zu Frankfurt, eben so im Anfange seines Aufenthaltes zu Leipzig (1766-1768) arbeitete er fleißig in der weifschweifigen Manier der sächsischen Dichter; schon in Leipzig aber trat die Richtung hervor, die er sein ganzes Leben lang nicht verlassen konnte: das was ihn erfreute oder quälte oder sonst beschäftigte, in ein Bild, ein Gedicht zu verwandeln und darüber mit sich abzuschließen, einmal aus dem Drange, seine Begriffe von den äußern Dingen und Verhältnissen zu berichtigen, ein andermal aus dem Bedürfnis, sein Inneres zu beruhigen und zu sänftigen. Die äußere Form war ihm dabei gleichgültig; er folgte stets der Zeitrichtung, sowohl was die Gattung betraf, die er zur Darstellung des Bildes wählte (Lyrik, Erzählung, Drama), als den Vers; die Richtung Klopstocks und Wielands, abgelebte Formen neu zu erfrischen oder durch andere zu ersetzen, blieb ihm ganz fremd. Ans jener Zeit besthen wir noch das Lustspiel „ die Mitschuldigen“ und andere Kleinigkeiten in Alexandrinern. Zu Straßburg, er (1769, 1770) seine furidischen Studien beendigen sollte, sammelte sich eine Schaar lebenslustiger, poetisch gesinnter Jünglinge des verschiedensten Charakters um ihn (Lenz, Wagner, Lerse, Jung - Stilling u. a.); hier lernte er auch Herder kennen, der seine schon wankende Ansichten von Poesie und Styl völlig um

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stürzte. Herders Einfluß zeigt sich dentlich in dem Auffahe von deutscher Baukunst (in den fliegenden Blättern von deutscher Art und Kunst), der ganz Hamann'sche Sprache athmet; so wie meh rere kleine Schriftchen jener Zeit, worin er die neue Bibelauslegung bekämpft, Anregungen durch Lavater bezeugen, mit dem er auch wirklich bald in engere Verbindung trat. Durch Herder kam er 1771 in Verbindung mit dem Darmstädter Johann Heinrich Merk (1741 1791), einem scharfsinnigen Kritiker und vielbewanderten Geist, der für Göthe und dessen Kreise dies selbe Stelle übernahm, welche in ganz andern Kreisen Gärtner und Rammler besaßen; ein Mann, der Herders Liebhabereien theilte, sich aber mit der Rolle eines berathenden Freundes bes gnügte und selten als Schriffteller auftrat.

In die Literatur trat Göthe eigentlich erst 1772 ein mit Gö h von Berlichingen, der wohl ohne Justus Mösers Erweckung des deutschen Mittelalters schwerlich entstanden wäre und auch den ganzen Beifall Mösers erhielt, welcher von nun an mit dem jungen Göthe in freundschaftlicher Verbindung stand. Dem ges harnischten biedern Ritter folgte sehr bald der schwärmerische Werther, welcher ein Aufsehen erregte, wie seit den ersten Ge: sängen von Klopstocks Messias kein anderes Werk. Göz und Werther, so grundverschieden in Ton und Styl, beweisen beide, daß es dem Dichter gar nicht darum zu thun war, den Forderungen der Kunst genug zu thun, denn der Roman Werther zeigt weit mehr die Natur des Dramas, während das Drama Göh streng genommen nur ein dialogisch durchgeführter Roman ist; beide beweisen aber auch, daß der Dichter die verschiedensten Töne in seiner Gewalt hatte, und einen Styl erstrebte, welcher sich der Natur des Gegenstandes anschmiegte. Daß der Dichter eine unbedingte Freiheit des dichterischen Schaffens in Anspruch nahm und aller ästhetisch-historischen Ueberlieferung spottete, war klar, und dieser Ungebundenheit, die freilich etwas Neues war, schrieb man auch den großen Beifall zu. Allein ganz bestimmt machten beide Werke nicht so ungeheure Wirkung wegen der darin herrschenden Ungebundenheit, sondern sie brachten diese erst zu Ansehn durch ihre lebendige Poesie und ergreifende Gestaltung. Die Geschichte Werthers beruhte allerdings auf einem wahren.

Ereignis, indeß gab dieses nur den Rahmen und mußte die lehte Entscheidung leihen; mit der Idee des Ganzen hatte sich der Dichter längst herumgetragen, da ähnliche Verhältnisse ihn selbst drückten. Die empfindsame Melancholie, die in der Literatur schon früher als Mode herrschte, war bei vielen jungen Leuten ins Leben übergegangen; Unzufriedenheit mit dem gesellschaftlichen Zustande und Unbehaglichkeit im Innern, wirkliche Uebelstände und eingebildeter Jammer lasteten schwer auf dem Herzen. Den Druck dieses Zustandes fühlte Göthe felbst, und um der schwülen Empfindung los zu werden, nahm er sein Talent zu Hülfe und suchte sich des giftigen, entnervenden Krankheitsstoffes zu entledigen. Die Cur gelang bei ihm selbst, beförderte aber bei andern die krankhafte Empfindsamkeit nur. noch mehr. Wie bei Klopstocks Messias theilte sich beim Werther die literarische Welt in leidenschaftliche Bewunderer und in her absehende Spötter oder ergrimmte Gegner; wurde von den Gottsched, Triller und Hudemann besonders die dogmatische Seite des Klopstock'schen Gedichtes angegriffen: so befeindeten Nicolai in Berlin, Melchior Göhe in Hamburg und viele andere die moralische Seite des Göthe’schen Romans. Hierzu gab die Verfahrungsweise Göthe's, die auf alle seine Genossen übergieng, Grund genug. Sie stellten sich der herkömmlichen Moral und der ganzen moralisierenden Dichtung gegenüber; fiengen aber die Sache bei weitem nicht so geschickt an als Wieland. Wie dieser wählten sie gern anrüchige Stoffe, Gegenstände, die den hergebrachten, starren Ansichten widersprachen; sie hatten aber nicht genug daran, dieselben poetisch darzustellen, sondern legten einen leitenden Gedankeu hinein und versuchten es, ihren Helden zu rechtfertigen, so daß sie, die Gegner der frühern Dichtweise, doch hierin völlig im Sinne derselben handelten. So wird denn die unmännliche Gesinnung Werthers gerechtfertigt, das Faustrecht im Göh, der eigentlich kein großer Mensch war, gerühmt, später die Schwäche Clavigo's entschuldigt, und so fort in allen diesen Dichtungen. Die große Wirkung, welche Werther hervorbrachte, beruhte aber darauf, daß der Dichter in die volle Wirklichkeit des Lebens gegriffen und diese Wirklichkeit nicht bloß als Mensch stark empfunden, sondern mit dichterischem Blicke klar erfaßt

und gefchaut, den leidenschaftlichsten Gegenstand mit großer Ruhe und Besonnenheit bewältigt und in der durchsichtigsten Sprache dargestellt hatte. Göthe trat also strenggenommen hier durchaus in die Bahn, welche Lessing mit seiner Minna von Barnhelm gebrochen hatte, und stellte sich der Klopstock'schen Richtung gegenüber, welche sich von der Wirklichkeit abwandte und sich mit starker Empfindung in eingebildete Gegenstände versenkte. Die ganze damalige Zeit faßte aber Göthe anders auf, nehmlich als einen zweiten Klopstock und als Gegner des kalten besonnenen Lessing. Ueberall wurde er als der gefühlvollste Dichter der Empfindung gepriesen oder als ein Erznarr voll Gefühl bes spöttelt.

Kündigte sich aber Göthe von vorn herein als einen Dichter an, der nicht das sogenannte Poetische, d. h. das Eingebildete, der Empfindung nahe bringen, sondern die Wirklichkeit des Lebens der Anschauung übergeben wollte, so eröffnete er mit Werther auch in anderer Hinsicht eine ganz neue Dichtweise. Hier nehmlich tritt zuerst wieder der ganze Kreis des menschlichen Daseyns in seiner Bedeutsamkeit ein: der Mensch selbst als Person und in der Familie und Gesellschaft, die ihn umgebende Natur und das über ihm waltende, unabwendbare Schicksal, gegen welches er einen Kampf beginnt. Dieses Schicksals kann keine größere Dichtung entbehren; es kömmt nur darauf an, daß der Dichter die Idee desselben in einer Gestalt darstellt, daß wir an den Zwang desselben glauben. Im Werther tritt aber die ganze Gewalt der bestehenden Verhältnisse als rauhe, unabwendbare Macht ein, finster und unheimlich, und als Gegensah der klarsten Anschauung der Natur und aller Oertlichkeiten, so daß sich in diesem kleinen Werke alle Hauptelemente der poetischen Wirksamkeit finden. Dasselbe Verhältnis zeigten auch Göh, Faust, Egmont, Stella. In lehterm Schauspiele treten die Eigenthümlichkeiten des Dichters grell hervor. Wie der Werther gieng Stella aus dem Drange hervor, das, was ihn quälte, in ein Bild zu gestalten und so mit sich abzuschließen; denn der Dichter stand in einem unangenehmen Doppelverhältnisse zu zwei Ges liebten. Hier aber war die Wahl der Einkleidung eine durch und durch widerliche; es war jedoch keine andere möglich, wenn

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