Графични страници
PDF файл
ePub

Belehrung, und die Moral wird hier so auf die Spitze gestellt, daß die Menschen ihres Lebens und die Leser der Geschichte nicht froh werden. Ein überspanntes, aller Wahrheit entbehrendes Ideal ließ die bedeutendsten Talente den Weg verfehlen, und einseitige Grundsäße verhinderten die Entwickelung mancher tüchtigen Anlage. Dabei wurde aber überall Bedeutendes angebahnt und der Boden für spätere Saaten urbar gemacht. Auch fehlte es nicht an erfreulichen Ausnahmen, an Männern, welche die Irrwege bemerkten und darauf aufmerksam machten, und die Literaturbriefe sind in dieser Hinsicht unschäßbar.

Ueberblicken wir ferner die Richtungen, welche sich innerhalb bestimmter Schulen geltend machten: so lassen sich mit Uebergehung der Gottschedischen, die durchaus in Ansehen stand und keineswegs sich als gestürzt betrachtete, folgende unter-s -scheiden:

1) Die Gellert-Rabenersche, nach Faßlichkeit und Popularität strebend, zur Wirklichkeit und satyrischen Darstel lung derselben hinneigend; daher die Masse der komischen Heldengedichte hierher zählt.

2) Die Uz-Hallersche, auf körnigen Ausdruck und würdige Gesinnung haltend, den festen, aber nüchternen Blick aufs Leben gerichtet.

3) Die Klopstockisch - Ramlersche, nach Pathos und kunstreicher Form und idealem Gehalt strebend.

4) Die Gleim-Geßnersche, nach Naivität oder Derbheit haschend, ohne eigentliche populäre Fassung und ohne künstlerische Haltung.

5) Die popular-philosophische, nach geschmackvoller, weltmännischer Darstellung strebend.

S. 91.

Wieland.

Unter den Dichtern, die an den verschiedenen Richtungen Theil nahmen, bis sie sich einen eignen Weg bahnten, nimmt Christoph Martin Wieland von Biberach in Schwaben

den ersten Plah_ein *). Er war geboren im J. 1733, also neun Jahre jünger als Klopstock; allein sehr bald nach Klopstocks erstem Auftreten trat auch er auf, ohne jedoch im geringsten das Aufsehen zu erregen, das jenem folgte. Wieland war ein frühreifer Knabe. Schon im Kloster Bergen bei Magdeburg, wohin er 1745 kam (in demselben Jahre, in welchem Klopstock Kloster Pforta verließ), schwankte er zwischen dem Studium der alten und der neuen Poeste, zwischen pietistisch - schwärmerischen und freigeistisch - schwärmerischen Anfällen. Sein weiterer Stu

dienlauf war von dem gewöhnlichen sehr verschieden, ein Umstand, der jedenfalls viel Einfluß auf seine schriftstellerische Laufbahn hatte. Er verließ mit 16 Jahren Kloster Bergen, wo er gar keinen Freund für Geist und Herz sich erworben hatte, gieng aber nicht sogleich auf die Universität, sondern verlebte ein Jahr in Erfurt bei einem Verwandten und dann noch einen. Sommer in Biberach. Hier faßte er eine schwärmerische Liebe zu seiner Verwandten, Sophie Guttermann, später als Sophie la Roche auch als Schriftstellerin bekannt. Im Herbst 1750 bezog er die Universität Tübingen, widmete sich aber hier weder einem bestimmten Fache, noch besuchte er überhaupt Vorlesungen, noch hatte er irgend einen freundschaftlichen Umgang; er sehte vielmehr seine alte Sitte fort, einsam Bücher aller Art zu studieren. Aus diesem Leben hätte nun eher ein grübelnder Philosoph als ein Dichter hervorgehen sollen; allein die schwär merische Liebe zu seiner Freundin begeisterte ihn zur Poesie und so trat er 1751 als siebzehnjähriger Mensch mit einem Reimwerk in Alexandrinern auf, welches eine Zusammensetzung von unverdanter Schulphilosophie und verliebter Schwärmerei ist, oder kürzer: die Schöpfung eines jungen verliebten Pedanten. Diesem Lehrgedichte, „die Natur der Dinge,« folgten 1752 die

*) Wir befißen eine vortreffliche Biographie Wielands von J. G. Gru ber (Wielands Leben. Leipzig 1827. 4 Bde.). Wiewohl man dem Urtheile des Verfaffers über Wielands Leistungen schwerlich beiftimmen wird, ist das Ganze doch trefflich gehalten, indem es Gang und Entwickelung des merkwürdigen Mannes höchft geschickt darstellt und eben so die Beziehung Wielands zur Literatur überhaupt nie aus den Augen verliert.

[ocr errors]

moralischen Briefe, moralische Erzählungen und der Anti-Ovid, lauter Sachen, die ihren Ursprung der Lektüre verdanken.

Von Tübingen aus hatte Wieland 1751 die ersten fünf Gesänge eines Heldengedichts, Hermann *), an Bodmer ge= sendet, den er als den Homer seiner Zeit anstaunte, und war so mit diesem in Verbindung getreten. Auf Bodmers Einladung kam er 1752 nach Zürich, blieb fünf Jahre daselbst und studierte hier seinen Plato, dichtete in Klopstock-Bodmerischer Weise hier christliche Hymnen, die Prüfung Abrahams, die Empfindungen eines Christen und die Briefe Verstorbener. In der Zueignung der Empfindungen eifert er gegen leichtfertige Dichter wie Uz und Gleim, die er als Priester des Bacchus und der Venus schmäht, alles auf Anregung Bodmers, der den jungen Mann überhaupt als Maschine brauchte, um sich an manchen Gegnern zu rächen. Nachdem sich Wieland später im Dramatischen ohne allen Beruf versucht (Johanna Gray, Clementine von Poretta) und einen längern Aufenthalt in Bern (1759) gemacht hatte, wo er das Heldengedicht Cyrus begann, kam er nach Biberach (1760) in ein Amt, das ihn an die Akten fesselte nnd in eine Menge unangenehmer Verwickelungen brachte, aus denen er zu den Musen flüchtete. Hatte er die Welt vorher von einer ideas len Seite angesehen, so lernte er nun ihre kleine, erbärmliche Seite kennen. Hier in Biberach entstanden nun (1761-1767) fene Dichtungen, die einen Gegensah zu den früheren bildeten; denn wenn er sich vorher in religiös-philosophischen Schwärmereien verlor: so verspottete er nun jede Art von Schwärmerei und hob das Hinfällige und Verführbare der menschlichen Natur hervor, besonders in dem Verhältnisse beider Geschlechter. Im Agathon schilderte er seinen eigenen Lebensgang; die Geschichte eines Schwärmers, den die Sinnlichkeit von seiner Schwärmerei in's entgegengesette Aeußere verführt, bis er zur Nüchternheit erwacht und zu einem mittleren Seelenzustande gelangt. Denn wie ihm früher die Menschen als Engel oder als Teufel erschienen: so erschienen sie ihm jezt als ein Mittelding von Stärke

*) Also auch bei Wieland ein Einfluß der germanischen Richtung, welche dieser Zeit gemein ift.

und Schwäche, von Tugend und Laster, und solche Menschen suchte er in seinen Dichtungen darzustellen. Sylvio von Rosalva ist ganz werthlos. Der große Cervantes hatte in seinem Don Quixote die Schwärmerei für die Ritterbücher verspottet, Bücher, die wirklich Jahrhunderte lang die Nation fesselten; Wieland verspottet in Sylvio die Feenmährchen, die damals in Deutschland gar keine so große Geltung besaßen, die aber er und vermuthlich auch seine Umgebung sehr geliebt hatte. Wichtiger sind seine komischen Erzählungen (1764) aus der griechischen Göttersage, und sein Idris, Gedichte, die ihm auf der einen Seite großen Ruhm erwarben, auf der andern Seite den Ruf des wollüstigsten und frivolsten Schriftstellers verschafft haben. Der Sprung von mystischer Schwärmerei zu einer frivolen Ansicht des Lebens ist, wie umgekehrt der Sprung von einem liederlichen Leben zur Frömmelei, freilich nicht selten; allein bei Wieland änderte sich der Mensch nicht, und man kann allerdings behaupten, daß seine Gesinnungen, wie oft er auch die Meinungen geändert habe, immer redlich und wacker waren. Soviel aber geht aus dieser Aenderung hervor, daß er keinen Charakter, desto mehr aber Launen besaß. Zur Erklärung der sonderbaren Erscheinung mag folgendes dienen: In Biberach lernte Wieland neben dem kleinstädtischen Treiben einer Reichsstadt auch das höhere Weltleben kennen und zwar bei dem Grafen Stadion in Warthausen und dessen Amtmann Laroche (dem Gemahl der früheren Geliebten), zweien abgesagten Feinden aller Schwärmer und dessen, was ihneu als Schwärmerei erschien; hier lernte er ferner die italienischen Dichter besser kennen, deren Laune und Capriccio seinem eigenen launenhaften Wesen am besten zusagte. Hier lernte er die Schriften des Grafen Shaftesbury, Voltaire's und Sterne's kennen, und nach seiner heftigen Weise faßte er für alle, selbst für die lüsternen Franzosen Hamilton und Crebillon das größte Interesse. Auch Shakespeare trat ihm hier näher, und aus ihm hätte er allerdings eine reinere Ansicht des Lebens und eine andere Art der Poesie kennen lernen sollen; aber auch von ihm lernte er bloß, wie viele seiner späteren Zeitgenossen, das Nichtnachahmungswürdige. Der englische Dichter war von ihm schon früher in Zürich bewundert

worden *); als er nun für das Liebhabertheater zu Biberach ein Shakespear'sches Stück bearbeiten mußte, so lenkte ihn das noch mehr auf denselben, und nach seiner Weise machte er sich emfig an eine Uebersehung oder Bearbeitung des ganzen Shakespeare. Von allen genannten Dichtern nahm er nun etwas an, denn da er poetische Empfänglichkeit für alles hatte und seine angeborene dichterische Weltanschauung sehr gering war, so mußte er sich dieselbe aus andern Dichtern erwerben. Die früher aus Klopstock und Plato entlehnte Weltanschauung so wie die ganze Schwelgerei für Empfindung und Ideal erkannte er jeht für durchaus irrig; er wollte jezt das Leben und die Welt zeigen, wie sie wären, und das war jedenfalls eine sehr wahre poetische Ahnung des Richtigen; nur verfiel er aus der Schwärmerei für das Seraphische und Unaussprechliche in eine noch Aergere fürs Absurde und Triviale, und hatte er früher das Diesseit über dem Jenseit ganz vergessen, so vergaß er jezt das Edlere im Menschen ganz und gar über der gröberen Natur; kurz es gieng ihm wie es jedem Dichter gehen muß, den nicht angeborener Genius oder angestrengtes Studium der Natur leitet; er vermochte den Widerspruch zwischen höchstem Ideal und gemeiner Erfahrung und Wirklichkeit nicht in einer höhern Wahrheit zu vereinigen und das Bleibende, Wahre von dem Zufälligen, Gemeinen abzusondern.

zu jener Schwärmerei hatten ihn, wie er meinte, besonders die Alten verführt, wiewohl es nicht die Alten waren, sondern seine Unart, in alle Schriftsteller seine Eigenthümlichkeit hineinzulesen. Das Studium Shakespeare's und Sterne's hatte seine Weltanschauung ganz geändert, und er goß den Spott gegen die Alten in eine Art Parodieen gegen ihre Dichtungen und Philosopheme aus, wobei er die Laune Ariosts und Sterne's zu überbieten suchte. Dabei gieng es ihm, wie verschmähten Liebhabern, welche zwar die Geliebte, von der sie getäuscht worden

*) Wie richtig er die Größe dieses Dichters erkannt hat, geht aus einem Briefe an Zimmermann v. J. 1758 hervor: „Er ist faßt einzig darin, „die Menschen, die Sitten, die Leidenschaften nach der Natur zu „mahlen; er hat das köstliche Talent, die Natur zu verschönern, ohne daß fie ihre Verhältniffe verföre."

« ПредишнаНапред »