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an dieselben anknüpfte, und Winke gab, wie demselben abzuhel fen sey. Wie in der Sprache alles Schulmeisterliche vermieden wurde: so auch in der ganzen Betrachtungsweise. Die vier Hauptarbeiter stimmten hierbei trefflich überein. Mendelsohn und Nicolai waren Männer voll praktischer Erfahrung, welche den üblichen Pedantismus der Gelehrten gar nicht kannten; Less fing und Abbt bedeutende Gelehrten, welche aber alle Gelehrjamkeit verachteten, die keine Wirkung auf Gesinnung und Leben ausübte.

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Das Bestreben der Literaturbriefe: gieng, nun dahin: alles Charakteristische in den literarischen Erscheinungen an's Licht zu ziehen, sowohl das Ausgezeichnete, als das Schlechten und) Unwürdige; dann die Hemmnisse aufzudecken, wodurch eine gedeihliche Entwickelung der Sprache und Literatur verzögert würde. Erstens stimmten sie das Triumphgeschrei über die vielen neuentstandenen Dichter sehr herab; sie zeigten, daß Darstellung des Menschen die höchste Aufgabe der Poesie sey; sie zogen daher gegen alle bloß lehrende und beschreibende Poesie zu Felde; fie verlangten, daß wenigstens die Landschaften der mahlerischen Poesie mit Menschen bevölkert seyen, daß man lieber, wenn man einmal beschreiben wollte, die Sitten und Zustände der Menschen beschreiben möge, und forderten daher zur Beobach: tung und zum Studium des Menschen auf. Sie wiesen ferner darauf hin, daß die Fertigkeit zu reimen und dem Gedanken Sprache zu geben, wohl ein Mittel der Poeste, aber noch nicht die Poeste selbst seyen; sie erklärten, daß mit dem bloßen Di: lettantismus, in der Literatur nichts gethan, sondern ein höherer Ernst dazu erforderlich sey; daß es Dichtungsarten gebe, an welche sich die gepriesensten Dichter der Zeit gar nicht gewagt hätten: solche bei welchen eine gute Dichtersprache das lehte sey, worauf man sehe; solche die hauptsächlich Erfindungskraft, Bildung der Charaktere und Behandlung der Leidenschaften, erforderten.

Zweitens zeigten sie, daß der größte Theil der neuen Dichter Nachahmer seyen, und zwar Nachahmer von Dichtern, die selbst wieder dem Einflusse der Ausländer ihr Ohr geliehen hatten, noch dazu solcher Ausländer, deren Ruhm und Genie

sehr` zweideutiger Natur wären (Young, Thomson, Pope, Richardson und die neuern Franzosen). Sie stellten vortrefflich in's Licht, wie thöricht und wie gefährlich es sey, irgend einen jezt lebenden » Ausländer sich zum Muster zu nehmen, dessen angestaunted Vortrefflichkeit+ in®-einer besondern Neigung der Fremde ihren Grund habezfte stimmten daher nicht in das unbedingte Lob Rousseau's und Voltaire's, Youngs und Pope's ein; fie verwiesen auf die Alten und auf Shakespeare; denn was bei diesen der Zeit und der Volkseigenthümlichkeit angehöre, könnten wirs jest scheiden, das Dauernde, zu allen Zeiten Musterhafte aber bleiben? eine Ansicht, die nicht genug wiederholts werden tanne Sie forderten zu Originaldichtungen auf und sehten Erfiüdung und Genie über den guten Geschmack. 931 Drittens sprachen sie die Ueberzeugung aus fede Literatur müsse den Anlagen und Neigungen ihrer Sprache und ihrer Nation angemessen seyn und diese auszubilden suchen, hingegen alles beiseit lassen, wofür weder die Sprache Talent," noch die Nation Neigung habe. Jede Rachahmung der Franzosen sey daher schon deshalb abzulehnen, weit sowohl die Sprache als der Charakter derselben ganz verschieden "vön dem Genius des Deutschen sey. Sie zogen salso die englische Literatur vor, nicht deshalb weil sie an sich besser sey, sondern weil Sprache und Charakter der englischen › Nation mehr "mit der "dentschen in Verwandtschaft stehemums # 96 910 &

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Man könnte als den Vertreter der ersten Forderung besons ders Mendelsohn nennen, als den der zweiten Abbt, und für die dritte Vessing; allein die Gegenstände und Ansichten wurden früher mündlich, später schriftlich so durchsprochen, daß ein gegenseitiger Freenaustausch stattfand; nur so viel steht fest, daß Lessing Form und Ton angab, Mendelsohn und Abbt die meisten Ausführungen lieferten: Ein allgemeines Princip der Kunst stellten siesznicht auf und unterschieden sich dadurch von spätern ähnlichen Unternehmungen. Die Literaturbriefe waren aber nicht nur für ihre Zeit eine der wichtigsten Erscheinungen, die wesentlich zu der späteren Zeit beitrug, sondern sie sind bis auf diese Stunde eines der anziehendsten Werke; denn obwohl sie nur ihre Zeit im Auge hatten, warfen sie doch so tiefe und

klare Blicke in das Getriebe aller Literatur, und dies alles in fo vortrefflichem Vortrag, daß sie immer ein junges, ewig fortwirkendes Buch bleiben werden.

§. 86.

Ramler.

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Hatte nun in Berlin, wo nach der Beendigung der Literaturbriefe Nicolai die berühmte allgemeine deutsche Bibliothek gründete, die öffentliche Kritik ihren vornehmsten Sih, so finden wir hier auch den Mann, der durch Rath und Beihülfe vielen Dichtern der damaligen Zeit als eine wichtige Stüße galt und selbst als Dichter eines bedeutenden Rufes genoß: Withelm Ramler aus Pommern (1725-1798). Dieser › Mann ist

ebenfalls als Kritiker bekannt; aber in ganz anderm Sinne als Lessing und Mendelsohn; denn er beschäftigte sich nicht mit der Literatur unde Poesie im Ganzen und Großen, sondern mit der Verbesserung im Einzelnen und der Theorie der Gattungen. Er war wirklich ein Mann von poetischem Sinn und Geschmack, ohne besonders productiv zu seyn; er besaß ein feines musikalisches Ohr, Gefühl für poetische Entwickelung und die Herrschaft über eine würdevolle und doch faßliche Sprache Eigenschaften, die ihn zu einer Zeit bedeutend machten, wo man über der Würde gern die Faßlichkeits oder über der Faßlichkeit die Würde vergaß, so daß die Würde zum Geheimnisvollen und das Faßliche zum Platten sich verwandelte, zu einer Zeit, wo die gepries sensten Dichtungen nur Mosaikarbeit waren, deren Theile in gar keiner nothwendigen Verbindung standen, und wo man einen musikalischen Vers nach antikem Muster versuchte, ohne daß das Ohr schon an fließenden oder geschmeidigen Vortrag gewöhnt gewesen wäre. Ramler nun hatte nicht bloß Gefühl für musikalische Schönheit der Dichtung, sondern besaß auch die Gabe eines schönen mündlichen Vortrags. Ganz abgesehen also von seinen eigenen Dichtungen, genoß er eines großen Ansehens als Kenner, Lehrer und Rathgeber; er, der als Lehrer am Cadettencorps in vielfacher Verbindung mit Offizieren stand, war es vorzüglich, der unter einen großen Theil des preußischen Offiziercorps Sinn für Poesie und Neigung zu edleren Beschäf

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tigungen des Geistes brachte. Er sammelte, was die deutsche Poesie an kleineren Erzeugnissen in der didaktischen und lyrischen Gattung hervorgebracht hatte, änderte aber hier ganz eigenmächtig und spielte dieselbe Rolle, welche im Mittelalter die sogenannten Merker übernommen hatten, und dies Verfahren wandte er auch bei noch lebenden Dichtern an, von denen viele seine Veränderungen gern annahmen, während audere aufs bestimmtesten sich dagegen erklärten. Es ist ganz richtig, daß Ramler bei lebendigem Sinn für das Schickliche, Wohllautende und Gerundete zu wenig Achtung für die Eigenthümlichkeiten des einzelnen Dichters hatte; allein wer ihn deshalb einen unberufenen pedantischen › Verbesserer ›schilt, der beweist, daß er entweder das Verfahren dieses Kritikers nicht aus eigener Bers gleichung kennt oder die Umstände der damaligen Zeit nicht in Anschlag bringt; denn soviel ist gewiß, daß es dazumal galt, vorerst die Sprache aus ihrer Rohheit und Verderbnis zu reißen; und das vermochten nur große Genies oder feine Kritiker. Derjenige, welcher sich am heftigsten gegen Ramler empörte, Lichtwer, hatten bei aller Tüchtigkeit doch bewiesen, daß es ihm an durchgreifendem Geschmack und an fließender Sprache fehle, und eben deshalb weit weniger Beifall gefunden als Gellert, den er an gestaltender Kraft weit überragt.

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Als Dichter zeigt Ramler eine würdige und schöne Sprache, poetische Erfindung und Gabe der Gestaltung, und alles dies in der glücklichsten Mischung; aber es fehlt ihm alle eigenthümliche Weltanschauung; er ist mehr Künstler als Poet, und mehr Poet im Allgemeinen als deutscher Dichter; hätte er einige Jahrzehnde früher gelebt, so würde er lateinisch gedichtet haben; denn seine Sprache, seine Bilder, die Art seiner Anordnung, alles ist dem Horaz nachgebildet. Zu Klopstock steht er in einem estrengen Gegensahe. Dieser nahm nur die Form von Horaz, nicht dessen Weltanschauung; Ramler im Gegentheil, ohne die metrische Formen des Horaz vorzugsweise nachzubilden *), sucht die Welt anzusehen wie Horaz, und ein großer

* Denn feine beften Oden und musikalischen Gedichte find nicht in antiken Bersmaßen.

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Theil seiner poetischen Zierrathen hat mehr antiquarischen Werth und wirkt nicht unmittelbar poetisch. Im Gegensatz zu Klopstock nimmt er auch nicht das ganze Deutschland zum Gegenstande seines Preises, sondern seinen König, aber als ächter Horazianer wählte er auch hier römische Bilder, Nahmen, und Einkleidungen.

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Die patriotische Richtung war es, was Ramlern, einen so bedeutenden Ruf als Dichter schuf; denn, die formelle Correctheit und die musikalische Schönheit seiner Poefte wußten begreiflich nur Keuner zu würdigen, soŋ wie das antiquarische Beiwerk nur solchen gefallen konnte, die durchaus einen deutschen Horaz ersehnten, ein Nahme, der jetzt drei Dichtern beigelegt wurde: Lange, Uz und Ramler. Sey es nun wirklicher Patriotismus oder ein glücklicher poetischer Wurf gewesen: den Ruhm Friedrichs des Großen zu besingen, war eine würdige Aufgabe des Dichters, und der Gehalt, den die Lyrik dadurch erhielt, wirkte, wie ein Zauber. In dieser patriotischen Dichtung hatte aber Ramlers Freund, Gleim, schon früher den Ton angeschlagen; seine preußischen Kriegslieder, deren erste im I. 1758 erschienen, wirkten außerordentlich. Hier erhob sich Gleim von seiner frühern tändelnden Richtung zu einer männ lichen Poesie und bewies deutlich, was das einfache Talent leisten kann, wenn es Gegenstände, die wirklich die Zeit bewegen, zur Aufgabe wählt und so der Dolmetscher allgemeiner Gefühle wird. Der Ton sollte populär seyn und ist es auch für die damalige Zeit, die sich wieder dadurch charakterisiert, daß selbst in Volksliedern von Athen und Sparta, Mars und Apoll, Asssaph und David die Rede ist *). Selbst zu diesen Liedern des preu

*) So beginnt gleich das erste Lied (bei Eröffnung des Feldzuges):
Krieg ist mein Lied! weil alle Welt Krieg will, so sey es Krieg!
Berlin fey Sparta! Preußens Held gekrönt mit Ruhm und Sieg!
Und in dem Siegesliede nach der Schlacht von Lowofiß heißt es:
Wir hatten Nacht, er aber nicht. Du, hoher Paschkopoll!
Sahßt ihn, im Heldenangesicht den Mars und den Apoll!

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