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Homer, der deutsche Horaz“ u. s. w. erst recht in Umlauf. Er selbst ließ sich gern den deutschen Anakreon oder Tyrtäus nennen, und war sehr freigebig, seine Freunde mit fremden Ehren zu bekleiden; aber die leichten, zärtlichen Liebesdichter, wie sie die Franzosen aufzuweisen hatten, fehlten noch der deutschen Literatur; glücklich war er nun, daß seine Freunde Göz und Ja= kobi diese Lücke ausfüllten, und daß Deutschland auch nun seinen Gresset, seinen Chaulieu, seinen Chapelle hatte.

Wie kam es aber, daß Gleim, der nach der Mehrzahl seiner Dichtungen so wie nach dem Gehalt seines Urtheils durchaus nur Dilettant war, eine so große Bedeutung in seiner Zeit hatte und als eine der Hauptstüßen des deutschen Parnasses bes trachtet wurde? Hierzu trug sehr vieles bei. Erstens bedenke

daß überhaupt die ganze neue Literatur gegen Gottsched und dessen Schule, die keineswegs gestürzt war, fest zusammenhalten mußte. Gleim nun war ein Hauptfeind Gottscheds, und in der That hat die leichte, dilettantische Waare der Hallischen und Halberstädtischen Dichter dem Ansehen Gottscheds mehr ge= schadet, als der schwere Ernst der Leipziger und Kopenhagener Schule. Im Wesentlichen hatte freilich die Halberstädter Lyrik so wenig innern Gehalt als die Gottschedische; denn sie sehte nur eine Gelegenheitsdichterei an die Stelle der andern, ein conventionelles Wesen an die Stelle des andern; Gottsched schmei: chelte und huldigte den Großen, Gleim und seine Freunde huldigten sich gegenseitig. Aber es geschah in einem scherzenden, neckischen, oft kecken Tone. Und dieser Ton war in der That neu. Dabei läßt sich nicht läugnen, daß die kleinen Gedichte Gleims aus der frühern Zeit viel Naivität und gefällige Laune zeigten, Eigenschaften, die damals selten waren. Noch mehr aber als die Dichtungen selbst trug der Dichter durch seine Pers sönlichkeit zu ihrer Verbreitung bei. So überfruchtbar er auch war: so viel Bescheidenheit besaß er doch, er wußte es, daß seine Sachen nicht schwer wögen; er ließ sie meist auf eigene Kosten drucken, schickte sie durch gemiethete Herumträger im ganzen Reich herum, und zwar sehr oft zum Besten wohlthätiger Zwecke. Lehteres war unstreitig mit ein Grund, daß Gleim überall bekannt war und überall gelesen und gesungen wurde. Bei seinem

Eifer für die Blüthe der deutschen Poesie, der bei ihm aus rei nem Patriotismus entsprang, galt ihm jeder willkommen, der auf den Parnaß zusteuerte; und er blieb nicht bei lautem Jubel stehen, er ließ es nicht an Rath und Unterstüßung, wo es nöthig war, fehlen. Er pränumerierte nicht blos auf alles Neue, sondern sammelte auch Subscribenten und Pränumeranten, und so machte er sich wieder Freunde. Uebrigens scheint er eine besondere persönliche Anziehungskraft gehabt zu haben; die allerverschiedensten Charaktere waren seine Freunde: Kleist, Klopstock, Uz, Göh, Lessing, Wieland, Jacobi, Basedow, Lavater, Heinse, Göckingk, Voß, Stolberg, Herder, Johannes Müller, später Jean Paul, und mit allen unterhielt er den eifrigsten Briefwechsel. Durch ihn erhielt der Freundschafts-Enthusiasmus und die Sitte, nach aller Welt hin freundschaftliche Briefe zu schreiben, den höchsten Schwung, eine Erscheinung, wodurch sich jene Zeit vorzüglich charakterisiert. Partheien, die sich sonst gegenseitig anfeindeten: in Halberstadt bei Gleim fanden sie alle Aufnahme, und seine Poesie selbst griff um sich wie ein Fieber; nicht nur Wieland und Gerstenberg tändelten eine Zeit lang, sondern selbst Lessing und Weiße; im Elsaß pflanzte sie Pfeffel fort, in Niedersachsen und Schwaben, in Franken und in der Schweiz überall finden wir Anakreontiker und Petrarchisten, Epigrammatiker und Volkssänger, Idyllenschmiede und Epistelschreiber, und alle berufen sich auf Vater Gleim, von dem sie das Patent empfangen haben.

§. 89.

Der Klopstockische Kreis.

Klopstock tadelte seines Gleims Dichtungsweise keineswegs; denn da sie in der That rein und unschuldig war: so hielt er sie für eben so berechtigt als die seinige; es konnte aber kein größerer Gegensah stattfinden als zwischen diesen Dichtern, und eben weil sie sich auf ihrem Wege nie trafen, deshalb vertrugen sie sich. Klopstocks Dichtungen der Liebe beruhten alle auf Erlebtem, auf wahrer Empfindung; Gleim hatte nie geliebt und seine unzähligen Liebeslieder sind reine Schalkheit. Klopstocks vaterländische Dichtung hingegen war großentheils Erfindung, Gleims

beruhte auf der unmittelbaren Wirklichkeit; Klopstocks religiöse Poesie ist durchaus christliche, Gleims niemals, denn er hielt sich stets in allgemeinen philosophischen Betrachtungen. Klop: stock singt von Christus und den Engeln und Seligen, Gleim von Amor und Bacchus und den Grazien; Klopstock von Hermann und den Barden, Gleim von Friedrich dem Großen und dessen Soldaten; Klopstock von der göttlichen Fanny und der zärtlichen Eidli, Gleim von tausend Mädchens und Nymphen.

Diesen Gegensah zur Klopstockischen Muse fühlte die Mitwelt so gut als den zur Gottschedischen, und eben deshalb liebte man die Gleimische nur desto mehr; man wollte sich von den Anstrengungen, welche die Beschäftigung mit Klopstock erforderte, in dem leichten Amusement mit Gleim erholen, und that auch nicht Unrecht daran. In der That führte das Auftreten und die Geltung der Halberstädter manches Wohlthätige mit sich; denn die von Kopenhagen ausgehende Poesie wurde immer melancholischer, dunkler, rhetorischer, der heitern Kunst abgewendeter. In Kopenhagen und Dänemark nähmlich hatte sich um Klopstock ebenfalls ein Kreis von deutschen Dichtern und Gelehrten gesammelt, unter denen wir nur Heinrich Schlegel, den Bruder von Elias und Adolf, Joh. Andr. Cramer, Benedikt Funk, Balthasar Münter, Friedr. Gottlieb Resewih, Joh. Bernhard Basedow, Helfrich Peter Sturz, Hans Wilhelm von Gerstenberg und Jak. Friedr. Schmidt nennen wollen. Alle diese Männer hatten ein ernstes, aber oft sehr einseitiges Streben. Cramer, Münter und Funk widmeten sich ganz der christlichen Poesie und Cramer verfiel dabei in ein rhetorisches Pathos, das schlimmer war als die Tändelei der Halberstädter. Resewiß und Basedow beschäftigten sich mit Philosophie und Pädagogik und bereiteten die bald erscheinende Revolution im Erziehungswesen hier vor; Heinrich Schlegel übersetzte englische Tragiker und erhielt dadurch Wichtigkeit, daß er es ist, der den fünffüßigen Jambus im Tragischen einführte. Der bedeutendste unter allen diesen Männern ist Gerstenberg (1737-1823). In Jena, wo er studierte, hatte er sich der Geßnerischen und Gleimischen Richtung ergeben und prosaische Gedichte geschrieben, welche 1759 (Tändeleien) und 1760 (Pro

saische Gedichte) erschienen. Als er nach seiner Nückkehr in's Vaterland mit dem Klopstockischen Kreise bekannt wurde, nahm er an den ernstern Bestrebungen desselben Antheil. J. J. 1766 erschien sein Gedicht eines Skalden, worin er die Götter der nordischen Edda einführte, und durch ihn soll Klopstock erst auf die Bertauschung der antiken mit der scandinavischen Mythologie gekommen sein. Umgekehrt übte Klopstock auf ihn bedeutenden Einfluß; denn 1768 erschien die Tragödie Ugolino, die offenbar auf Klopstocks Tod Adams gebaut ist, denselben aber an kräftiger Haltung weit übertrifft. Gerstenberg läßt sich mit Thümmel vergleichen; wie dieser ein ausgezeichnetes Talent, erwartete er immer erst Anregung durch andere, übertraf dann aber seine Vorgänger in der Regel. Seine Tändeleien und prosaischen Gedichte stehen über Geßners Idyllen, so wie sein Ugolino weit über dem Tode Adams. Der Mann ist überdem das durch merkwürdig, daß er zuerst den charakteristischen Unterschied in der Poeste der verschiedenen Nationen untersuchte. Dies geschah in einer Zeitschrift, die sich gewissermaßen den Literaturbriefen entgegenstellte: »Briefe über die Merkwürdigkeiten der Literatur (1766. 1767). Gerstenberg machte dann auch neben Lessing zuerst auf das Genie Shakespeare's aufmerksam, wie denn dieser ganze nordische Kreis mit Vorliebe die englische Poefte betrachtete, wieder ganz im Gegensah zu den Halberstädtern.

§. 90.

Ueberblick der Bestrebungen.

Ueberblicken wir die Bestrebungen und Neigungen, welche außerhalb der Gottschedischen Schule in den fünfziger und sech-= ziger Jahren besonders vorherrschten, so treten deren besonders fünf hervor: christlich-religiöse, patriotisch-deutsche, landschaftlichidyllische, lehrhaft-satyrische und philosophisch-kritische. Als Grundlage aller Poeste galt die Empfindung, deren Stelle aber oft Wih vertreten mußte; als das Ziel aller Dichtung sah man die Erregung starker Empfindung und moralisch-intellektueller Beleh= rung an, und zwar betrachtete man die Veredlung und Erhöhung der Gefühle, die Rührung des Herzens, die verstärkte

Einsicht in die Verhältnisse der menschlichen Zustände nicht als eine Folge der Poesie, sondern als ihren Zweck, den der Dichter bei seiner Arbeit stets im Auge haben müsse. Daher nun das Vorwiegen der Lyrik und Didaktik, wobei dort das Schwungvolle und Witzige, hier das. Predigende und die allegorische Einkleidung vorzugsweise geschäht wurde, daher auch die allgemeine Verbreitung der Allegorie und der Fabel. Die landschaftlich - idyllische Dichtung wollte alle Zwecke vereinigen: sie wollte die Empfindung beleben, den Wih geltend machen, sittlich belehren und reizende Erfindungen geben; ebenso suchte sie Poesie und Prosa, Vers und Nichtvers zu vereinigen. Auch die Prosa war vorzugsweise didaktischer und rhetorischer Natur und suchte durch Wiz und Beredsamkeit zu wirken. Von einer Dichtung, deren Gegenstand das Rein- Menschliche wäre, ahnete man etwas, ohne sich derselben jedoch klar zu werden, oder auch ohne sie zu wagen. Die neu auftauchende Poeste der Liebe und Freundschaft gehört ganz hierher; allein man verlor sich auch hier in überspannte ätherische Empfindung, der alle sinnliche Auffassung fehlte, oder verlor sich in's Tändelnde und Wihelnde. Alle Dichtungsarten, worin es auf klare und kräftige Darstellung menschlicher Zustände, auf Entwickelung großer Charaktere und Leidenschaften ankommt, hatten ein kümmerliches Daseyn. Das Drama lag ganz unter Gottschedischem Zwange; die neu entstehende Bühne behalf sich mit Uebersehungen, und wo die Klopstockische Schule diese Form ergriff, verfiel sie ins Lyrische; dasselbe gilt vom Epos, welches entweder ganz poesielos war, oder sich in Allegorie und Didaktik verlor. Selbst der Roman, welcher immer fortgedauert hatte, war entweder ganz werthlos und platt, oder er scheiterte an dem Grundsahe, daß er die Empfindung nähren und einzelne Belehrungen geben müsse, und hier ist Johann Timotheus Hermes aus Pommern (1738–1821) sehr merkwürdig. Sein berühmter Roman „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“ fällt zwar erst in die fiebziger Jahre; allein die Richtung desselben erinnert ganz an das vorhergehende Jahrzehnt. Der Verfasser zeigt wirkliches Talent, Handlungen in Scene zu sehen und wirkliche Charaktere zu schildern; allein er verdirbt alles wieder durch falsche Empfindung und ungehörige

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