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gefänge zu Ehren Hermanns und ähnliches; denn daß die sålteste und ursprünglichste Dichtkunst Lyrik gewesen sey, davon war man fest überzeugt. Klopstock, der sich um die durch Bod: mer wieder aufgefundenes mittelhochdeutsche Poesie fast gar nicht bekümmerte, hatte desto mehr mit der verloren gegangenen zu thun. Er lernte das Gedicht kennen, das ich S. 82 erwähnt habe und das jezt Heliandogenannt wird. Sowohl in der Edda als im Heliands herrscht eine Sprache, die Klopstock schon früher angestimmt hatte, umschreibend, geheimnisvoll, die Berse frei und doch auch wieder durch ein Geset‹bestimmt.♫» Daß: dieses Gesch, die Zahl der Hebungen sey; daß die Bindunge der Zeilen durch die Alliteration bewirkt worden; daß jene stehenden Ums schreibungen und dieses Geheimnisvolle großentheilsomit auf der Alliteration berube:→ von allem diesem hatte damals kein Mensch eine Ahnung. Genug, Klopstock, glaubte hier Ueberrestes der wahren Naturpoesie ɑund) Naturmetrik entdeckt zu haben; und er wandte sich nicht nur mit entschiedener Liebe zu den eingebildeten Formen hin, sondern zu dem Gegenstande selbst; er wollte geradezu die alte Bardenpoeste wieder erwecken. Gleims Kriegslieder waren erschienen, und Lessing hatte den Dichter mit den alten Barden verglichen. Klopstock meinte, es sey jedenfalls rühmlicher, Hermann und die Helden der Vorzeit zu besingen, als den undeutschen Friedrich. Bis dahin hatte er, die christlichen Oden ausgenommen, überall die griechische Mythologie angewandt. Diese wurde jeht ganz verdammt; ja er arbeitete alle frühern um, und die altgriechischen Nahmen mußten altscandinavischen und keltischen weichen`). Hatte er früher heis lige und profane Dichtung, einander gegenübergestellt (Harfe und. Laute, Palme und Eiche): so traten sich nun germanische und griechische Poesie gegenüber, Telyn und Cyther, der Hain und der Hügel (Pindus). Eine Menge Oden von 1766 bis 1773

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*) Denn die nordischen und feltischen Nahmen, die sich in Klopstods erfter Ode „Wingolf" finden, find alle erft später hineingebracht wor den. So heißt auch die Elegie: „Selmar und Selma" früher: Daphnis und Daphne"; anstatt der „Barbale" fteht früher,,Aëdon"

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geben Beugnis von diesen Bestrebungen, und 1767 trat er mit der Hermannschlacht hervor, welcher später zwei - Fortfehungen folgten. Mögen wir nun Dichtungen dieser Art von Seiten der historischen Wahrheit oder nder poetischen Berechtigungs ansehen: wir werden die kolossalesten Irrthümer darin finden. Allein es lag hier vieles zu Grunde. Das Urgermaneuthum war eigents lich schon längst, wie das Christenthum p› den. Dichtern und den Vaterlandsfreundew eins (wichtiger Gegenstand. & Gleich mit der Reformation kam es vielfältig zur Sprache; Moscherosch beschäftigte sich damit, Lohensteins wandte seine ganze Kraft auf den Arminius Johs Andr Cramer wollte den Hermann (denn sonbatte manden Nahmen werändert) besingen, Schönaich (bes sang sihn nendlich und Elias Schleget smachte ihn zum Helden eines Trauerspiels. Zu diesen allgemein - deutschen Anregungen kamen persönliches Klopstock nähmlich hielt sich selbst für seinens ächten Cherustersunds hatte für seine Vorfahren die reinste Bes. geisterung. Auch war er im Stoffe für seine Oden einigermaßen verlegen. Seiner ganzen Natur nach neigte er sich zum Heitern; allein seine Freunde verlangten nur feierliche und erhabene Töne von ihm, einen Zwang, über den er in Briefen an Gleim auss drücklich klagt. Von entscheidendem Einflusse auf diese Richtung war die Erscheinung Ossians. Im J. 1761 machte der Schotte Makpherson denselben bekannt. Daß diese Dichtungen, wie ste vorliegen, die Schöpfung eines neuen Dichters seyen, fiel in Deutschland niemanden sein. Ofstan, in welchem durchgehends Empfindungs und Gefühl herrscht, so daß alle äußere › Gestaltung verschwindet, übte ungeheuren. Einfluß bei uns; viele wollten nun von den Alten gar nichts mehr wissen und setzten Ossian weit über Homer, und sie hatten auch durchaus recht, da als tas ächte und rechte Merkmal eines Dichters gefordert wurde, daß er stets und fortwährend das Herz-rühre. Klopstocks Nahme aber mußte natürlich noch steigen, da man in ihm einen neuen Ossian erblickte, wie man ihn früher als den deutschen Homer, Horaz und Pindar begrüßt hatte.

Im I, 1771 verließ Klopstock Kopenhagen, und im I. 1776 bis an seinen Tod im 3. 1803 lebte er ununterbrochen in Hamburg ein stilles Gelehrtenleben im Zirkel weniger Vers

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ehrer und Freunde; 1771 kamen seine Oden gesammelt herausz in demselben Jahre erschien die Gelehrtenrepublik. Noch später fallen die Fortsehungen der Hermannschlacht und seine grammatikalischen Untersuchungen. In der Odendichtung schlug er fortan keinen neuen Weg ein, sondern betrat bald diesen, bald jenen der früher eingeschlagenen. In der lehten Zeit seines Lebens beschäftigte ihn noch die franzosische Revolution, die er als ein Prophet erst segnete, später wieder als Prophet verfluchte, so wie er früher das Auftreten Kaiser Josephs und die Hoffnungen, welche die deutsche Literatur auf denselben seßte, beifällig feierte, später den Mann verspottete, da zer nicht Wort hielt. Ueberhaupt gewöhnte er sich, über alle wichtige Erscheinungen von Zeit zu Zeit Orakelsprüche ertönen zu lassen, und ohne daß er später Einfluß auf den weiteren Gangs der deutschen Poesie gehabt hätte, blieb doch sein großer Ruhm ungeschmälert, auch bei dem jüngeren Geschlechte, das seiner Bahn nicht weiter folgen mochte.

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Betrachten wir nun den wunderbaren Mann und dessen Zusammenhang mit der Zeit näher: so müssen wir auf Brockes zurückgehen. Es ist S. 305 bemerkt worden: daß Brockes zuerst wieder Anschauungen ausgesprochen habe1; aber ohne auf die wirkliche Sphäre des menschlichen Lebens einzugehen, und daß er durch seine religiöse Anwendung › der Naturbetrachtung für die Empfindsamkeit den Weg #gebahnt und so eine Verbindung der Poesie mit religiösen und sittlichen Forderungen vorbereitet habe. Diese Richtung setzt sich nun in den Leipziger Kreisen fort und erreicht in Klopstock ihre Vollendung. Gellert und seine Freunde bewegen sich alle innerhalb der Em pfindung und der sittlichen Betrachtung; sie lassen die Thiere reden, deren Neigungen und Charaktere bekannt und feststehend find, oder sie sprechen allgemeine Gefühle und Erfahrungen aus. Darstellung des wirklichen Lebens, bestimmter Sitten und individueller Charaktere gelingt ihnen nicht; wagen sie sich in dieses

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er besingt sie, weit

Feld, so verunglücken sie, wie dieses Gellert in feinen Lustspielen, Zacharia in seinen komischen Epopöen beweist. Bei Klopstock steigert sich nun alles; was nicht auf seine Empfindung wirkt, liegt ganz außer dem Bereiche seiner Poeste, und Empfindung fällt bei ihm zusammen mit Liebe und Haß. Er besingt also eine Menge Dinge, die entweder gar keines Liedes werth find, oder wenigstens teiner feurigen Ode; er sie liebt oder haßt, z. B. die verschiedenen Versfüße *). Nun strebt er saber auch zu weit bedeutenderen Formen als seine Freunde zum Epos, zum Drama, zur höchsten Lyrik. Die Gesinnungen und Handlungen wirklicher Charaktere, die Ver wickelung einteressanter » Begebenheiten zu schildern, wäre ihm aber unmöglich; denn der einzelne Mensch hat für ihn nur Werth, insofern er seine Liebe oder seine Verachtung verdient, und jede Thatsache_nur, insofern er sie bewundert oder betrauert. Erwählt also Engel und Teufet, unschuldige und bereuende Menschen und verhärtete Sünder und Bösewichter; Himmel und Hölle oder eingebildete Räume der Erde und Zeiten, die nie waren, liefern die Scenen, wohin die Strahlen seiner Dichtung fallen; hier kann er seine Wesen so gut oder so böse, so häßlich mahlen, als er will, und die Umgebungen, den Zusammens hang von Ursachen und Wirkungen so schildern, wie seine Liebe oder sein Haß es verlangt. Und dies gilt nicht etwa bloß vom Messias, sondern auch von seinen Dramen, ja sogar von seiner Gelehrtenrepublik und den grammatischen Gesprächen; denn auch die lehtern sind Erzeugnisse der Liebe und Verachtung, nicht der ruhigen Betrachtung des wissenschaftlichen Forschers. Er liebte die deutsche Sprache, die deutsche Poesie, das deutsche Vaters land inbrünstig, und um sie so lieben zu können, legte er ihnen Tugenden bei, die sie zum Theil gar nicht haben, blickte in die Zukunft und sah mit Entzücken später das erfüllt, was er wünschte. Nie hat ein Dichter so viel prophezeit als Klopstock; weniges aber ist in dem Sinne erfüllt worden, in dem er es meinte.

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Auffällig ist seine außerordentliche Vielseitigkeit. Er hat

*) In der Ode: Sponda.

*siche in allen's Hauptgattungen der Poeste versucht ist als Epifer, Dramatiker und Lyriker aufgetreten und auch als Lyriker in mannigfaltigen Tönen; denn das leichte, gesellige Lied war ihm keineswegs fremd). Ere versuchte sich ferner nicht nur als Dichter, sondern auch als philosophischer Schriftsteller, als Grammatiker und Aesthetiker **). Allein Klopstock war nur Dichter, hat nur als solchers auf seine Zeit gewirkt. Er schob beim Philosophieren Empfindungen anstatt Gedanken unter und so haben auch seine ästhetischen und sprachlichend Untersuchungen wenig Werth, ja ste haben dem Dichter Klopstock #geradezu@ge= schadet, denn seine Sprache ward immer unverständlicher sein Bers immer unlesbarer, seine Poeste abstrakter, je mehr er über Sprache, Versmaße und Aufgabe der Poesiennachdachte hiere

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Aber auch die poetische Sphäre, wohin ihn die Naturges wiesen hatten war nur die lyrische, eben weil seine poetische Einbildungskraft erst durch Empfindung des Herzens in Bewes gung gesetzt wird. Daher sprechen auch alle Personen seines Epos und feiner Dramen Empfindungen aus, große und starke oder zärtliche und sanfteter Satan empfindet bei ihm so stark als Gott und Bater und ist eigentlich so erhaben als dieser. Aber gerade dadurch wirkte er so bedeutend; dass starrgewordene Leben und die conventionelle Poesie hatten daran gewöhnt, die Empfindung zu unterdrückenz-und nun trat-plößlich ein Dichter auf, der gang Empfindung war der sich nichtscheute, alles aufzudecken, was er gelitten und gestrebt, gedacht und gefühlt. Die vorhergehende Poefte folgte, bewußt oder unbewußt, dem Grundsahe, der Dichter brauche das nicht erlebt und gefühlt zu haben, was er ausspreche die Dichterkunft bestehe vielmehr darin über alles Mögliche sprechen zu können, lound) sey » nichts

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*) Beweis dafür die zarten Lieder im ersten Bande der Oden: das Band, Edone und mehrere Lieder in den Bardieten.

**) Seine Abhandlungen über Sprache, ~ Vers, Poefie und Kunft und Christenthum erschienen fast alle in verschiedenen Zeitschriften, einige als Vorrede zu den einzelnen en Bänden des Meffias. Gesammelt und

ben wurden die meisten später von Back und Spindler äßßetische Schriftenopstocks sämmtliche sprachwissenschaftliche und

unter dem Titel:

Leipzig 1830. 6 Bände."

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