gehalten; aber zur Stund hub er an auf Teutsche Sprach ein trauriges Klaggedicht herzuerzählen, also daß ich daraus unschwer urtheilen können, er müßte ein geborner Teutscher seyn, welche theils solcher losen Plackereien sowohl als andere greuliche Laster und Untugenden von den wälschen Völkern ablernen, und war seine Klag diese: Die Vers, so ich heur gedichtet, Also sich die Narren quälen, So doch war die frömmst von allen. Oftmals stiegen mir die Grillen, Als ich von dem Meer that fragen, Was ich wollt' zusammenflicken, *) Hier: der Reim. Götinger Lit. Es wär' gleich Kah oder Hund: Eim Patronen zu belieben, Nehmt Exempel, ihr Poeten! Wie können doch närrischere Thorheit und thorheitlichere Narrheit erfunden werden, als diese? Die Hölle verdienen durch Versmachen und doch in der Hölle selbst annoch nie aufhören zu reimen? Man kann wohl sagen, es müsse der Rost der Poeterei tief in deine Seele gefressen haben, weil das hölli= sche Feur denselben nicht kann herabbringen. Und halte ich eine von den unnüßesten Arbeiten, einen Versanten klüger machen zu wollen. Wer wehren will der Sonnen Glanz Der hat selbst nicht Verstand genug. Es ist ein recht phantastischer Jast, sprach ein Teufel, in den Poeten; denn indem andere ihre Sünden bejammern und Mord darüber schreien, so singen, sagen und erzählen die Poeten die ihrige an allen Orten, als ob sie es sehr wohl getroffen. Treiben Hurerei im Sinn (wie arme Juden den Wucher) mit irgend einer Clorinda, Silvia, Lesbia, Thaleia, Rosemunda, Florinda, Cassandra, Flora, Laura, und führen sie in ihren Versen und Liedern auf güldinen Wägen und Gutschen daher, als ob sie Fürstinnen oder Göttinnen wären. Wissen die goldgüldine Haare, die krystalline Stirne, die sternfünklende Augen, die perline Zähne, den korallinen Mund, die zuckersüße Wort nicht genugsam zu beschreiben, wie der thörichte Mahler Aubely, da doch bisweilen alle diese Herrlichkeiten eine stinkende, kahle Viehmagd oder Küchenmagd kaum entwerfen möchten, und sie mit allem diesem eingebildeten Pracht und Reichthum nicht ein. Pfund Brot zu bezahlen wissen oder einen Schuhflecken darum aufzusehen lassen. Ueber das so ist es unmöglich, daß man eines Poeten Heimath, Glauben und Religion recht kann er, fahren; sie nennen sich zwar heutiges Tages alle Christen; aber sie haben irrige verkeßerte Seelen. Ihre Gedanken sind arabisch und schwärmen in denselben einsamen Wüstinen herum wie ein Muck in einer Drummel. Ihr Schriften, Wort und Gebete sind ohne Maß und ohn Zahl; denn sie zahlen nit leichtlich, sind des Borgens besser gewohnt. Doch weil ich an einem poetischen Fieber vor Zeiten auch etwas frank gelegen und in forchten stunde, es möchte mir deswegen ein Kaffellantes hergesezt werden, trollete ich mich von dannen." Der Verfasser des Simplicissimus läßt sich an vielen Stellen seiner Schriften über deutsche Sprache und Poesie vernehmen. Die neue Art der Dichtung ficht er nicht an; er lobt *) vielmehr die Poeten, welche ihre Muttersprache, die beinahe alle Ausländer für hart und unartig gehalten, durch ihre sinnreiche Köpfe dermaßen auspoliert, daß sie keiner fremden im geringsten nichts nachgiebt." Gegen die Zestaner ist er aber höchst erbittert, und in seinem deutschen Michel" theilt er diejenigen, durch welche die deutsche Sprache Abbruch leide, in drei Classen: *) Im satyrischen Pilgram. Thl. II. Cap. 1. Verächter der Muttersprache (Gelehrte und Ungelehrte), Sprachpolierer und Sprachmenger. Den Sprachpolierern wirft er mit Recht Unwissenheit vor, indem sie für gute kurze Wörter neuerfundene lange setzten und weder unsre ältere Sprache kennten, noch auf den gemeinen Mann hörten, bei dem man den Reich. thum der Sprache doch eigentlich suchen und erlernen müsse. §. 58. Prosa. Schottel. Schupp, Moscherosch und Grimmelshausen sind als die besten Prosaiker ihrer Zeit zu betrachten; allein das Lob ihrer Prosa darf nur auf das rednerisch satyrische Element sich erstrecken; ein Element, das durch die Reformation sich schon ausgebildet hatte. Sobald der Vortrag in's wissenschaftliche Gebiet streift, wird er pedantisch, buntscheckig. Denn auch bei diesen Männern ist die Schriftstellerei großentheils eine Frucht der Belesenheit, da es der Deutsche damals, wie es scheint, gar nicht wagte, ohne Zeugnisse und Beweisstellen zu schreiben, die oft mitten in den Text, und zwar in lateinischer oder französi« scher Sprache, eingeschoben werden. Was die Prosa als Abbild von der Sprache der Gesellschaft leistete, sehen wir an Zesens Romanen, Harsdörffers Gespräch. spielen und Grimmelshausens Liebesgeschichten, denen die in jeder Hinsicht entseßlichen Romane von Buchholz*) beigefügt werden können. Wollte der Schriftsteller hier die Mengsprache der höhern Stände nicht nachbilden, so blieben nur zwei Wege übrig: ent= weder mußte er in den Kreis des Volkes herabsteigen, oder er mußte eine Sprache schreiben, die eigentlich niemand sprach; im erstern Falle gerieth er in Gefahr, gemein zu werden, im zweiten Falle wurde er pedantisch und unnatürlich, und beide Mängel zeigen sich in den Leistungen, die im Fache des Romans mit guten Absichten versucht wurden. Grimmelshausen stellt beide Abwege dar; denn wenn sein Simplicissimus oft *) Des chriftlichen deutschen Großfürften Hercules und der böhmischen königlichen Fräulein Valiska Wundergeschichte (1659). Des chriftlichen königlichen Fürften Herculiskus und der Herculadiska Wundergeschichte (1659). bis zur größten Gemeinheit der Darstellung herabsinkt, so versteigen sich seine Liebesgeschichten oft in das ungenießbare, hohle Wort und Sahgewinde, das uns diese Schriftsteller für Gesellschaftsprosa verkaufen. Es war in diesem Fache geradezu unmöglich etwas zu geben, das der Wirklichkeit ähnlich sähe und doch auch die Forderungen der Kunst einigermaßen erfüllte. Unsere Gesellschaftsprofa ist noch bis auf diese Stunde erbärmlich genug; damals sah es noch schlechter aus, und wie sehr der Schriftsteller darunter litt, das mag uns Grimmelshausen selbst erzählen. Er theilte die Sprachmenger in mehrere Classen. In die erste gehören die gelehrten Leute, die gar nicht ordentlich Deutsch sprechen können, überall Griechisch und Lateinisch eins mengen und selbst ihre Nahmen lateinisch und griechisch übersehen: Ach wie wird es alsdann so schön und herrlich lauten, „und so lustig zu hören seyn, wann alle Discurs und Gespräche »fo bunt über meiner Tafel fallen, wie die edle Schecken, »Bayrische Kazen und Tiger hund! Wann es ein solch »Gehack unter einander giebt, daß es nicht gleich ein jeder Idiot „verstehen noch wissen kann, ob es in Knack- oder Leberwurst gefüllt werden soll!« Die andere Classe bilden die Zwick därme oder Zwitter, welche ausländische Worte bei den Haaren herbeiziehen, um damit groß zu thun. „Will bei „ihnen Spanisch, Italienisch, Französisch und derglei. „chen nicht fort, so behelfen sie sich aufs wenigst allein des La„teinischen, und stellen sich, daß man vermeint, es wäre nun „bald an ihnen, das Teutsche ganz zu verschwören. Einsmals „sagte einer aus dieser Gattung zu mir: Banus vesper, Domine ,,Simplice; ich bin advertirt worden, er werde morgen in des „Römischen Imperii Lilien Stadt abripiren, habe ihn derowegen „depraecariren wollen, ohnschwer gegenwärtig Misiv in das „Aromatorium an der Cerere Markt zu praesentiren, die Medica„menta, die man ihm daselbst praestariren wird, zu acceptiren, „und mir großgünstig zu deferiren, welches ich reciproce auf alle „begebende occasiones hinwieder remerittiren werde. Hier möchte »mir nun jemand entweder heimlich ins Ohr oder öffentlich ins „Gesicht oder hinterrücks nachsagen: Simplex, nimm dich selbst »bei der Nasen! Mein Freund, du thätest mir erst recht! aber |