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In meissen teutsche sprach gar gut,
In franken manches edle blut.

Elsaffer schelten, fluchen, schwören,

Die schwaben überflüssig zehren u. s. w.

Sebastian Frank lobt, wie ich schon oben anfährte, die Meißner vor andern Deutschen und sagt: „Diß weit, fruchtbar »und weydreich land, mit guten flüssen befeuchtigt, sunderlich "mit der Elb, mit edlen Städten und Schlössern geziert und „bevestigt, mit reichem volk beseht, sonderlich an weid und vieh „auch metall überflüssig, hat ein volk vieler stärke, schön und „gerad, darzu gütig, friedsam, freundlich, gezam und gar nit „nach Teutscher art grimmig und wild.«

Mathesius in seiner Historie Martin Luthers sagt in der zwölften Predigt, wo er von der Bibelübersehung spricht (Blatt CLIX): „Meichsner, sagen auch die ausländer, wenn sie „untern leuten gewesen und irs Landsmanns vergessen *), reden „ein gut Deutsch. Drumb erwecket der Sone Gottes ein deut »schen Sachsen, der gewandert war, und die Biblien Gottes in „Meichsnische zung brachte."

Es sey an diesen Zeugnissen, die ich noch stark vermehren. könnte, genug. Jedenfalls kam es Luthern zu Statten, daß er in einem Lande lebte und wirkte, wo die Sprache nicht so ganz verwildert war, wie in den meisten übrigen Provinzen. Allein das Hauptverdienst bleibt immer Luthern selbst; in gewisser Hinsicht hat er seine Sprache erschaffen, so daß man von ihm an das ausgeprägte Neuhochdeutsche rechnen kann. Er gab diesem grammatische Festigkeit und durch das Ansehen der Bibelübersehung einen festen Halt. Die altdeutsche Sprache war schon lange vor ihm untergegangen, und selbst die schweizerischen Schriftsteller dieser Zeit schreiben nicht mehr die ältere feste Form, sondern ein ungewisses, rohes, zerfahrenes Deutsch, in grammatischen Formen ganz herabgekommen und voll Willkühr, Uebrigens findet sich die große Reinheit und Festigkeit auch bei Luther nur in der Bibel, an der er immerfort besserte und feilte, nicht in demselben Maße bei seinen übrigen Schriften.

*) Mathefius felbft war ein geborner Baier. Götzinger Lit.

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Die

Literatur wandte sich von nun an entschieden in's mittlere und nördliche Deutschland; es findet sich aber bei den protestantischen Schriftstellern, die Luthers Zeitgenossen waren, auch bei den süddeutschen, ein bestimmter Wille, sich an Luthers Sprachgebrauch zu halten, mit Ausnahme der Schweizer, die bei ihrer Mundart blieben. In Zürich seste man der Lutherischen Bibelübersehung die von Leo Jud entgegen, ein höchst barbarisches Werk; ja man druckte sogar Bücher, wie Franks Sprichwörter, in Züricher Deutsch um, und trat somit aus dem Gange der neuen Bildung heraus.

Bis an die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts finden wir bei den meisten nahmhaften Schriftstellern ein gutes kräftiges Deutsch, jedoch nur in der Prosa; in Versen ist die Sprache im Ganzen unrein, ungelenk und hart, mit Willkühr angewendet und voll grammatischer Unrichtigkeiten. Von nun an zeigt sich das immer mehr; Rollenhagen schreibt eigentlich ein barbarisches Deutsch, eben so Ringwaldt, und man bemerkt deutlich, wie die hochdeutsche Schriftsprache gar keinen lebendigen Halt mehr hatte. Die Gelehrten sprachen und schrieben lateinisch, bei den höhern Ständen kam das Einflicken französischer Wörter immer mehr in Schwang, die niedern Stände sprachen ihre Mundart, und so war eine Verwirrung und Nachläßigkeit eingetreten, weit ärger als vor Luther. Mit Ruhm muß hier genannt werden der wackere Joh. Arndt (gest. 1621 als Superintendent in Zelle), der Verfasser des allbekannten Buchs „vom wahren Christenthum.« Wie dieser Mann dem starr gewordenen Protestantismus und den dogmatischen Zänkereien durch seine Gesinnung gegenüber trat, so zeigte er auch, daß man noch deutlich, wohllautend und rein in deutscher Sprache schreiben könne.

S. 45.
Verskunst..

Dem deutschen Verse eine andere Gestalt zu geben, wurden in diesem Jahrhunderte mehrere Versuche gemacht. Daß der alte Versbau nach Hebungen schon im fünfzehnten Jahrhundert völlig in Verfall gerathen war, ist erwähnt; man fühlte wohl das Hervortreten einzelner Silben, allein diese galten doch bloß

als grammatische Hebungen; der Grundsah einer über dem grammatischen Bau schwebenden Versregel wurde nur insofern anerkannt, als man die Silben zählte und so die entsprechenden Zeilen einander gleich machte.

Die alten Reimpaare, die man nicht mehr vièr hébige, fondern achtfilbige nennen muß (unser jeßiger vierfüßiger Jambus), blieb für alle Poesie, die nicht zum Singen bestimmt zwar, zum Theil auch für die sangbare. Daß nun schon Alberus diese Versart besser behandelt als frühere Dichter, z. B. Brant, lehrt der Augenschein. Burkard Waldis will einen bestimmten, regelmäßigen Silbenfall geben; dies zeigt er schon in seinem Aesopus, noch mehr aber im Theuerdank, den er mit deshalb umarbeitete, um Pfinzings Versbou zu bessern, so daß er also hier dasselbe Amt übernahm, das früher der Neberarbeiter des Reinhart Fuchs an Heinrich dem Glichesäre (f. S. 107), Sebastian Brant an Freidanks Bescheidenheit (s. S. 171) übte. Rutger Eding, Priester zu Cölln, der 1574 einen verdeutschten Pfalter herausgab, sagt in der Vorrede geradezu, daß „alle versen gleich von silben und alle Jambica sein." Daß er zum Wesen der Jambica nur acht Silben rech nete und sonst nichts, beweisen seine Verse, die den Lobwasserschen an Schlechtigkeit nichts nachgeben. Der Anfang des ersten Psalms heißt:

Der mensch ist selig, der nit ghat
In der bösen gottlosen rath:

Und auf der sünder weg nit stheit,
Noch auff der spötter stul sihn gheit.
Dan lust hat zum geseh des Herrn
Und sich drin übet on aufhörn.

Im Volksliede wie im protestantischen Kirchenliede leitete die Musik von selbst auf einen bestimmten Takt, ohne daß eine genaue Silbenzahl beobachtet worden wäre, und hier erhielt sich also der ursprünglich deutsche Versbau. In solchen Gesän= gen jedoch, die nach schon vorhandenen Melodieen gemacht oder aus dem Französischen überseht wurden, zählte man wirklich die Silben und beachtete gar keinen Taft, und hierher gehört nicht

nur Lobwassers Psalter, sondern auch vieles andere, nahmentlich des Paulus Melissus (1539–1502) Psalmenüberseßung *).

Nach der Lateiner Art" Verse zu machen, versuchten besonders die gelehrten Dramatiker. Paul Rebhuhn, Rektor in Zwickau, der i. J. 1536 ein geistlich Spiel von der keuschen Susanna herausgab, brachte in den Einleitungen und Chören mancherlei jambische und trochaische Versarten an. Allein man hatte so wenig Ohr für die neue Kunst, daß man die Sache gar nicht achtete; weshalb denn in einem spätern Gedichte von 1540 (die Klage des Armen Mannes) Rebhuhn die gewöhnliche Bezeichnung der Silbenquantität (~ — oder — ~) über die einzelnen Abtheilungen sezte. Auch andere Dramenschreiber mühten sich ab, in den Chören ihrer Stücke sapphische und asclepia= dische Oden anzubringen **), und so dürfen wir uns auch nicht wundern, daß man schon in diesem Jahrhunderte deutsche Herameter versuchte. Zuerst that dies der berühmte Polyhistor Konrad Geßner von Zürich (1516–1565); ihm folgte Ivhannes Claj (1530-1592), der in seiner deutschen Grammatif (Grammatica Germanicae linguae. Lpf. 1578) nicht nur Exempel von allen jambischen und trochaischen Metris gab, sondern auch in einem besondern Hauptstücke: »de ratione carminum nova« lehrte, wie man lateinische und griechische Versarten, nahmentlich den Herameter, nachbilden könne. Er und Geßner sprachen nicht als Dichter, sondern als Theoretiker; merkwürdiger ist der Versuch Fischarts, der in seiner Geschichtsklitterung Herameter und Pentamenter ganz eigenthümlicher Art aufstellt, dabei aber nur seine Harthörigkeit beweist. Alle diese Versuche waren Curiositäten, die weiter keine Folgen hatten; sie geschahen übrigens zur Unzeit, da es gewiß nicht darauf ankam, fremde Versmaße nachzuahmen, sondern das anerborene Maß der deutschen Sprache zu bestimmen ***).

*) Eine Probe s. bei Wackernagel Sp. 125. Sie ftellt zugleich den ersten Versuch deutscher Terzinen dar.

**) Bei Wackern. find Sp. 26-30 mehrere abgedruckt. Sp. 178 eine

sapphische reimlose Ode.

***) Geßners, Clajs und Fischarts Herameter stehen bei Wackern. Sp. 118, 136, 163.

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So dürftig in mancher Hinsicht die literarische Ausbeute des sechszehnten Jahrhunderts, so wichtig ist sie doch in anderer Hinsicht für uns, und zwar deshalb, weil unsere jezige Zeit wieder an jenes Jahrhundert anknüpft, dessen tüchtigste Kraft aber uns gerade in der deutschredenden Literatur entgegentritt. Eine große Kenntnis derselben unter den Gebildeten wäre sehr wünschbar; leider fehlt es aber an Gelegenheit, sich dieselbe leicht zu verschaffen. Selbst Luther ist als deutscher Schrift= steller wenig gekannt, und wird immer nur als kirchlicher Reformator betrachtet; die Auswahlen aus seinen Schriften, wie sie in neuerer Zeit sind versucht worden, haben immer das exegetisch-dogmatische Element vor Augen, da doch Luther ge= rade da am meisten einnimmt, wo er rein menschliche Angelegen= heiten bespricht. Hätten wir eine Sammlung der wichtigsten Dichtungen von Alberus, Waldis, Sachs, Fischart, Rollenhagen, denen sich der spätere Andreä anreihen dürfte: man würde darin eine Gallerie tüchtiger Charaktere finden, die, mit gesundem Menschenverstande begabt, klaren Blickes in die Verhältnisse und Zustände ihrer merkwürdigen Zeit schauten.

Denn freilich sind es vorzugsweise die Charaktere, die hier in Betracht kommen; an poetische Befriedigung ist nicht zu denken. So ist auch die Prosa der Zeit weit besser als die gebundene Rede; und die Bestrebungen der hervorstechenden Zeitgenossen fanden ein weit besseres Werkzeug in jener als in dieser. Den Dichtern fehlt es insgesammt an Schönheit der Form und an durchdachter Anlage und Planmäßigkeit. Obgleich diese ehrlichen, rechtschaffenen Poeten nichts von dem Geniedrange des achtzehn= ten Jahrhunderts oder der Romantik des neunzehnten wußten; obgleich sie das Gesez des Maßes in der Darstellung nicht mit Willen übersprangen, so thun sie es doch; sie haben kein Be wußtseyn vom Verhältnis zwischen Darstellung und Wirkung; sie verderben vieles durch ihre Geschwäßigkeit und Breite, welche desto mehr auffällt, da ihre Zunge ungelenk ist und sie sich bei dem freiesten Metrum, das es geben kann, doch eine Menge

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