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fünften Bande seiner poetischen Betrachtungen (ebenfalls 1751) äußert er sich entrüstet folgendermaßen: „Wir haben diejenige „natürliche, leichte, fließende und mit einem Worte mensch„liche Art zu dichten, auch in unserm Alter nicht verlassen wollen, „welche wir vormals in der blühenden Jugend wohlbedächtig »angenommen haben. Man wird auch in diesem Theile keine „dunkeln, schweren und räthselvollen Ausdrücke von den steilen »und unwegsamen Alpen oder aus der neuen Arche Noah und „den duftigen Cedern des Libanon her viel minder aber so»genannte schöpferische Erfindungen antreffen. Es sollte »mir leid thun, wenn ich unter die Afterschöpfer gezählt werden „könnte. Die neuen Heldengedichte, deren bisher so ungestümes „Lärmen zum Troß der gesunden Vernunft und Beleidigung des „Wohlklangs allenthalben gehört worden, sind nur für die rau"hen und schwermühigen Einwohner des Saturns; unsre natür„lich denkenden, Weltbürger werden sie nicht eher verstehen, als »bis sie in ein reines Deutsch und in eine menschliche Dichtart „überseht werden. Schöpferisch schreiben, schöpferisch „dichten sind strafbare und unchristliche Ausdrücke. Wir „wissen aus der Schrift, Vernunft und Natur, daß nur ein „einziger Schöpfer ist. Die Weltweisen, ja Gottesgelehrten »selbst, hätten es besser überlegen sollen, ehe sie die SchöpferSie „würde einem ohnmächtigen Geschöpfe zugeeignet hätten. „schaffen aber lauter Abenteuer, wie aus der Miltonischen Gei„sterhecke, aus Dante's Hölle u. s. w. mit Entsehen zu ersehen „ist. Wenn diejenigen Schöpfergeister sind, die ein paar Dußend »neue und zum Theil gar fromme und büßende Teufel ersinnen „können, wie sie in den bekannten Faustischen und Wagnerischen „Lebensbeschreibungen stehen; die Schaaren von Seraphs eigen„mächtig erdichten oder eine frostige und finstere Sonne unter „der Erde ungeheißen aufgehen lassen, als ob die oberste allge=

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Alles natürliche, kriechende ferne von dannen,

Silbenmaß, Reime, Abschnitt und andere Zierden entweichen,
Daß ich nichts menschliches oder gewöhnliches singe,

Sondern die Leser erstaunend, den Schwindel darüber bekommen,
Daß fie vor Freuden die Köpfe an Wänden zerstoßen.

»meine Sonne so eine unnöthige Nebengehülfin brauchte: so „müßten alle Trunkene, Träumende und Moudsüchtige auch in „die seltene Klasse der schöpferischen Geister zu sehen seyn." Selbst in den dänischen Landen eiferte man gegen die neue Verbindung von Christenthum und Poeste, und ein Dr Hudemann aus dem Schleswigischen schrieb eine Abhandlung über die schäd= lichen Wirkungen, welche der Messtas auf Religion und Gottesfurcht haben müffe. Dieser Hudemann hatte schon 1750 ein episches Gedicht, Friedrich Ill, herausgegeben, und verfertigte später mehrere geistliche Epen (Lucifer, der wiedererstandne Mes fias) und Dramen, um zu zeigen, wie man den Katechismus und die Poefte vereinigen könne. Als Hauptgegner stellt aber Gott: sched den sächsischen Freiherrn Otto von Schönaich auf (1725 bis 1804), der ein großes deutsches Heldengedicht herausgab (1751), Arminius, und in Leipzig feierlich zum Dichter gekrönt ward. Später (1757) fügte er an Arminiuß ein zweites Heldengedicht: Heinrich oder die gedämpften Hunnen, so daß wir hier deutlich sehen, wie sich alles um biblische und vaterländische Stoffe drehte.

Wie der Messias, so erfuhren auch die Oden sonderbare Schicksale. Während die Freunde und Freundinnen empftud: famer Dichtung dieselben als die größten Schähe ansahen, travestierten sie die Spötter und Feinde auf die barockeste Weise. Kurz, es entstand eine eigene Klopstock-Literatur, so wie wir später eine Göthe-Literatur erhielten. Merkwürdig ist es, daß durch die Zänkereien die Bezeichnung „ästhetisch" in Umlauf kam. Der Professor Baumgarten zu Halle, später in Frankfurt an der Oder, hatte eine Wissenschaft von der Theorie des Empfindungs- und Gefühlsvermögens aufgestellt und dieselbe Aesthetik benannt *). Sein Schüler, der schon oben genannte Meier in Halle, brachte dieselbe noch vor seinem Meister in's Publikum **), indem er i. I. 1748 die Anfangsgründe der schönen Wissenschaften herausgab. Eine eigene Fügung, daß in

*) Von alodnois: die Empfindung, sowohl als äußere denn als innere zu verstehen.

Baumgartens Aesthetica erschien erß 1750–1758.
Götzinger Lit.

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dem nähnlichen Jahre eine neue Theorie auftrat, die alles Schöne auf Empfindung und Gefühl zuführte, und ein Gedicht, dessen gauzer Werth auf der starken Empfindung beruhte, welche darin herrscht. Meier, der übrigens, noch unter Gottsched stand, da ihm alle Gelehrsamkeit des lehtern fehlte und er ein ganz leerer Schwäter war, schrieb auf Bodmers Unregung eine lange „Beurtheilung des-Heldengedichts der+Messias“ (Halle~1749 bis 1752), worin die ästhetische‹ Schönheit desselben, d. h.-hier: feine Wirkung auf Empfindung und Gefühl, zerlegt wurde. Die Feinde nannten nun die neuen Gedichte ästhetisch e, welcher Nahme bei ihnen als Spottnahme galt; ferner seraphische, weit im Messias, im Noah und andern Patriarchaden viel Engel vorkommen. Beide Bezeichnungen brauchte besonders Schönaich in seiner Satyres Die ganze Aesthetik in einer Nuß oder Neologisches Wörterbuch" re.*), und wie fein der Spott dieser Leute war, kann man daraus sehen, daß Schönaich anstatt Fesraphischstets sehraffisch seht.eler

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Uebrigens bewiesen die Vertheidiger und Angreifer des neuen Wesens keineswegs mehr Talent und Geschick als die Gegner, und die ganze Literatur gehört überhaupt dem-größten Theile nach zu dem Erbärmlichsten, was es damals gab. Die nahmhaftesten jüngern Dichter, wie Gellert und Rabener, schwiegen ganz, ebenso die ältern Hagedorn und haller. Dem correcten Gellert kam jedenfalls die ganze«Klopstockische Art höchst sonderbar vor nicht weniger seinen Freunden Weiße und -Uz. »Der Lettere sprach sich endlich öffentlich aus und verspotteten dien Patriarchaden in seinem komischen Heldengedichte „der Sieg des Liebesgottes«**) und -in einem poetischen Briefe an Hofrath Christ zu Leipzig, lud aber natürlich den ganzen Haß Bodmers und seiner Anhänger dadurch auf sich. Im Stillen waren Gellert, Weiße und Uz Anhänger von Gottscheds System, wollten aber nichts mit den Schildhaltern desselben zu thun haben. Klopstock selbst hat nie ein Wort in diesem Streite vers

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* Hier heißt es z. B.

fel❜ge Epocha ästhetischer Gedichte!

Reim, Wohlklang und Vernunft, ihr seyd, ihr seyd zu nichte. **) Am Ende des dritten Buches.ten

foren; er gewöhnte sich vielmehr, alle Kritik zu`verachten, hörte selbst auf keine Einwendung von Freunden*). THE

und

In diesem Streite machte sich aber auch der junge zwei und zwanzigjährige Leffing zuerst bemërkbar. › Er schrieb mehrere Briefe über den Messias, welche in dem literarischen Artikel der Bossischen Zeitung zu Berlin (1751) abgedruckt wurden, und in denen er die ungeschickten und zudringlichen Nachahmer und Lobredner des Dichters ebenso defb abfertigte, als er diesen selbst aufs beredteste vertheidigte und dessen poetische Größe, so wie seine Berdienste um das Christenthum nachwies. Natürlich verdarb er es mit beiden Partheien, und von einem Gottschedianer, vermuthlich Schönaich, erschien eine Art Heldengedicht: „Gniffel" (das umgekehrte Lessing), worin der junge Kritiker auf die elendeste Weise verhöhnt und persönlich angegriffen ward. 9910 Ich würde mich nicht so lange bei diesen Kämpfen aufgehalten, sa fie vielleicht gar nicht erwähnt haben, wenn dieselben nicht den Charakter der gesammten kommenden Literatur1voraus verkündigten, und über die Anstrengung beider Zeiten, der alten absterbenden und der neuen werdenden, ein helles Licht würfen. Viele, mit der geschichtlichen Entwickelung unsrer Dichtung unbekannt, meinen, in frühern Tagen sey jede schöne Gabe der Poesie mit allgemeinem Danke angenommen worden, und die verschiedenen Dichter und Schriftsteller hätten vor Zeiten in einem dauernden Frieden mit einander gelebt."Es'_mag_also_wohlthätig seyn," nachzuweisen, daß es vor hundert Jahren gerade so zugieng wie jezt;daß die neuere Literatur unter schweren Wehen geboren wurde; daß es ihr schon beim ersten Aufathmen nicht an Verfolgern "fehlte," jáasogar® nicht an Denuncianten, welche die Maske des Christenthums vornahmen, um nur die verhaßte Erscheinung in schlechten Ruf zu bringen."

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Verfolgen wir nun Leben und Dichtung Klopstocks weiter.

*) Als Basedow ihm nach dem Vorlesen einer Ode bemerkte, daß seine Leser diese Sprache gar nicht verftehen würden, antwortete er ftolz: "So müssen fie dieselbe verstehen lernen."

Im J. 1754 ward die geliebte Meta seine Gattin; 1758 starb fle, ein schwerer Verlust für den Gatten und für den vereinsamten Dichter. Die Vollendung des Messias schob sich immer weiter hinaus; die leßten fünf Gefänge erschienen erst 1773, also 25 Jahre nach den ersten dreien. "

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Bis 1754 nahm Klopstocks Dichtung im Ganzen den gleichen Gang In diesem Jahr aber überfiel ihn, als er seinen Eltern in Quedlinburg die neue Tochter zuführte, eine schwere Krankheit. Während derselben scheint ihn der Gedanke gedrückt zu haben, er sey in der Vollendung des Messias zu läßig ges wesen. In der Ode „die Genesung“ herrscht nur dieses Gefühl, und nicht einmal der Gedanke ist ausgesprochen, daß der Tod ihu von seiner Meta getrennt haben würde. Mit neuem Eifer überließ er sich ganz der heiligen Poesie*); schon 1755-erschien der zweite Band des Messias (Gesang» «VI › bis» ^X);μ1756 bis 1758 entstanden der Tod Adams und zwei Sammlungen geistlicher Lieder, denen sich die christlichen Hymnen anschlossen; 1763 endlich dichtete er sein Trauerspiel Salomo, dem bald darauf David folgte **).

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Dieser Zeitraum von 1754 bis 1764 bildet eine ganz neue Periode in Klopstocks Dichtung. Nicht deshalb weil er sich jetzt nur mit christlicher Poesie beschäftigte, denn das hatte er von jeher als Hauptaufgabe betrachtet. sondern deshalb weil seine Darstellungsart und seine ganze Ansicht von Poeste sich umwandelte. Alle Oden bis zum Jahr 1754, auch die Andachtsoden, waren in Horazischen Maßen gedichtet oder in solchen, die sich auf HoFaz bauten. Von 1754 bis 1764 wandte er sich von der antiken. Form entschieden ab. Jene Ode „die Genesung" klingt zwar noch von choriambischen und alkäischen Rhythmen wieder, erkennt aber kein eigentlich gebundenes Maß; und alle übrigen verwerfen nicht blos das Einhalten vorgeschriebener Versfüße, sondern so: gar die Strophenform***). Der Tod Adams erschien in Prosa.

* Mit Ausnahme einiger Gelegenheitsoden bei öffentlicher Veranlass sung, und auch diese tragen religiöse Färbung.

**) Ich gebe überall die Entstehungsjahre an; im Druck erschien Adams Tod 1757, Salomo 1764, und David erft 1772.

***) In der Sammlung der Oden finden wir freilich durchgängig

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