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Herder, Lessing, selbst Göthe und Schiller waren Weltweise in jenem Sinne, ohne daß sie jemals daran dachten, philosophische Systeme zu begründen oder sich als Anhänger eines bestehenden auszugeben. Das Interesse, welches der wackere Seume immer einflößen wird, gründet sich weder auf seine nüchternen Verse, noch auf seine vortreffliche Prosa, sondern rein darauf, daß er als durchgeführter, eigenthümlicher Charakter auftritt, und bei dem spätern, ihm verwandten Chamisso wird die Theilnahme, welche wir dem Dichter schenken, gar sehr erhöht durch die Achtung vor der tüchtigen, selbstständigen Natur. In neuerer Zeit haben Männer wie Arndt, Jahn und Görres mannigfaltig auf die Nation gewirkt, da sie Dol. metscher von Gesinnungen und Ansichten wurden, die zur Fortbildung des nationalen Bewußtseyns mächtig beitrugen. Verfehlten doch selbst L. Börne und K. Lang *) ihre Wirkung nicht, obgleich es jenem an gründlicher Kenntnis der Zustände fehlte, über die er schrieb, und diesem an Ernst der Gesinnung.

Ich möchte Schriftsteller dieser Art, im Gegensaß zu den bloß gelehrten, die befruchtenden nennen, wenn diese Bes zeichnung, obgleich sehr treffend, nicht manchem wunderlich und gesucht vorkommen würde. Göthe bedient sich zur Bezeichnung solcher Männer des Ausdrucks: „er ist eine Natur," und auch hierin ist viel Treffendes. In der That fehlt es urs an einem gangbaren Ausdrucke für solche Schriftsteller, die weder als Dichter durch die Vollkommenheit ihrer Darstellung, noch als Gelehrte durch die Gründlichkeit ihres Wissens in der Geschichte der Literatur Epoche machen, sondern rein durch ihre Persönlichkeit die größten Einflüsse nicht nur auf Weiterbildung der Nation überhaupt, sondern oft auf den Gang der Literatur insbesondere übten. In Ermangelung eines bessern Nahmens wähle ich den des Weltweisen, gegen den eigentlich niemand etwas einwenden kann, man müßte ihn denn altmodisch nennen wollen.

Es versteht sich von selbst, daß der Weltweise auch Gelehrter seyn kann, ja in gewisser Hinsicht seyn muß; nur wird er sich in seinen Schriften bald mehr als Gelehrter, bald mehr als Phis

*) Verf. der Hammelburger Reisen.

losoph zeigen. Dem ganzen Charakter dieser Männer zufolge ist es aber nicht die einzelne Schrift, wodurch sie in der Literatur Epoche machen, sondern ihre ganze Erscheinung und die Gesammt= heit ihrer Geisteserzeugnisse war es, wodurch sie so großen Einfluß gewannen.

Die hierher gehörigen Schriften sind es vorzüglich, in deren Beurtheilung die größte Verschiedenheit herrscht, da es sich hier nicht um Richtigkeit des Gefundenen oder Ueberlieferten handelt, sondern um Wahrheit der Ueberzeugungen; da hier nicht bloß die Einsicht in Betracht kommt, sondern auch die Gesinnung. An Schriftsteller dieser Art werden oft Forderungen gestellt, die sie weder erfüllen konnten, noch wollten. Der bloße Fachgelehrte, welcher mit antiquarischem Fleiße einen besondern Zweig des Wissens studiert hat und in alle einzelne Theile und Punkte seines Faches eingedrungen ist, sieht mit Verachtung herab auf den Weltweisen, weil dieser eine Unkenntnis in manchen Einzelheiten verräth, die ihm selbst ganz geläufig sind; er thut Unrecht und beweist bloß, daß ihm diejenige Gelehrsamkeit, die sich auf gu= tes Gedächtnis und eigentliches Lernen, auf fleißiges Lesen und Abschreiben gründet, als die einzige, wahre Weisheit gilt. Der Jünger der Wissenschaft sucht in den Schriften der Welt= weisen nach Kenntnissen, die er schon mitbringen sollte, um sie zu verstehen, und will da einen Vorrath für das Gedächnis erwerben, wo er nur denken lernen sollte; er thut nicht nur Unrecht, sondern bereitet sich selbst den größten Nachtheil, da er vielleicht darüber das eigentliche Lernen versäumt und sich mit Ideen füllt über Gegenstände, von denen er nichts als den Nahmen weiß; er wird im besten Falle zum Schwärmer, im schlimmsten zum anmaßenden Schwäher werden. So kann das Verties fen in solche Schriften, die für Charakter und Gesinnung am bildendsten wirken sollen, allerdings zum Nachtheil, ja zum Unheil ausschlagen. Dazu kömmt, daß, wie schon bemerkt, sich in den Kreis der Weltweisen eine Menge verdächtiger Leute drängt, die, aller tüchtigen Grundlage entbehrend, eigentlich nur Aufsehen erwecken oder gar Skandal erregen wollen. Bei den rein unterrichtenden Büchern ist der Beweis, daß viele nichts taugen, leicht geführt, da es hier auf Kenntnis oder Unkenntnis an.

Fömmt, und dabei nicht eine Ansicht der andern gegenüber zu treten braucht, sondern bloß das Wissen der Unwissenheit; nicht so bei den Schriften, worin menschliche Verhältnisse und Interes sen überhaupt besprochen werden; worin der Verfasser nicht einen Reichthum von Kenntnissen, sondern eine Fülle von Ideen niedergelegt hat; denn hier kann begreiflich nur Meinung der Meinung, Glaube dem Glauben gegenübergestellt werden. Indeß giebt es auch hier einen Anhaltspunkt, von wo aus sich der Werth des Schriftstellers prüfen läßt, und dies ist der Ernst und die Wahrheit der Gesinnung, im Gegensatz zu bloßer Affektas tion und Geltend machung.

Wie wir bei den rein belehrenden Büchern drei Classen annahmen, so können wir auch eine dreifache Verschiedenheit derjenigen Schriftsteller nachweisen, welche durch ihre Persönlich. keit und die Eigenthümlichkeit ihrer Ansichten Aufsehen in der Literatur erregen, wobei jedoch wieder der Troß derjenigen unbeachtet bleibt, welche nur auf Lärmen und Skandal ausgehen, ohne daß ihre Wirksamkeit im geringsten nachhaltig wäre. Viele sehr achtbare Schriftsteller dieser Art haben im Grunde keine besondere Weltansicht und keine ihnen eigenthümlichen Ueberzeus gungen zu verfechten, oder besigen wenigstens keine durch Erfah rung oder Studium vermittelte philosophische Durchbildung; sie wissen aber mit feinem Instikt sich in die gerade geltenden zu schmiegen oder die hingeworfenen Ideen anderer sich auzueig, nen und auszubeuten, und so den glücklichen Dolmetscher der weniger Gewandten zu spielen; kurz sie verstehen es, Ansichten schrifstellerisch zu vertreten und der Welt vorzulegen; sie gelten eine zeitlang als Weltweise, bis ihr Ruhm nach und nach er. lischt und später sie keine Beachtung weiter trifft *). Andere sind in der That eigenthümliche und kräftige Geister, tiefsinnige oder wenigstens starrsinnige Köpfe; aber sie wissen, im Gegens sah zu den vorigen, den Reichthum ihres Innern nicht in gangbare Münze umzusehen; sie wirkten persönlich oder auf engere

*) Hierher gehören denn auch viele Kanzelredner, welche die Bedürfnisse ihrer Zeit und Umgebung befriedigen, ohne daß fie durch die Macht ihrer Persönlichkeit bedeutende Erscheinungen wären.

Kreise, erscheinen aber als Schriftsteller mehr wie Sonderlinge oder unverständliche Propheten, und ihre Schriften werden von den meisten nicht gelesen, sondern nur als wunderliche Geisteserzeugnisse angestaunt; eine natürliche Folge davon, daß solche Schriftsteller gewöhnlich zum Sonderbaren und Geheimnisvollen geneigt sind, und es oft wirklich einer besondern Weihe bedarf, um bei ihnen heimisch zu werden. Andere endlich wollen durch ihre Schriften, in denen sie die angeborene Fülle ihres Innern oder die Ergebnisse des Nachdenkens und der Erfahrung nieder. legten, wirklich die Geister anregen und befruchten; sie nehmen Rücksicht auf jeden Leser, der überhaupt höherem Verständnisse zugänglich ist; sie haben in der That der Nation etwas zu sagen, und sagen es mit derjenigen Klarheit und Sicherheit, die ihres Eindrucks in Gutem oder Bösem nicht verfehlt. Diese lehtern Schriftsteller sind es eigentlich, die in der Literatur eines Volkes fortwährende Geltung haben. Soll ich berühmte Nahmen als Vertreter jener drei Classen nennen, so kann ich für die erste Wieland *), für die zweite Hamann, für die dritte Lessing, Justus Möser und Herder aufstellen.

S. 4.

Gestaltende Talente. - Dichter.

Sind es bei den Schriften der Weltweisen nicht die Sachen an sich, die vorzugsweise in Betracht kommen, sondern die Be ziehungen des Schriftstellers zu den Sachen und seine scharfe, eigenthümliche Auffassung derselben: so ist es wieder bei andern Schriftstellern die Form, die ihnen den größten Werth verleiht; und unterscheiden wir von den Büchern des Gelehrten die Schriften des Charakters und des Weltweisen, so haben wir von bei= den die Werke der Dichter zu trennen, und solcher Schriftsteller, bei denen Erfindung, Anordnung, Darstellung und Gestaltung eines Stoffes die Hauptsache ist; solcher Schriftsteller, die ihren Gegenstand künstlerisch verarbeiten und mit jeder neuen Schrift ein mehr oder weniger vollendetes Kunstwerk schaffen wollen.

*) Es ist die Rede von Wieland dem Weltweisen, nicht von Wieland dem Dichter.

Freilich bedarf auch der Dichter eines Stoffes, und um diesen zu finden und zu beherrschen, ist ihm Wissen und Erfahrung, oft geradezu Gelehrsamkeit nöthig; eben so fordern wir von ihm eine bestimmte Auffassung menschlicher Verhältnisse und eine aus. gesprochene Gesinnung: allein Sachen und Ueberzeugungen haben bei dem Dichter eine ganz andere Bedeutung, als bei dem Gelehrten und dem Weltweisen; denn wir wollen bei ihm nicht in die Schule gehen, um etwas Neues zu lernen, oder das schon im allgemeinen Bekannte in gründlicher Durchforschung und Bes sprechung uns noch mehr zu eigen zu machen; der Dichter soft nur den bekannten oder unbekannten Stoff unserer Theilnahme und der lebendigen Auffassung näher rücken, indem er der schnel lern Uebersichtlichkeit und kräftigern Vorstellung durch die Kunst des Ausdrucks und der Anordnung zu Hülfe kommt, und unsere ganze Seele so stimmt, daß alles, was er spricht und erzählt, zu eigner Empfindung, zu unmittelbarer Anschauung in uns sich verwandelt. Was ihn zum Dichter macht, ist nicht seine Erfah rung, nicht sein Wissen, nicht seine Gesinnung, nicht die Gewalt der Empfindung, nicht die eigenthümliche Betrachtungsweise der Dinge; alles dies wird seinen Erfindungen und Darstellungen ein bestimmtes Gepräge geben; es wird die Achtung, die wir vor der ganzen Erscheinung haben, schwächen oder verstärken; es wird von großem Gewicht seyn in Bezug auf den dauernden Einfluß, den die Wirksamkeit des Dichters auf die Nation übt: aflein den Charakter der Dichtung erhalten alle seine Hervorbringungen erst dadurch, daß er ihnen eine feste, zusammenhängende, belebte Gestaltung giebt, wodurch sie als ein Ganzes und Vollkommenes unsere Einbildungskraft zur Auffassung der bestimmtesten Formen und Eindrücke zwingen, und zugleich die Forderungen des Verstandes befriedigen. Es sind nicht die Sachen selbst, wodurch die Dichter uns erfreuen und erschüttern, uns zum Lachen oder zu Thränen bewegen; es ist durchaus nur die Art, wie sie diese Sachen vortragen und in Worte kleiden. Die Möglichkeit, dieses zu thun, beruht aber auf einem eigenthümlkchen, geheimnisvollen, angebornen Talent, welches an sich etwas ganz anderes ist als Wissen und Gesinnung, wiewohl es aller= dings erst dann in vollem Glanze strahlt, wenn es sich mit beiden

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