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Bläte der Nation auf: Fürsten und Ritter, Aebte und Pfaffen, Herren und gebildete Meister; jezt erscheinen Edelleute nur ausnahmsweise, pedantische Gelehrte *) und Handwerker treten an deren Stelle. Das Talent ist zwar dem Bauer und Bürger so gut anerboren als dem Ritter; es kommt aber doch darauf an, daß jeder seinen Zustand ergreife und ihn nach Würden be= hantle; dies thaten jene Ritter, aber nicht die Städter. Die fahrenden Leute des 13ten Jahrhunderts hatten mehr poetisches Genie, mehr gesunde Kritik, mehr Bildung als die renommiertesten städtischen und höfischen Dichter des fünfzehnten. Das Traurigste ist, daß der Reichthum der vorangegangenen Geschlech ter fortbestand, aber nicht um ihn zu genießen und sich daran zu erfreuen, sondern um ihn umzuformen und so angeblich etwas Neues zu haben, wozu freilich die frühere Sprache beitrug, die jedem neuen Geschlechte immer unverständlicher wurde. Sogar die alten Heldensagen wurden nicht verschont und auf das erbärmlichste umgestaltet **). Von Franzosen und Italienern erborgte man Stoff und Darstellung, adoptierte deren Neigungen und Liebhabereien, ohne doch ihre Bildung zu besizen, und so sanken Gehalt und Form gleichmäßig. Das Auflösen der alten Dichtungen in Prosaromane ist nicht das schlimmste, ja wir möchten wünschen, daß man auch die alten Heldensagen lieber in Prosa aufgelöst hätte ***); weit widerlicher ist die Wuth, alles äußerlich poetisch zu gestalten, während doch kein Funken poetischen Geistes mehr da war.

S. 26.

Die Meistersänger.

Noch zwei Erscheinungen dieser Zeit sollten aufgeführt werden: die sogenannten Meistersänger, und das eigentliche Volks

*) Besonders fangen nun Aerzte und Juristen an, eine Rolle in der poetischen Literatur zu spielen.

**) Zuleßt von Caspar von der Rön, der die ältern Gedichte im Bänkelsängerton völlig umarbeitete (um 1470) und bedeutend abkürzte, „damit man fie auf einem Sißen ganz lesen könne.“

***) Das Volksbuch vom gehörnten Siegfried ist keine Auflösung eines deutschen Gedichtes, sondern wie vieles andere aus dem Franzöfischen überseßt.

lied; beide gehören aber nicht in eine geschichtliche Betrachtung der Literatur, sondern stehen eben der leßtern schroff entgegen, haben auch eine ganz andere Geschichte als diese, da beide auf Ueberlieferungen beruhen, während in der Literatur einzelne Männer und große Ereignisse eingreifen und ihr von Zeit zu Zeit eine völlig neue Gestalt geben. Ganz unerwähnt kann ich beide Erscheinungen jedoch nicht lassen, um so mehr, da immer noch sonderbare Vorstellungen über die Meistersänger im Schwange gehen, und man von einem Zeitalter derselben spricht, welches man dem der Minnefänger gegenüberstellt *).

Die Schulen der Meisterfänger waren nichts als Fortsehungen der alten kunstreichen Lyrik, die eng mit Musik und Gesang zusammenhieng und daher erlernt seyn wollte. Singschulen, worin die Dichtkunst, insofern sie Lyrik war, erlernt wurde, hatte es immer gegeben; als nun die alte Kunst verfiel, vereinigten sich die Liebhaber derselben in bestimmte Corporationen, zu einer Zeit, wo alles sich in solche absonderte, sogar die Universitäten. Derselbe Kaiser Karl IV., welcher die erste Uni= versität stiftete und ihr Corporationsrechte gab, verlich auch 1378 den Meistersängerschulen Freiheitsbriefe. Daß diese nun im 15ten Jahrhunderte eine solche Bedeutung erhielten, daran war nur der erbärmliche Zustand der öffentlichen Poesie schuld. Dieser fehlte es an Gehalt und Form. Die Meistersänger fuchten wenigstens die alte Kunst zu retten; freilich schwand auch ihnen meist der Gehalt, um so mehr, da sie immer künst= lichere Regeln aufstellten. Von den verächtlichen Meistersängern zu reden, beweist große Unwissenheit in der Geschichte der Poesie. Diese wackern Männer kamen in manchen Städten zu bestimmten Zeiten zusammen, um sich im kunstmäßigen Singen zu üben. Erfindung der Melodie war ihnen die Hauptsache; sie sangen zu einer Zeit, wo die nahmhaftesten Dichter um Lohn ihr Geschäft verrichteten, bloß zu Ehre der Kunst und zur Ehre Gottes; sie machten nie Anspruch darauf, öffentlich aufzutreten;

*) Wer sich über die Kunßt der Meisterfänger näher belehren will, lese die Schrift von 3. Grimm: der altdeutsche Meistergefang. Gött.

1811. 8.

ihr Geschäft war ein reines Privatvergnügen, ungefähr wie unsere jezigen Singvereine und geißlichen Conventikel, und man hätte die Sache nie so darstellen sollen, als bildeten sie einen Abschnitt in der poetischen Literatur *). Meistersängerschulen gab es schon früher und gab es später; aber als im 17ten Jahrhundert eine geregeltere Kunstposie aufkam, traten natürlich die Meisterfänger wieder in den Hintergrund; erst i. I. 1839 hatte sich die lehte ihrer Schulen, in Ulm, aufgelöst.

Biele Meistersänger, d. h. vicle Mitglieder der Schulen, übten aber auch die Dichtkunst außerhalb derselben, dann aber nicht in der kunstreichen Form der Schule, sondern in der freien Manier der andern Poeten, und so haben wir denn recht wackere Sachen gerade aus der eben geschilderten Zeit, die von Dichtern herrühren, welche Meistersänger waren. Die Mehrzahl der Stücke von Hans Sachs haben mit den Schulen gar nichts zu thun; er dichtete diese Sachen für das Publikum. Eben so war Hans Rosenblut ein Meistersänger, aber in die Literatur gehört er nur seiner andern Stücke wegen.

§. 27.

Die Volkslieder.

Bewahrten nun die Singschulen die alte Kunst in freilich falscher Anwendung und ohne Geist auf, so erhielt sich dagegent bei roher Form im eigentlichen Volksliede der poetische Gehalt. So wie in der politischen Welt das Bedeutendste, was geschah die Kämpfe der Schweizer, der Dietmarsen, der Hussiten nicht von einzelnen großen Fürsten ausgieng, sondern unmittelbar vom Volke, so finden wir auch eigentliche Thaten der Dichtung nur im Volf. Dieses wurde selbst wieder zum Dichter und bewies, daß die untern Schichten durch die allgemeine Fäulnis nicht gelähmt waren, sondern nur die obern. Hier haben wir geistliche Lieder, Kriegslieder, Liebeslieder, Bergreihen, Jägerlieder, Gesellenlieder, balladenmäßige Schwänke, Ueberlieferungen der alten Heldensage sogar. Das Volk war also nicht unpoetisch,

*) Noch weniger gehören die Spruchsprecher in diefelbe, so wenig als unsere jebigen Hochzeitbitter.

sondern nur die Literatur; die nahmhaften Dichter waren viel zu hochmüthig, sich in dieser frischen Quelle zu baden, und horchten nicht auf die Stimmen im Volke, sondern auf die Wünsche der höhern und niedern Gönner. Die Kriegslieder der Schweizer gehören dem besten in der Zeit an; es werden uns Halbsuter und Beit Weber genannt, jener als Verfasser des Siegsliedes auf die Schlacht bei Sempach, dieser als Dichter in den burgun= dischen Kriegen. Allein Nahmen thun hier nichts zur Sache; hier wurde die Poesie wieder ganz objektiv und real; der Dichter war nur Dolmetsch der allgemeinen Stimmung und faßte die Gedanken der Gesammtheit in singbare Weisen.

Die Volkspoesie hat nun eine ganz andere Geschichte als die Literatur; in den Kreis dieser leztern tritt sie eigentlich erst, wenn sie gesammelt wird und wieder Einfluß auf die Kunstpoesie gewinnt, was in Deutschland bekanntlich erst seit Her= ders Auftreten geschah. Die Kunstpoesie wandelt sich oft schnell nach dem Wechsel des öffentlichen Lebens, den Einflüssen der Wissenschaft und dem Eingreifen einzelner Meister; die Volks. poesie hingegen erbt sich durch Ueberlieferung fort, lernt von den Frühern und lehrt die Spätern, wandelt aber ihren Charakter nur sehr langsam; daher auch Volkslieder ganz verschiedener Jahrhunderte einander sich ähnlich sind, selbst in der Sprache und deren Wendungen. Wir können deshalb von den meisten Volksliedern, sofern sie nicht historische Stoffe besingen, gar nicht wissen, in welches Jahrhundert sie gehören; von dem 15ten Jahrhundert aber wissen wir, daß sich die Dichtung in den untern Schichten stark regte, und obwohl der Meistergesang im geraden Gegensatz zum Volksliede stand, so hatte er toch gewiß großen Einfluß darauf; denn derselbe Meister, der in der Schule kunstmäßig sang, dichtete, sobald er poetische Gaben in sich fühlte, gewiß auch zu Hause oder für seine Gesellen freiere, muntere Lieder.

Ich habe als Beispiel unserer ältesten epischen Poesie das Bruchstück von Hildebrand in neuhochdeutscher Sprache gegeben (S. 74). Ich glaube, die Betrachtung unserer altdeutschen Literatur nicht besser schließen zu können, als wenn ich denselben Stoff in derjenigen Form mittheile, den er im 15ten Jahrhundert

hatte. Das Lied hatte sich durch alle Jahrhunderte durch ererhalten und war durch den Volksgesang von einem Geschlechte dem andern überliefert worden.

Das Lied vom alten Hildebrand *).

1. »Ich will zu Lande ausreiten, sprach Meister Hildebrand; „Der mir die Wege thut weisen gen Bern wohl in das Land?

„Sie sind mir unkund gewesen gar manchen lieben Tag,
»In zwei und dreißig Jahren Frau Utten ich nie gesach."

2. Willtu zu Land ausreiten, sprach Herzog Amelung,

»»So begegnet dir auf der Marke ein stolzer Degen jung. »»>So begegnet dir auf der Marke dein Sohn Herr Alebrand,

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„„Und rittest du felb zwölfe, von ihm würdst angerannt,«

3. „Renaet er mich denn an in seinem Uebermuth, »Ich zerhau' ihm seinen grünen Schild, das thut ihm nimmer gut.

„Ich zerhaue ihm seine Brünne mit einem Schirmeschlag **), »Daß er seiner Mutter Utten ein Jahr zu klagen hat."

4. »Das solltu nicht thun! sprach von Bern Herr Dieterich, »»»Der Held ist mir von Herzen lieb, Hildebrand, das bitt' ich dich.

»»Sprich, daß er dich laß reiten wohl durch den Willen mein ***),

»»Daß er dich lasse reiten, so lieb ich ihm mag seyn.««

*) Es befindet sich in allen neuern Sammlungen von Volksliedern, aber nach der spätern verderbten Aufzeichnung im deutschen Museum . 3. 1771. In der Sprache des 15ten Jahrhunderts findet es fich in der S. 79 angeführten Schrift von Grimm: die beiden ältesten Gedichte 2c. Die barbarische Orthographie dieses Jahrhunderts würde meine Leser auf jeden Fall ftören.

**) Fechterhieb.

***) Um meinetwillen.

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