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gehört denn auch die Mehrzahl der eigentlichen Minnelieber; die Zahl von Dichtern dieser Art war ins Ungeheure geschwollen. Schon Hartmann lächelt leise über die Liebesnoth der Minnefinger *), Wolfram in seiner Art spottet darüber, daß mancher von Minne singe, der sie gar nicht fühle **). In der That schwächte die große Zahl der Dichter die Würde und den Gehalt der Poesie, schwächt ihn wenigstens in unsern Augen, und wenn blinde Verehrer des Alten uns diese ganze Masse von Gedichten als gleich ächtes Gold verkaufen wollen, so werden sie die Theilnahme für die frühere Poesie schwerlich erhöhen, sondern den Spöttern gerechten Stoff zum Tadel geben. Es sind Sachen abgedruckt worden, die überhaupt gar keine Existenz verdient haben, geschweige denn ein Bekanntmachen nach 500 Jahren.

Fragen wir nun, welche Ansichten die Dichter jener Zeit selbst von der Poesie hatten, so ist die kurze Antwort: sie be trachteten dieselbe durchaus als Kunst, als eine heitere Kunst, im Gegensatz zu den neuern, welche die Poesie mehr als Ein. gebung betrachten. Wir sehen jeht mehr auf die Quelle aller Dichtung, die alten Dichter heben die Form ihrer Ersch inung hervor, und ich glaube, darin besteht der schneidendste Gegensatz beider Zeitalter. Freilich verlangen auch wir die Kunst äußerer Gestaltung von dem Dichter, verstehen aber doch mehr darunter das Sichtbarwerden der innern Welt desselben, und die Gabe, uns in die Stimmung zu versehen, die er hervorrufen will; die Kraft des Gestaltens gilt uns mehr als die gewordene Form; ein großes Gedicht achten wir als die That eines großen Mannes, an dessen Gedanken und Gestalten wir uns selbst emporheben wollen, und der Dichter selbst sieht sein. Dichten als ein Handeln in Versen an, in welchen er den ganzen. Gehalt seines

*) Das Lied ist abgedruckt bei Wackernagel, Sp. 311. Hartmann spricht freilich eigentlich davon, daß er sich eine beffere Minne erkoren hätte, die himmlische; aber ein leiser Spott gegen das erheuchelte Gefühl der Minnefinger liegt doch in den Worten der leßten Strophe. **) Im Parcival: 587. 3. 7. 8.

maneger hat von minnen sanc,
den nie diu minne also getwane.

Göhinger Lit.

Innern niederlegt. In der äußern, zierlichen Form, nahmentlich in Sprache und Vers, sehen wir manches nach, wenn nur sonst poetischer Geist da ist, ja, wir zählen Werke zu den poctischen, die eigentlich gar keine künstlerische Form haben. Umgekehrt verlangten die Kenner des dreizehnten Jahrhunderts allerdings auch poctische Eingebung, das Nothwendigste aber war die Ausarbeitung in ansprechender Form, und in dieser herrschte vorzugsweise Zierlichkeit und Ebenmaß; es galten bestimmte Vorschriften, doch konnte sich der Dichter frei bewegen und seine besondere Eigenthümlichkeit, d. h. seine poetische, frei hervortreten lassen. Correctheit der Sprache und des Reimes wurde unbedingt gefordert; der Dichter wollte den Kenner befriedigen, gleichgesinnten Männern gefallen und Kreise erheitern, in denen ähnliche Interessen herrschten. Auf die Nation zu wirken und fie zu heben, weiterzubilden, fiel ihm nicht ein, und leider sehen wir auch, daß diese Poesie troh ihrer Schönheit keine nachhaltige Wirkung hatte und völlig verstummte, als die höfische Bildung und das enge Juteresse vornehmer Kreise verschwand. Unsere neueu, großen Dichter zwangen die Nation, auf sie zu hören, nicht durch die Schönheit und Zierlichkeit ihrer Verse und Dichtungen, sondern durch die gewaltige Kraft der Gedanken, und den zum Theil unendlichen Gehalt, den ihre Dichtungen athmeten; dies vermochte, dies wollte kein Dichter des 13ten Jahr. hunderts; selbst der tüchtige Walther klagt nur, daß die Bil dung verfalle, und die spätern jammern über den Mangel au Interesse für die Kunst. Daß aber die Ausübung dieser Kunst, die durchaus eine feine Bildung forderte, bei dem Adel den Sinn für Gewaltthat milderte und so eine höchst wohlthätige Wirkung auf die Gesittung hatte, ist offenbar.

In alle Verrichtung der Poesie, so weit sie schöne Kunst ist, hatten diese Dichter ein klares Einsehen; sie verlangen Maßs halten im Ausdrucke, Vermeidung des Unedlen und Gemeinen, und fordern eine Sprache, durch welche der Gedanke klar durchscheint. Gotfried von Straßburg lobt seinen Freund Hartmann darum, daß seine Dichtung nach Außen und Innen (nach Darstellung und Gedanken) schön gehalten sey; daß seine krystallenen Worte ganz durchsichtig wären. Wolfram, in seinem genialen

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Drange, hatte den geltenden Geschmack durch seine abenihcuer. lichen Erfindungen und seine herumschweifenden Beispiele gröblich verleht, und es scheint sogar, daß gleich anfangs sich ein Streit zwischen Correctheit und Geniedrang erhob, und daß Wolfram nicht allein stand, sondern eine ganze Schule hinter sich hatte. Ungefähr wie Wieland in seinen Privatbriefen leise über das allzugeniale Wesen Göthe's flagt, so Gotfried laut über Wolfram: Solche Erfinder wunderlicher Geschichten und Wilderer „in der Erzählung, die aus alten Büchern etwas vorlügen und »stumpfe Sinne täuschen; die aus schlechten Sachen für Kinder "Gold prägen; die aus Apothekerbüchsen staubigen Meersand »gießen diese wollen mit dem Baumstamme Schatten geben, »anstatt mit dem grünen Lindenblatte, mit Zweigen und Aesten. »Dieser Schatten thue aber den Gästen selten im Auge wohl, „und man gehe nicht mit Wohlgefallen und Herzenslust von „ihnen. Ihre Sprache sey so ungestaltet, daß kein edler Sinn »sich daran erfreue; diese Wilderer sollten immer eine Auslegung ihren Geschichten beigeben, damit man sie verstehe; denn man »habe keine Zeit, die Glossen und Auslegungen in verschwärzten »Büchern zu suchen.«

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Ich glaube nicht, daß ein Aesthetiker unserer Zeit klarer und bündiger, und in vollem Bewußtsein seiner Kunstansicht sprechen könnte. Ich führe diese Kritik Gotfrieds aber deshalb an und lege überhaupt viel Gewicht auf die Behauptung, daß wir es hier mit Küfstlern zu thun haben, weil die sonderbare Meinung in vieler Deutscher Köpfen noch spukt, daß die Dichter des 13ten Jahrhunderts Naturdichter ohně Kunstsinn und ausgebildete Regel gewesen seyen. Diese Meinung hat eigentlich Bodmer in Umlauf gebracht, der die hösischen Dichter gerade so ansah wie die altenglischen Balladen, und Auszüge aus beiden und den Nibelungen in einem und demselben Buche gab *), mit dem offen daliegenden Zwecke, die Balladeweise Stolbergs und Bürgers, die er für gekünstelt hielt, damit niederzuschmettern. Man muß," sagt er, den Werth dieses Gedichts »(Parcival) in dem Gefühl des Herzens, in der Einfältigkeit der

*) Altenglische und Altschwäbische Balladen. Zürich, 1780. 81. 2 Bde.

„Ausbildung und in einer zärtlichen Lebhaftigkeit des Poeten „suchen, in Sachen, die in unsern verfeinerten Tagen Plattheit »heißen." Dieses sonderbare, völlig haltlose Urtheil ist bei Bodmer ein Lob, spätere nahmen es auf, gründeten aber einen Tadel darauf, indem sie die Werthlosigkeit der ganzen ältern Poesie damit bewiesen. Manso, in seiner Geschichte der deut schen Poesie *), sagt z. B.: „Es ergiebt sich zur Genüge, wie »gar wenig die Dichter jener Periode den Alten verdankten, wie »so ganz ihre Kunst ein Kind der einfältigen Natur und ihr „Gesang der Ausdruck roher Empfindung war, wie so gar nicht jene von der Kritik und diese von der Philosophie unterstützt „wurde." Man kann sich kein verkehrteres Urtheil denken; denn gerade das Verlassen der einfältigen Natur muß man unsern Dichtern zum Vorwurf machen, die bloße Betrachtungsweise der Poesie bloß als Kunst und Spiel; und nicht an Mangel der Kritik und Philosophie litten sie, sondern an höfischer Ueber. bildung.

Zu Wissenschaft und Gelehrsamkeit stand die höfische Poesie von Anfang an in einem bedenklichen und gefährlichen Verhält nisse. Die Dichtung kann der Gelehrsamkeit ziemlich entbehren, sobald sie sich auf Darstellung rein menschlicher und überlieferter Zustände beschränkt, was nun eben die hösischen Dichter nicht wollten; sie kann auf einem vorgeschrittenen Wege aus jeder Wissenschaft sich zu eigen machen, was für sie dient, und vieles aus derselben entwickeln; sie kann aber auf diesem Wege auch selbst gelehrt, spihfindig und breit werden, besonders wenn die Wissenschaft selbst ein schobstisches und spißfindiges Ansehen hat. Der Dichter wird dann seine Poesie mit Sachen ausfüllen, die in den poetischen Gesichtskreis gar nicht fallen, oder die er, was weit schlimmer ist, gar nicht versteht, wenigstens nicht so ver< steht, daß er den poetischen Geist darin entdecken könnte. Dieses

*) In dem Sammelwerke: Charaktere der vornehmsten Dichter aller Nationen. Bd. 1. Ich erwähne das Buch deshalb und ziehe die betreffende Stelle darum aus, weil jenes immer noch heimlich ausgeschrieben und diese die Grundlage des Urtheiles vieler PhiloLogen ift.

Auswerfen gelehrter Brocken, dieses Prunken mit Wissenschaft wirft Gotfried eben seinem Gegner Wolfram vor, fühlt aber nicht, daß in dieser Sache Wolfram nur das glänzendste Bei spiel des falschen Prunkes ist, er selbst jedoch an demselben Uebel leidet (er aber war vermuthlich ein wirklicher Gelehrter und meinte, die Sachen besser zu verstehen), und daß überhaupt die ganze Poesie daran krankte *), die nicht nur eine höfische, sondern auch eine gelehrte war. Walther hält sich ganz davon frei und zeigt auch hierin seinen gefunden Blick. Die spätern Rudolf von Ems und Konrad von Würzburg zeigen überall ihre Gelehrsamkeit, und zu Konrads Zeit war die Allegorie, stets ein Erzeugnis der gelehrten Poesie, so durchgedrungen, daß man sie selbst für Poesie hielt.

Hätte sich eine Prosa ausgebildet, so möchte sich vieles ganz anders gestaltet haben. Auch unsere neuern Dichter sind alle Schüler der Gelehrsamkeit, ohne Ausnahme Freunde der Wissenschaft; sie unterscheiden aber die Grenze der Poesie und der Wissenschaft, der Dichtung und der Profa. Wo sollten die zum Theil sehr gelehrten, wenigstens sehr scharfsinnigen Geister des 13ten Jahrhunderts ihre Kenntnisse und Beobachtungen anders vorbringen als in ihren Versen? Wenn Göthe vicle Stellen in Byrons Gedichten „verhaltene Parlamentsreden« nennt, ko könnte man viele Abschweifungen unserer Dichter verhaltene Streit schriften, Recensionen und Abhandlungen“ nennen.

§. 22.

Die Volkspoesie. Das Nibelungenlied.

Bis dahin ist gerade von derjenigen Dichtung, welche unter den Geistesarbeiten des 13ten Jahrhunderts dem neuern Geschlechte am meisten bekannt worden ist und mit Recht eine größere Verbreitung und Anerkennung gefunden hat als die Poesien der höfischen Dichter, noch gar nicht die Rede gewesen

*) In der neuern Zeit wiederholte fich diese Krankheit öfters; nahments lich ftrozt Wieland von gelehrtem Prunk, und was Gotfried spöttisch dem Wolfram räth, that Wieland wirklich: er fügte seinen Gedichten Auslegungen bei.

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