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gewissenhaft wiedergegeben; Episoden, Nebenpersonen und Nebenumstände erfanden sie selbst und flochten sie an gelegenen Stellen ein. Farbe, Sitte, Tracht alles war aus dem Leben genommen und trug das Gepräge der Gegenwart, was denn einen sonderbaren Contrast geben mußte.

Von der Wahrheit des Erzählten sind unsere Dichter fest überzeugt; auch berufen sie sich in der Regel auf Bücher, in denen ihre Geschichten stehen, entschuldigen sich, wenn etwas erzählt wird, das ihnen selbst unnatürlich erscheint, damit, daß es in ihren Quellen sich vorfinde. Dieses viele Reden von Büchern kommt uns jet sonderbar vor, man bedenke aber, daß in jener Zeit ein Buch etwas Seltenes, Köstliches war, und daß sich schon an die Vorstellung desselben ein poetischer Gedanke heftete.

Die gewöhnlichste Form dieser Aventuren, sowie überhaupt der erzählenden Gedichte blieben die kurzen Reimpaare mit vier Hebungen. Dabei war ein Unterschied zwischen stumpfen und klingenden Reimen festgeseht. Unter stumpfen verstand man solche mit einer Hebung, also auf einsilbige Wörter oder auf zweysilbige, in denen die Stammsilbe aber kurzen Vokal hatte. Wol und vol waren stumpfe Reime, sage und tage eben so gut. Klingende Reime hatten zwei Hebungen, sie traten dann ein, wenn die Stammsilbe lang war nnd die sonst unbetonte Endung nun auch einen Ton erhielt. Bóumé und troúmé hätte also im Reim als zwei Hebungen gelten dürfen. In Anerkennung solcher klingenden Reime sind die Dichter verschieden. Ich gebe zum bessern Verständnis ein Beispiel aus Wirnts Wigalois:

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Hier fallen also auf die Ausgänge von 3. 2-5 zwei Hebungen, urd jede Zeile, obgleich in der That kürzer als die erste, gilt doch für gleich lang mit ihr. Das ganze System hat etwas Künstliches und Gemachtes; wie denn diese kurzen Zeilen mit ihren gepaarten Reimen eigentlich gar keine passende Form für epische Erzählung sind. Freilich wird das ewige Einerlei, das man diesen kurzen Reimpaaren vorwerfen muß, dadurch sehr gemildert, daß der Satz gewöhnlich mit der ersten Reimzeile endigt, und so die zweite den Sah der ersten des folgenden Reimpaares beginnt, dergestalt daß ein wiederkehrender Streit zwischen Ge= danke und Reimfolge entsteht; z. B.

Sine kerte sich an keinen kranz, er waere rot oder val. Sie brachte dar durch Flüchte sal des werden Gah muretes kind.

Liute, die bi ir da sint, müezen buwn und riuten.

Si kunde wol getriuten ir sun, ê daz sich der versan *), u. f. f.

Außer den eigentlichen Uventuren wurden auch kleinere Er zählungen, Volkssagen, Legenden und Schwänke bearbeitet, unter denen sich ganz vortreffliche Sachen befinden. Nahmhafte Dichter wären hier:

1. Hartmann von Aue (Gregorius vom Stein, dèr arme Heinrich).

2. Reinbot von Doren (der heilige Georg).

3. Der Striker (Pfaff Amis).

4. Werner der Gärtner (Meier Helmprecht **).

5. Konrad von Würzburg (Otte mit dem Barte).

6. Bruder Hugo von Langenstein (Marter der heiligen Martina).

Außerdem besißen wir noch eine Menge Arbeiten dieser Art von unbekannten Verfassern, worunter besonders der Wiener

*) Aus Wolframs Parzival.

**) Dieses merwürdige, aber noch ziemlich unbekannte Gedicht ist von Bergmann herausgegeben worden: Von dem Mayr Helmprecht. Wien bei Gerold, 1839.

Meirfahrt zu bemerken ist. Jedenfalls waren diese Stücke eben so beliebt wie die Aventuren.

Die Fabel, oder wie man besser sagte: »das Beispiel« (Bischaft) wurde besonders vom Stricker und von Ulrich Boner bearbeitet; ritterliche Dichter scheinen sich nicht damit abgegeben zu haben. Auch hier ist der Stoff nicht selbst erfun den, sondern aus Büchern und ältern Fabeln genommen worden. Von der alten Thiersage und der Bearbeitung unterscheiden sich diese Beispiele durchaus, da sie in der Regel didaktischer Tendenz sind, wiewohl beim Stricker die Behandlung immer noch an die ältere, rein cpischere Form erinnert.

Eigentliche Lehrgedichte, die zum Vorlesen bestimmt waren, entstanden ebenfalls. Hierher gehören Meister Freidanks Bescheidenheit (Weisheit), eine Sammlung von einzelnen Sprüchen; des Hugo von Trimberg Lehr- und Strafgedicht: der Renner; des Thomasin von Zerkläre Welscher Gast, cine Art philosophischen Lehrgedichts über höfische Zucht; vor allen Dingen aber drei dialogische Dichtungen von bedeutendem Werthe: König Tyrols von Schotten Lehren an seinen Sohn Friedebrand; der Winsbecke (Lehren an einen Sohn); die Winsbeckin, Lehren an die Tochter).

In der Lyrik müssen der eigentliche Minnegesang, die reli giöse Dichtung, das Spruchlied und das Gelegenheitsgedicht unterschieden werden. Lehtere Bezeichnung scheint zwar sonder. bar, sie ist aber nöthig; denn das eigentliche Minnelied hatte eben gar keine reale Grundlage, da hier alles, Gefühl, Situ ation, Lebensansicht — aus der Luft gegriffen ist, während das Gelegenheitsgedicht an bestimmte Personen gerichtet wird, und wirkliche Lagen und Thatsachen zur Grundlage hat. Uebrigens unterscheiden sich diese Gattungen auch durch die Form. Walt= her von der Vogelweide hat sich in allen ausgezeichnet; auch seine Minnelieder sind weit natürlicher als die der spätern, deren viele in der Kunst des Versbaues freilich Außerordentli= ches leisten. Ich halte es für unnöthig, hier die endlose Reihe der Minnesinger aufzuführen, um so mehr, da sich hier die meisten Virtuojen eindrängten; da der Nahme gar nichts zur Sache thut, indem alle diese Minnelieder dieselben Gegenstände

besagen, dieselbe künstliche Lebensansicht und erheuchelte Verchrung der Frauen aussprechen und dieselben Wendungen nehmen. Auch die religiöse Dichtung nahm später einen ähnlichen Weg, und die berühmte goldene Schmiede von Konrad von Würzburg ist eine wahre Masaikarbeit von Bildern.

Eine dramatische Gattung bildete sich gar nicht aus in dieser höfischen Pocsie, und dies ist um so weniger zu begreifen, da doch alles aus dem Standpunkte der Geselligkeit, zum unmittelbaren Gebrauch und Genuß der Gebildeten verarbeitet wurde. Minnelieder und sogenannte Reihen (Tanzlieder) sind dialogisch abgefaßt und wurden jedenfalls auch von verschiedenen Stimmen gesungen; der äußern Form nach war also eines der dramatischen Elemente vorhanden. Allein an dramatische Durchführung einer Handlung hat kein Dichter dieser Zeit gedacht, wiewohl manche Gedichte, z. B. Meier Helmprecht, ihrem In= halte nach ganz auf unmittelbare Darstellung hinweisen. Da fich die größten Dichter losrissen von der Sage und der Ge= schichte, ihre Nachfolger die Einfachheit der Natur ganz ver. ließen und in erkünftelten Gefühlen und Lebenslagen sich be= wegten, so konnte freilich keine Dichtung aufkommen, worin Durchführung der Charaktere und innere Wahrheit der Darstellung Hauptsachen sind. Indeß dürfen wir aus dem Mangel einer dramatischen Literatur nicht schließen, daß man keine dramatischen oder mimischen Spiele aufgeführt hätte; denn welche Zeit und welches Volkes hätte diese je ganz entbehrt? Nur kamen unsere höfischen Dichter nie auf den Einfall, auch diesen Spielen eine kunstmäßige Einrichtung zu geben und sie zum Gegenstante poetischer Gestaltung zu machen, wie sie denn selten darauf fielen, die wirklichen Einrichtungen des Lebens zu benußen und zu veredeln, sondern immer nur erträumte und ideale Verhältnisse behandelten. Dagegen brachten manche die Geschichte in Verse und bewiesen dadurch, daß sie die Poesie nur als Handwerk betrachteten, dessen Ausübung darin bestände, zu reimen und Silben zu zählen. Wie der dramatischen Dichtung, so entbehrt diese ganze Zeit auch der Profa. Dazu bediente man sich überall noch der lateinischen Sprache. Zwar fallen in das dreizehnte Jahrhundert die trefflichen Predigten des Bruder

Bertholds von Regensburg, allein begreiflich standen diese mit der herrschenden Literatur in gar keiner Verbindung und zeigen schon mehr auf den folgenden Zeitraum, der sich müde und überdrüssig von after Poesie abwandte.

S. 21.

Charakter der höfischen Dichtung.

Troh dem Mangel des Dramas und troß der Einförmigkeit, die sich durch einige Gattungen durchzieht, sind die Erzeugnisse der höfischen Dichtung so mannigfaltig, daß es schwer ist, den wesentlichen Charakter derselben mit wenig Worten anzudeuten; denn mit den Schlagwörtern: »subjektiv, romantisch,« die hier oft gebraucht worden sind, reicht man nicht weit.

Man nimmt den Gegensatz zwischen subjektiver und objektiver Poesie, über welchen so viel gestritten wird, ge= wöhnlich in dem Sinne von sentimentaler und naiver. Auf Darstellung menschlicher Zustände und Beziehung alles andern Stoffes, darauf ist jeder Dichter angewiesen. Der eine stellt nun lieber das Besondere des innern Lebens dar, das er nur aus seinem eigenen Innern kennen lernt, blickt daher überall mit seiner persönlichen Ansicht durch sein Gedicht durch und nimmt an dem Dargestellten Theil, geschehe dies nun in ernster und gemüthooller, oder in spöttischer und ironischer Weise. Der andere Dichter stellt mehr das Allgemeine des Weltlebens dar, die äußere Erscheinung, ohne daß er sein eigenes Innere, einen persönlichen Antheil an seinem Stoffe zu erkennen giebt. Der erste ist mehr subjektiv, der zweite mehr objektiv, und in diesem Sinne ist die Mehrzahl der mittelhochdeutschen höfischen Dichter subjektiv, wie es das ganze Zeitalter war, welches sich gewöhnt hatte, in allem Aeußerlichen das Sinnbild von etwas Geistigem zu sehen, und sich in einen mit den Gemüthsbestrebun. gen verwachsenen Herren-, Frauen und Gottesdienst so versenkte, daß die Idee der Ehre, der Minne und der Andacht eine ganz eigenthümliche, innere Welt erzeugten.

In dieser Beziehung nun unterscheidet sich unsere moderne. Pocsie wesentlich gar nicht von der frühern; denn auch die unserige ist ganz subjektiv, Göthe nicht ausgenommen; nur daß

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