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„angewandt, worinnen er sich auch so sinnreich erwiesen, daß „man ihn billig für der deutschen Ovidius preisen mag. Seine „Liebeslieder haben ihm nicht allein über alle deutsche, sondern auch über die meisten ausländischen den Sih erworben; und ich glaube schwerlich, daß ihm denselbigen auch ins künftige niemand bestreiten wird. Wir wollen ihn aber lassen und wenden uns zu den fürtrefflichen Herrn von Lohenstein, dessen Nahme bereits so weit erschollen, daß er unsre Ausblasung nicht mehr von nöthen hat. Alle seine Gedanken sind scharfsinnig, feine „Ausbildung zierlich, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, so findet man in diesem einzigen fast alles beisammen, was sich „in denen andern nur einzeln zeiget. Denn er hat nicht allein „von Opihen die heroische, von Gryphio die bewegliche und „von Hoffmannswaldau die liebliche Art angenommen, sondern „auch viel Neues hinzugethan und absonderlich in Sententien, »Gleichnissen und hohen Erfindungen sich höchst glücklich erwiesen. Seine Tragödien sind von den besten; seine geistlichen Gedanken „voller Kraft und seine Begräbnisgedichte unvergleichlich. In »seinem Arminius aber hat er sich als einen rechten Poeten erwiesen und so viel artige, kurze und geistvolle Dinge ersonnen, „daß wir uns nicht schämen dürfen, dieselbigen allen heutigen „Franzosen entgegen zu sehen.“

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Er erwähnt nun der Schlesier Mühlpfort, Assig, Ab. schah und Chr. Gryphius und der Nichtschlesier Morhof und Besser, erhebt dann eine Klage über die große Masse der Poeten; das Schnattern der Gänse sey so groß, daß man die Schwanen davor nicht hören könne, ein jeder Schulmeister wolle Verse machen, und junge Leute würden dadurch auf ganz falsche Wege geführt. Er räth nun allen, die einen Reiz zur Poeste in sich fühlen, an, zu untersuchen, ob es ein natürlicher Trieb oder ein gemachtes Verlangen sey. Sey es das lehte, so sollen sie das Dichten ganz bleiben lassen; sey es das erste, so solle man sich erforschen, wie weit die Begierde gehe: ob man ein bloßer Versmacher, oder ein galanter Dichter, oder in der Poesie groß zu werden gedenke. Zu dem lehteren seyen jedoch wenige geschickt, und wenn sie es seyen, so gebreche es ihnen an Geduld oder an Zeit, oder an Glück in ihrer Beförderung, und

mithin an einem fröhlichen Gemüthe, dessen Besih zu höhern Leistungen unumgänglich nöthig sey. Daher thue man am besten, die Mittelstraße zu halten und sich bloß auf galante Gedichte zu legen, um die Geheimnisse der hohen Poesie hingegen sich unbekümmert zu lassen.

Hier haben wir also die Ansicht Schottels wieder, nur bestimmter ausgesprochen und auf andere Gründe gestüht. Schotfel leugnet, daß die deutsche Poesie bis zu seiner Zeit etwas bedeu tendes geleistet habe und ist der Meinung, daß sie es überhaupt noch nicht vermöge, da die Sprache noch zu ungebildet sey; Neukirch leugnet nicht, daß schon etwas höheres geleistet worden sey, behauptet aber, es sey fast unmöglich, fürderhin in der Poesie groß zu werden, da es gar kein Publicum und keine Aufmunterung und Anerkennung gebe. Er tadelt, wiewohl sehr behutsam, Weises Comödien, erklärt aber, es sey nicht zu hoffen, daß man bessere erleben werde, weil es nicht der Mühe lohne, Comödien zu machen, wenn man nicht zum wenigsten die Freude habe, sie aufgeführt zu sehen.

§. 66.

Ch. Günther. Zurücktreten der schlesischen Poesie.

Neukirch ging später von der Nachahmung der Lohensteinischen Manier zu Canizens nüchterner Dichtungsweise über. Dasselbe thut sein Landsmann Christian Günther (1695—1723), der aber eine weit bedeutendere Natur zeigt als Neukirch, ja feit Flemming und Dach wohl der begabteste Lyriker war; der auch von dem herkömmlichen Bilderreichthum, von den nichtsfagenden Redensarten und der Auskramung der verschiedensten Realien sich gleichmässig losriß und das wirkliche Leben einer bewegten Seele darstellte, so daß in ihm wieder ein Dichter menschlicher Zustände auftrat. Dieses innere Leben Günthers giebt jedoch nicht nur den erfreulichsten Anblick, da Leichtsinn und Reue, Schuld und Buße hier stets abwechseln und ein wahrhaft fröhliches Dichtergemüth ihm abgeht, Trinksucht und Ausschweifung aber eine höhere Poesie in ihm nicht zur Reife kommen ließen, sondern ihn früh ins Grab warfen. Auch ist die größere

Masse seiner Gedichte doch nichts als Uebung in der einmal nothwendigen Gelegenheitsdichterei *).

Günther ist der lehte bedeutende Dichter, den Schlesien erzeugte. Zwar gingen von hier aus noch lange genug Reimer und Versmacher hervor; aber in den Vordergrund der Literatur traten andere Provinzen, vorzugsweise Ober- und Niedersachsen, und hier besonders die Städte Halle, Leipzig und Hamburg, wo sich Vereine bildeten, die zum Theil den schlesischen Poeten feindselig entgegentraten. In Halle vereinigten sich pietistische Richtungen, in Nürnberg zeigten die Pegnitzschäfer in langweiligen Compilationen, daß sie noch lebten. Der eigentlich Lohensteinische Geschmack, die Rubinen- und Smaragdenpoeste, die Zuckerund Elfenbeinverschwendung, erhielt sich besonders bei den Nomanschreibern und Operndichtern, deren armselige Erfindungen nothwendig mit Flitterwerk ausgeschmückt seyn mußten. August Bohse (Inländer), Christian Hunold (Menantes)**) und Christian Postel machten sich durch ihre Fruchtbarkeit in solchen Erzeugnissen vorzüglich bekannt, der lettere verstieg sich so hoch, daß er endlich auch das Heldengedicht versuchte und die listige Juno (nach Buch 14. der Iliade) und den großen Wittekind mit allem Pomp und Pracht seiner Schule in Alexandrinern verarbeitete. Andre Poeten, die sich auf Neukirch und Canih zurückführen lassen, wollten mehr der Vernunft und Natur folgen, wurden aber in der Regel so plait und nüchtern,

*) Günthers Gedichte erlebten sechs Auflagen, ein Beweis, wie sehr dieser Dichter zu seiner Zeit geschäßt war. Die erfte erschien 1723; die sechste 1764 in 2 Bdn. Eine Auswahl enthält die Bibl. D. D. Bd. X. Eine von Guft. Schwab versprochene Ausgabe ist nicht erschienen.

** Folgendermaßen beginnt deffen liebenswürdige Abalie: „Das mordbes gierige Schwert des unruhigen Kriegsgottes blißte noch überall auf Teutschlands Grenzen, und die blutigen Opfer, die Frankreich und dessen mächtige Feinde seiner Wuth zinsen mußten, befärbten den Rhein sowohl mit Purpur, als sie in denen Niederlanden viele tau= fend entfeßliche Merkmale seiner gewöhnlichen Grausamkeit fehen ließen. Kein Ort und ebenes Feld durfte von seiner Raserei verfchonet bleiben, und das Donnern der Stücke und Musqueten wurde mit der Zeit der angenehmste Klang in den meißten Ohren 20.

als jene hochtrabend und aufgeblasen. Obersachsen, vorzugsweise Leipzig, war der bedeutendste Heerd dieser nüchternen Poeten, als deren Haupt Burkard Menke (Philander von der Linde), Professor der Geschichte in Leipzig (1675—1732), gelten kann. Es ist bemerkenswerth, daß die leipziger Schulen, zu welcher auch der S. 297 erwähnte Neumeister gehörte, der aber später Prediger in Hamburg wurde, sich wieder mit den Poeten vor Opih bekannt machte, und den Hans Sachs, Rollenhagen und Ringen aldt nicht so verächtlich ansah, wie dies bis dahin Sitte gewesen war. Die Jünger und Nachahmer Lohensteins und Hoffmannswaldaus ließen sich vorzugsweise in Hamburg nieder und hier brach denn auch ein heftiger Streit über den Werth dieser Dichter aus. Christian Wernike (1660-1720?), der sich besonders als Epigrammatiker bekannt machte, griff nähmlich jene verehrten Meister und noch mehr deren talentlose Nachahmer in Sinngedichten und dazu gehörigen Anmerkungen offen an und nennt sie außerordentlich treffend „poetische Zucker. bäcker." Die literarischen Kämpfe zwischen ihm, Hunold und Postel, waren volt der persönlichsten Bitterkeiten und arteten in die größten Rohheiten aus.

Die wichtigsten Hervorbringungen aller Poeten waren immer noch Gelegenheitsgedichte und Lobschriften aller Art, bald in Alexandrinern, bald in Liederform, und die heroischen Gedichte, zum Theil erzählender Natur, machten nur eine Abart davon aus. In der freieren Poesie blieben die geistlichen Gedichte und die galanten und verliebten stehende Artikel. Die erstern wurden immer mehr und mehr dogmatische und moralische Lehrgedichte und verloren fast ganz die Form wahrer Lyrik, da sie sogar oft in Alexandrinern abgefaßt waren. Aus Mangel eigner Gedanken und da die ganze heil. Schrift schon geplündert worden war, suchte man besonders bei ascetischen Schriften Stoff, und Thomas von Kempis Buch von der Nachfolge Christi ist um diese Zeit von vielen Dichtern stellenweise in Verse gebracht worden. Zu den galanten und verliebten Gedichten zählt man nicht nur sogenannte Arien, sondern auch Heroiden, Schäfergedichte und Machwerke kleineren Umfangs, wie nahmentlich die Madrigale, die jetzt sehr beliebt waren. Eine Lieblings

gattung aber blieben das Epigramm und die Satyre nach .Boileau's und Horazens Muster, und die lehteren näherten sich der Form nach den freundschaftlichen Episteln und Lehr. gedichten. Daß diese Satyren sehr zahm waren, versteht sich; fast jeder Dichter verwahrt sich in der Vorrede, daß er niemanden habe beleidigen, sondern nur die Thorheit im allgemeinen strafen wollen. Unvermerkt ging aber die Satyre in die Parabel über, so daß Tugenden und Laster als Personen auftraten oder die Hülle der griechischen Götter anziehen mußten; und diese mytho logisch allegorischen Satyren vermittelten den Uebergang zur Fabel. Dadurch war ein großer Vortheil errungen; denn so erbärmlich auch Daniel Stoppe's und Daniel Trillers Fabeln sind, so lernte man nun doch einfach erzählen und war genöthigt, der Einbildungskraft und Erfindungsgabe ihr Recht widerfahren zu lassen. Der Anstoß zur Fabeldichtung ging übrigens wieder von französischer Literatur aus; denn wie man in der Satyre anfangs den Boileau nachahmte, so in der Fabel den Lafontaine. Des lehtern Fabel überseßte Christian Hunold, und ihm folgte Brockes in der Verarbeitung mehrerer Fabeln des De la Motte.

§. 67.

Musikalische Poesie. Brodes.

Daß man immer einen Zusammenhang zwischen Poesie und Mahlerei suchte und jene gern als redendes Gemählde ansah, haben wir früher erwähnt. Diese Ansicht führt besonders zur Allegorie und zu der Ueberladung mit Bildern, Figuren und Gleichnissen; die Sprache gewann dadurch gerade soviel an Majes stät und tropischer Fülle, als sie an Wohllaut, Leichtigkeit und Gedankenschärfe einbüßte. Der Zusammenhang der Lyrik mit der Musik hatte zwar insofern nie aufgehört, als die Lieder sangbar seyn sollten; allein die Lyrik des Herzens war überhaupt, wenn wir Günther ausnehmen, in der weltlichen Dichtung ganz zurückgetreten und hatte einer Lyrik des Verstandes und Wihes Plah machen müssen, und das musikalische Element der Sprache selbst war schon lange vernachläßigt worden, wie die Herrschaft des Alexandriners beweist, eines Verses, der bei

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