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durchaus verfallen; eine neue Form hatte sich noch nicht gebildet; jeder schrieb, wie es ihm gefiel und wie es in seiner Umgebung als gut angesehen wurde; die Abschreiber schrieben wieder nach ihrem Gutdünken ab, so daß in den einzelnen Handschriften des nähmlichen Werkes öft die verschiedenste Sprech- und Schreibweise herrscht. Mit der Ausbreitung der Druckschriften ward dies anders; denn es konnten nun eine Menge Exemplare des nähmlichen Werkes in Umlauf gesetzt werden, die alle eine und diefelbe Sprachform darstellten. Die Bestimmung dieser Form in Aeußerlichkeiten, nahmentlich in Rechtschreibung und Zeichensehung, hieng großentheils von den Schern und Buchdruckerherrn ab, in der Regel Männer, welche die gelehrte Bildung der damaligen Zeit besaßen. Wie in jenen Tagen auch die Gelehr= ten und Staatsmänner ein wahres Wanderleben führten, und sich bald da, bald dort niederließen, bald bei einem Herrn, bald in einer Reichsstadt ihre sehr gesuchten Dienste anboten, so zogen auch Buchdrucker, aus ganz verschiedenen Gegenden Deutschlands gebürtig, nach Süd und Nord, so daß in Basel einer vom Niederrhein, in Leipzig einer vom Oberrhein oder der Donau druckte. Die angesehensten nun schrieben der Nation in Umrissen die Form vor, welche ihre Büchersprache künftig annehmen sollte; denn die ältere war so vergessen und unverständlich geworden, daß in dem ältesten Druck von Taulers Predigten (Leipz. 1498) auf dem Titel bemerkt wurde: „vor wandelt in Deutsch," woraus dann später die Meinung entstand, diese Predigten seyen von Tauler ursprünglich lateinisch niedergeschrieben und erst später in's Deutsche überseht worden, während jene Worte nur sagen wollen: » verwandelt in übliches neueres Deutsch *).« Da Augsburg und Nürnberg diejenigen Druckorte waren, von denen am frühesten deutsche Schriften ausgegangen, so erhielten die dortigen Druckereien einen bedeutenden Einfluß auf Festsehung einer neuen Schreibweise; »Augsburger Sprache" hatte für allgemeine

* Näheres darüber von Pison in einer Abhandlung über Johann Tauler, befindlich im neuen Jährb. der Berliner Gesellschaft für deutsche Sprache. Berl. 1836. Bd. I., S. 276 ff.

Verständlichkeit damals die größte Geltung in Büchern, wobei man aber ja nicht an Augsburger Mundart zu denken hat.

Allein nicht nur auf Anordnung der Schreibweise übte die neue Kunst bedeutenden Einfluß, sondern auf literarischen Verkehr und Büchererzeugung überhaupt. Das Verhältnis der Gönnerschaft war für poetisches und literarisches Schaffen stets wichtig; in die Reihe der Gönner traten nun die Drucker mit einer der ersten Stimme; sie druckten nicht immer das beste, aber immer das gangbarste und ansprechendste. Hätte, als ihre Kunst aufkam, die gangbare poetische Literatur auf der Höhe gestanden wie in Italien und England, so würde der Druck diese Poesie fortgepflanzt haben; allein der bedeutende Augenblick fand cigentlich gar keine bedeutende vaterländische Schöpfung vor; denn die frühere große Poesie war vergessen und unverständlich geworden; die des Jahrhunderts war eine verderbte, des Druckes großentheils unwerthe. Es wäre allerdings auch der rechte Zeitpunkt gewesen, wo eine ganz frische Poesie hätte entstehen sollen, wo die Dichtung auf die Nation hätte wirken, dieselbe bilden und beherrschen können. Denn alles bereitete sich zu einem neuen Zustande vor und rang nach Abwerfung mannigfaltigen Druckes, was immer ein Vorbote ist, daß eine veränderte Cultur eintreten wird. In solchen Zeiten erwacht das poetische Genie stets und findet auch am leichtesten Anklang; dies sahen wir zur Zeit der Hohenstaufen und sehen es wieder in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Der deutsche Genius erwachte auch am Ende des 15ten Jahrhunderts und suchte das neue geistige Leben in Sprache zu gestalten; allein - es war ihm nicht vorgearbeitet, er fand das ihm nöthige Werkzeug verunstaltet, stumpf und unpassend. Die Erfahrung, daß dem Genius durch Talente vorgearbeitet seyn will, daß die Sprache ihm willig entgegen fommen muß, bewährte sich niemals gründlicher und schlagender als damals. Der grammatische Ausdruck und die metrische Form waren so plump, handwerksmäßig und rathlos, daß der poetische Schöpfungstrieb, um seine Welt zu gestalten, sich von der deutschen Sprache ab- und einer andern zuwandte; und so sehen wir denn bald nach der Ausbreitung der Buchdruckerkunst eine lateinische Poesie in Deutschland entstehen; die lateinische Sprache

ward wieder eine lebende, wie sie es im 11ten Jahrhundert gewesen, und die Entwicklung einer würdigen Literatur in deutscher Sprache dadurch um Jahrhunderte hinausgeschoben.

§. 29.

Aufnahme der lateinischen und griechischen
Literatur.

Das Studium der alten Sprachen und Literaturen, auf den Universitäten völlig vernachläßigt, hatte schon im Beginn des 15ten Jahunderts durch die Schüler des Thomas Hamerken (st. 1471), bekannt unter dem Nahmen Thomas a Kempis *), von neuem Fuß gefaßt, nachdem es in Italien, wo jene Schüler ihre Studien fortseßten, schon früher Aufnahme gefunden. Denn hier studierte man die Alten nicht bloß, sondern schrieb auch in ihrem Sinne und sehte so die lange unterbrochene lateinische Literatur im Geiste der ältern römischen Schriftsteller und Dichter fort. Bald darauf ward das Studium derselben in Deutschland mit einer Begeisterung ergriffen, von der das jezige Treiben der lateinischen und griechischen Schriftsteller nur ein schwaches Abbild ist. Man sah in den Alten eine Schule der Weisheit, der Tugend, der Politik; vernünftiger, gesitteter, klüger, tugendhafter und feiner sollten die Menschen durch sie werden, und man flüchtete sich zu ihnen aus der schnöden, unsittlichen, versunkenen, intri= guanten Zeit. Die feiner gebildeten Köpfe wurden durch die einfache, schöne Darstellung in den Alten angezogen, und fanden hier eine Befriedigung, die ihnen weder die trocknen Fachstudien, noch die rohe deutsche Dichtung geben konnte; die schöpferischen Geister endlich fanden eine schon zugerichtete Sprache, die zum Theil für sie dachte und dichtete, und in deren ausgebildeten Formen sie ihren ganzen Geist ausströmen konnten. Dazu kam, daß die Gabe lateinischer Beredsamkeit einen reellen Werth

*) Bekannt durch das berühmte Buch von der Nachfolge Chrifti, das ihm gewöhnlich zugeschrieben wird. Thomas hängt mit den Myftikern des 14ten Jahrhunderts zusammen; er selbst war gebildet in dem Bruderhause zu Deventer, das Gerhard Groote (geb. 1440, geft. 1484) geftiftet hatte.

Götzinger Lit.

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hatte und in ganz anderem Verhältnis zur damaligen Welt stand als jeht; denn lateinisch war großentheils die diplomatische Sprache, und die größten Humanisten jener Zeit wurden oft zu Gesandtschaften gebraucht.

So bildeten sich denn, wie zur Zeit der Hohenstaufen, zwei ganz verschiedene Classen von Literatur, eine feinere, höfischere und eine mehr für die mittlern Stände berechnete: jene in lateinischer, diese in deutscher Sprache. Jene war aber nicht vor. zugsweise eine gelehrte Dichtung, diese durchaus nicht eigentliche Volkspoesie; gelehrt war die lettere eben so gut, ja noch mehr als die erste, da sie die Schwäche der Behandlung durch Reichthum des Inhalts verdecken mußte und diesen Reichthum von der Gelehrsamkeit borgte. Die lateinische Sprache war so gut als die deutsche eine lebende; selbst Frauenzimmer aus höhern Ständen verstanden und sprachen dieselbe; auch suchte man in der Literatur keineswegs bloß die Alten nachzuahmen, sondern auch die feinere Unterhaltungsliteratur war lateinisch; kleine Romane und Novellen (Facetiae) entstanden in großer Menge. Felix Hemmerlein in Zürich (lebte von 1389 bis 1464) kann als der erste lateinische Schriftsteller dieser Art in Deutschland angesehen werden; Conrad Celtes (von 1459 bis 1508) war der erste von Kaiser Friedrich III. mit eigner Hand gekrönte Dichter in Deutschland (i. F. 1491 zu Nürnberg).

§. 30. Uebersehungen.

Diese neue Art der Literatur suchten nun einige gelehrte Männer auch solchen zugänglich zu machen, die entweder gar nicht, oder doch nicht hinreichend die lateinische Sprache verstanden, und so begann die für die Bildung unserer Prosa sehr wichtige Periode ter Uebersehungen. Ich bemerke dabei, daß ohne Ausnahme aus dem Lateinischen überscht wurde, auch griechische Schriftsteller, und daß die lateinischen Schriftsteller der damaligen Zeit ganz gleich geschäßt wurden den römischen Schriftstellern der frühesten Zeit.

Hier sind nun besonders zwei Männer zu nennen, die mit vielem Geschick und bedeutendem Erfolg die neue Bahn betraten:

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Heinrich Steinhöwel und Nicolaus von Wyle. Steinhöwel, gebürtig aus der Reichsstadt Weil, lebte als Arzt zu Ulm, Nicolaus von Wyle, geboren zu Bremgarten im Aargau, war früher Schullehrer in Zürich, dann "Rathsschreiber in Nürnberg, später Stadtschreiber in Eßlingen, endlich Schreiber oder Kanzler des Grafen Ulrich von Würtemberg; die Blütezeit beider mag in die Jahre von 1470–1490 fallen. Steinhöwel war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller; hierher gehört bloß sein berühmtes Buch: der deutsche Aesop *). Nicolaus von Wyle gab einzelne Uebersehungen lateinischer Novellen und Abhandlungen heraus, die später erschienen unter dem Gesammttitel: Tranßlation oder Tütschungen etlicher Bücher Enee silvik, Pogii florentini, Felicis Hemerlin u. s. w. Beide Männer, unter denen aber Steinhöwel bedeutend höher steht, machten sich um die Bildung unserer Prosa äußerst verdient, und mit ihnen beginnt eigentlich unsere gedruckte Literatur **). Nicht daß vor ihnen niemand überseht hätte; es waren vielmehr schon eine bedeutende Anzahl lateinischer Bücher verdeutscht worden, allein alle steif und ungelenk, ohne Kenntnis der Ursprache und ohne Geschick in der deutschen, mehr Wort für Wort wiedergebend als den Gedanken in eine deutsche Form gießend. Mit welchen Grundsähen Steinhöwel verdeutschte, sagt er selbst in der Vorrede zu seinem Aesop: „Schlecht und verstentlich getütschet, nit wort uß wort, sondern sin uß sin, um mehrer lütrung wegen des textes oft mit wenig zugelegten oder abgebrochnen worten gezogen." Die Uebersehungen beider Männer sind übrigens noch etwas hart und starr, und vergleicht man sie mit dem deutschen Tatian des 9ten Jahrhunderts, so steht dieser an Natürlichkeit und Leichtigkeit weit vor; immer aber sind Steinhöwel und Nicolaus weit bessere Verdeutscher als die meisten neuern Ueberseher ter Alten

*) Der Titel der spätern Ausgaben ist: Esopus. Tütsch. Das ganze Leben und Fabeln Esopi. Mit samt den Fabeln Aviani, Adelfonsi und etlicher Schimpffreden Poggii.

**) Schon Leffing (in seiner Abhandlung über den Anonymus des Nevelet) macht auf beide Männer in dieser Beziehung aufmerksam.

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