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Ein jeter strebt ergrimmt, des andern Wuth zu schwächen. Was hoch war, sprang wie Glas, wie schwer es gleich, wie groß,

Indem sie Thürme selbst aus ihren Mauern huben,

Und unter Schutt und Stein und Gras das Feld begruben. 75

Drauf brach das Wetter selbst noch erst mit Schrecken

los:

Der Donner rollt' und knallt', Blih, Ströme, Stra

len, Schloßen

Vermischten ihre Wuth; die rothen Flammen flossen
Und wallten überall, als wie ein feurig Meer,
In der geborstnen Luft entsehlich hin und her,
Worin zu gleicher Zeit, mit ungestümen Wogen,
Verdickte Regenström' und ganze Flüsse flogen,
Die öfters Boreas so durch einander trieb,
Daß die Gestalt nicht einst vom Wasser überblieb,
Indem es, wie gepeitscht, des Tages Licht verhüllte,

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Und mit ganz weißem Schaum die schwarzen Läfte füllte.
Ein steter Wolkenbruch stürzt eine dicke Flut
Mit brausendem Geräusch von oben durch die Glut,
Daß beides rauscht und zischt, beströmt das trockne Feld
Verschluckte das Getraid, ein allerschütternd Krachen
Brach allenthalben aus; es zitterte die Welt;
Die Berge wankten recht; es riß die schwarze Luft
Die düstern Pforten auf; sie schien ein weiter Rachen
Boll Flammen, Dampf und Glut; ja eine Höllengruft,
In deren lichten Pfuhl und ungeheuren Tiefe

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Ein schütternd Strahlenheer, daß Licht erschrecklich hell,

Bald rund, bald schlangenweis' und unbeschreiblich schnell,

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Da bliht es kurz, hier auch, wann's dorten zehnfach wittert,
Weil in dem langen Blih der ganze Luftkreis zittert.

Noch stralte Bliß auf Blitz mit fürchterlichem Schein,
Der Donner rollte nach mit gräßlichem Gebrülle:
Allein im Augenblick nahm eine sanfte Stille
Die fast betäubte Welt gemach von neuem ein.
Die Wolken theilten sich, so Duft als Nebel schwand;
Das holde Sonnenbild, des weißen Tages Quelle,
Goß eine See voll Glanz auf das beneßte Land
Und macht' im Augenblick so Welt als Nebel helle.
Die Wiesen funkelten; es glänzte Feld und Wald;
Ja selbst die Sonne wies in tausend feuchten Spiegeln,
Und bildet auf das Laub die flammende Gestalt.
Die Blumen haucheten, an den bewachsnen Hügeln,
In doppelt schönem Schmuck, den lieblich süßen Duft
Wie edlen Balsam aus und fülleten die Luft.
Es hebt die gelbe Saat den Halmen in die Höh',
Was eingeknickt, fängt an, aufs neu gesteift zu schwellen,
Und wallt wie eine See, mit sanft bewegten Wellen.
Des milden Himmels Saft liegt glänzend auf dem Klee.

Die Lüfte sind belebt

Von seltsam spielenden geschwinden jungen Fliegen,
Die Hit' und Nässe zeugt. Bald steigt, bald fällt, bald

schwebt

Die Meng', indem sie sich bald theilen und bald fügen.
Es läßt, ob kämpfe stets dies neu - belebte Völkchen ;
Bald öffnet es sich schnell, bald schließet es sich dicht.
Aufs Dunkle scheinet es wie Goldstaub, und im Licht
Ein falbes, sumsendes und lebendiges Wölkchen.
Die schnellen Vögel schwingen

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Die feuchten Fittichen von Zweig auf Zweig, und fingen
Aus einem neuen Ton, so lieblich, hell und schön,
Daß solche Stimmen uns fast an die Seele gehn.
Mit wenigem: es scheint Luft, Wiese, Wald und Feld
Ein altes Eden noch und eine neue Welt.

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Elpin, den jeht die Lust, wie vor der Schrecken triebe,
Besang mit frohem Muth des Schöpfers Eigenschaft.
Es ist die helle Sonn', ein Bild von Gottes Liebe,

So wie des Donners Grimm die Probe seiner Kraft.

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Daß Brockes mahlerische Wirkungen bezweckt, ergiebt sich von selbst; das Gedicht soll aber auch musikalisch wirken. Da her gehört schon, daß die Eintönigkeit des Alexandriners vermie den ist, der zwar vorherrscht, aber mit kürzern Zeilen abwechselt; daß ferner die Reime ohne bestimmte Regel oft sogar mit Dissonanzen sich folgen. Allein es sind noch ganz andre musikalische Künste hier angebracht: in den ersten 10 Zeilen, worin die Stille vor dem Gewitter geschildert wird, ist der Buchstabe N vermieden und herrscht vor; eben so erscheint von 3. 109 bis ans Ende kein R mehr. Ferner hat der Dichter eine Menge Allitrationen, Stimmreime und charakteristischer Lautverbindungen angebracht, die das Ohr vergnügen sollen, ohne daß man irgendwo von der Spielerei der Pegnißschäfer reden könnte. Ich habe die Hauptstellen unterstrichen; 3. 31 u. 3. 56 sind zu ihrer Zeit, wo solche Dinge unerhört waren, mit Recht bewundert worden, und man wird zugeben müssen, daß, vom historischen Standpunkte betrachtet, Brockes weit mehr geleistet hat, als Friedr. Rückert und dessen Nachäffer, und zwar, ohne die Sprache zu radebrechen; daß er ferner auch als mahlerischer Dichter weit über Matthison und ähnlichen steht, die in der höchsten Blüte unsrer Poesie wirkten und eine voller gebildete Sprache vorfanden.

Ich wiederhole es: Brodes hat Sachen gemacht, die aller Poesie fernstehen. Die Schilderung eines Gewitters, so wie aller Erscheinungen, die sich in der Zeit entwickeln, ist der poetischen Darstellung nicht fremd, da die Naturkräfte hier als wirkende Wesen erscheinen und die Beschreibung den Gang der Erzählung nimmt. Die Beschreibung von Blumen, Bäumen, Thieren, Gemüsegärten und ähnliches ließ er hingegen außer dem Bereiche der Poesie. Und doch muß man behaupten, daß Brockes sich auch durch seine irrigen Bestrebungen großes Verdienst erworben hat. Die musikalische Behandlung der Sprache ist nicht das

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Einzige, was Spätere von ihm lernten; weit wichtiger ist es, daß er sie lehrte, den Sinn auf die Natur zu richten. Bis dahin hatten die Dichter ihre Gedanken entweder ihrer Belesen heit zu verdanken, oder sie hatten dieselben - um mit Neukirch zu reden in ihrem eignen Gehirn ausgebrütet, oder endlich die Ideenkreise der vornehmen oder christlichen Gesellschaft wieder gegeben. Brockes spricht nun wieder Anschauungen aus, und zwar die unverfälschten, reinen Anschauungen wirklicher Natur. Mag er auch in der Wahl der Gegenstände fehlen, mag er seine Kräfte weit überschäßen - es war ein unermeßlicher Vortheil, den die Dichtung dadurch gewann. Diese hat es allerdings mit Darstellung menschlicher Zustände zu thun; allein um die Verworrenheit des Lebens künstlerisch zu gestalten: dazu war die Kunst noch zu schwach, und die sich gleichbleibende, einfache Natur bot einen bequemeren, sicherern Stoff dar. Da Brockes alle seine Betrachtungen mit religiösen Anwendungen schließt, und überall in der Natur Gottes Güte, Weisheit und Allmacht erblickt, so bahnte er den Weg zu dem, was man später Em pfindsamkeit nannte; freilich eine neue Erscheinung, die wieder der Poesie gefährlich war, aber doch insofern wohlthätig wirkte, da sie auf der einen Seite den falschen Wih beseitigte, auf der andern die starre Dogmatik aus der christlichen Poeste vertrieb. Von der Beschreibung der Thiere und Pflanzen war nur ein kleiner Schritt, um die Geschöpfe handelnd und sprechend darzustellen, und so knüpfte sich denn an die neue Poesie ganz natürlich die Fabel an. Wenn in der ersten Hälfte des achis zehnten Jahrhunderts beschreibende Dichtung, Fabel und mora= lisch religiöses Lehrgedicht vorherrschend sind, so müssen diese Neigungen alle auf Brockes Vorgang zurückgeführt werden. - Auch dadurch war dieser Mann bedeutend, daß er eine Anknüpfung an englische Poesie vermittelte. In England waren das beschreis bende und das religiöse Lehrgedicht dazumal ebenfalls in Schwung, und Thomson und Young sehr berühmte Nahmen; Brockes machte jene in Deutschland zuerst bekannt. Früher schon hatten einzelne Männer englische Dichter überseht, und bereits 1602 erschien eine Uebersehung von Miltons verlorenem Paradiese durch den Berliner. Dichter Johann Gottlieb von Berge, Gözinger Lit.

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und zwar in reimtosen fünffüßigen Jamben, aber ohne Erfolg auf deutsche Poesie.

Brockes Einfluß zeigt sich deutlich bei drei Dichtern, die an poetischer Kraft oder an Gefälligkeit der Darstellung weit über ihm stehen: Karl Friedrich Drollinger (geb. 1688, gest. 1749 als Baden-Durchlachischer Archivar zu Basel), Albrecht Haller (1708-1777) und Friedrich von Hagedorn (1708-1754). Bei Drollinger finden wir ganz ähnliche Sachen wie bei Brockes; sein Ruhm gründet sich aber auf seine Oden, die an Reinheit und Harmonie, an Fülle und Männlichkeit des Tones und an Kraft der Empfindung die wässerige und breite Poefte ihrer Zeit sehr beschämen. Hallers Gedichte erschienen bereits 1732, und der Einfluß Brockes ist besonders in den Alpen bedeutend. Hagedorn lernte von seinem Landsmann die Naturlieder fingen, in denen er für lange Zeit den Ton angab. Diese drei Dichter, so verschiedener Natur sie auch sind, versuchten sich alle drei in Fabeln und bezeugen also die instinktartige Hinneigung zu der Uebung in einfacher Erzählung. Haller und Hagedorn gehen in den folgenden Zeitraum über und müssen später wieder genannt werden.

§. 68.

Die Prosa und die Kritif.

Schwerlich würden Brockes, Drollinger, Haller, Hagedorn u. a. so viel Ausehen sich erworben haben, wenn sie nicht durch ihre große Gelehrsamkeit oder durch ihre Geltung in der bürgerlichen Welt bedeutende Achtung genossen hätten. Bei diesen Dichtern ist es keineswegs bloß die neue Behandlung der Sprache, wodurch sie sich von ihren Vorgängern unterschei den, sondern auch die ganz neue Auffassung der Welt und ihrer Erscheinungen; es war aber in jener Zeit noch sehr gefährlich, in wichtigen Dingen andre Meinungen zu haben, als die vorges schriebenen und durch langes Ansehen geheiligten, und die Art, wie Brockes und Haller die Natur betrachteten, erregte bei den Eiferern ihrer Tage großen Anstoß. Ueberhaupt brachte die Auss übung der Dichtkunst damals keinen Ruhm an sich; die Poeste war in den Hintergrund getreten und erregte nur die Theilnahme

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