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ist es aber. In Bezug auf die höfifchen Dichter müssen aber unterschieden werden: 1) die Verfasser der Gedichte selbst; 2) solche, welche in der Dichtkunst Unterricht ertheilten, Dichtungen niederschrieben, ausbesserten und zurecht machten; 3) solche, welche ein Gewerb aus dem Vortrage dichtererischer Werke machten *). Allerdings konnten diese drei zur Erscheinung der Poesie nothwendigen Verrichtungen in einer Person vereinigt seyn, so daß der Dichter zugleich seine Werke vortrug, wie denn der Meister und Lehrer nothwendig ausübender Dichter seyn mußte; im Begriffe aber müssen jene drei Aemter streng geschieden werden, und für die Beurtheilung der Poeste des Zeitalters ist die klare Einsicht in dieses Verhältnis durchaus nöthig. In unserer Zeit besteht es nicht mehr; wir kennen bloß den Dichter; von Lehrern der Dichtkunst wissen wir nichts, kaum von Lehrern der Verskunst, allenfalls möchten die Kritiker jezt diese Stelle einnehmen. Ferner ist der Dichter bei uns nie der, welcher seine Dichtungen vorträgt; er schickt auch keine Boten aus, welche dieselben vortragen sollen, sondern alles ist dem stillen Lesen des Liebhabers überlassen. Daß die Verhältnisse des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts andere Bedingungen stellten, ist klar. Wollte der Dichter bekannt werden und diesen Ehrgeiz hatte der ebenso gut, wie die neuesten Dichter so mußte er entweder selbst umherreisen, oder ausübenden Sängern und Vorlesern seine Sachen zur Bekanntmachung anvertrauen. Ein ähnliches Verhältnis besteht jetzt bei einer Classe von Dichtern, welche das dreizehnte Jahrhundert nicht kannte, bei den dramatischen. Der dramatische Dichter kann seine volle Anerkennung nur finden, wenn seine Werke öffentlich dargestellt werden, und wie wir jest in großen Städten und an Höfen Theater haben, so hatte man damals Sänger und Vorleser. Wie aber ausgezeichnete Bühnentalente gereizt werden, sich selbst im Erschaffen dramatischer Stücke zu versuchen, die oft mehr Wirkung machen, als

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*) Rudolf von Ems nennt in einer für die Literargeschichte sehr wichtigen Stelle seines Wilhelm von Orlienz sechzehn Dichter von Aventuren, dann aber noch einen Meister Hesse von Straßburg und seinen Freund Vasolt als Schreiber, Kenner und Merker.

die poetischen Schöpfungen der größten Genien, welche der Faß. lichkeit ermangeln: so fühlte sich damals mancher gute Sänger und Vorleser versucht, selbst Aventuren und Lieder zu schaffen, ohne daß eigentliche poetische Eingebung dagewesen wäre. In der dramatischen Literatur unterscheiden wir jeßt sehr verständig die Theaterliteratur von der wirklichen Schöpfung des Genius, und so sollte man denn auch in Darstellung der altdeutschen Literatur zu der Einsicht kommen, daß hier viel Arbeiter, aber wenig Berufene waren. Denn offenbar nahm die Vorlesung der Aventuren im dreizehnten Jahrhundert dieselbe Stelle ein, die jetzt das Schauspiel behauptet, so wie die fahrenden Leute durchaus nicht unsern Bänkelsängern zu vergleichen sind, sondern unsern Schauspielern.

Am durchgreifendsten mochte jenes dreifache Verhältnis in der Lyrik seyn. Diese war durchaus mit Musik und Gesang verbunden, der Lyriker mußte Kenner der musikalischen Geseze seyn. Hier sind also Lehrer, Dichter und Sänger, wiewohl oft in einer Person verbunden, genau zu scheiden. Unterscheiden wir doch noch jest Componisten, Lehrer des Generalbasses, Musiklehrer und Musiker. Von dem Lehrer, wie von dem ausübenden Musiker erwarten wir, daß er auch selbst componiere, unterscheiden aber wohl den Virtuosen von dem eigentlichen Tonkünstler; und so gab es denn auch im Mittelalter eine unzählige Menge Virtuosen der Dichtkunst, ohne daß wir auf einen Reichthum poetischer Gestaltungen schließen dürften, da gerade diese Kunst den meisten geradezu abzusprechen ist. Wie es bei uns zum guten Tone gehört, das Klavier oder ein ande res Instrument zu lernen, so lernte ein höfischer Mann der hohenstaufischen Zeit singen und sagen, und es scheinen viele Meister als große Lehrer berühmt gewesen zu seyn, nahmentlich in Oesterreich, denn Walther von der Vogelweide erwähnt ausdrücklich, daß er dort seine Kunst gelernt habe. Die ganze höfische Dichtkunst hatte eine so große Ausbildung im Aeußerlichen, in Bers und Vortrag erhalten, daß an ein wildes Aufwachsen derselben nicht zu denken war; denn selbst die scheinbar einfache epische Darstellung war gewiß mit großen Schwierigkei ten verbunden. Je mehr nun der einzelne Dichter diese besiegte,

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je reinere Töne er sang, je farbenreicher seine Schilderungen waren, desto eher wurde er als Meister anerkannt. Wir dürfen keck behaupten, daß in dieser höfischen Zeit nie das poetische Genie und die große Naturanlage bewundert wurden, sondern das Kunsttalent. Wenn Walther von der Vogelweide immer als einer der höchsten Meister gepriesen ward, so galt dies durchaus nicht der großen Persönlichkeit des Mannes, seiner klaren, umfassenden Weltanschauung und seinem wahren poetis schen Genie, vermöge dessen Inhalt und Form fortwährend in Einklang stehen; sondern bloß seiner ausgezeichneten Kunstfertigkeit in Ueberwältigung aller Schwierigkeiten. Diese Kunstfertig= felt ließ sich bis zu einem gewissen Grade bei einiger Naturanlage lernen, besonders da alles dichtete und sang, und so dürfen wir uns über das unübersehbare Heer von Dichtern nicht wundern.

Wer die Dichtkunst zu seiner eigentlichen Beschäftigung gemacht hatte, hieß Meister, was also nicht gerade Lehrer des Gesanges bezeichnet. Den adelichen und fürstlichen Männern, welche die Dichtkunst ausübten, gab man, da sie schon den höhern Titel Herr führten, den Nahmen Meister nicht, obschon im Wesentlichen kein Unterschied stattfand. Gottfried von Straßburg und Konrad von Würzburg werden immer als Meister Gottfried und Meister Konrad bezeichnet, und wir können daraus schließen, daß sie nicht adelicher Abkunft waren und ein Gewerbe aus der Dichtkunst machten. Walther von der Vogelweide, und Wolfram von Eschenbach werden als Herr Walt. her und Herr Wolfram bezeichnet, weil sie adeliche Herren waren; sie waren aber eben so gut Meister als jene beiden, da fie die Dichtkunst auch als Gewerbe trieben und ihren Unterhalt damit verdienten. Gönner mußte natürlich jeder Dichter haben, um Ruhm und Sold zu gewinnen. Das Verhältnis dieser Gönnerschaft war vielfältiger Art. Einige Dichter standen ge radezu in Diensten eines kunstliebenden Herrn als eine Art Hofdichter, was mit Heinrich von Veldeck der Fall gewesen zu seyn scheint; andere verweilten an diesem oder jenem Hofe, ohne in Diensten des Herrn zu stehen, wie wir dies von Wolf. ram und Walther ganz bestimmt wissen. Wieder andere zogen

wohl immerwährend herum, und unterschieden sich von den fahrenden Leuten nur dadurch, daß ihre Kunst eine andere war. Für den Vortrag der Gedichte brauchte man die Bezeich= nungen: singen und sagen. In früheren Zeiten haben beide Worte, da alle Poesie gesungen wurde, bestimmt dasselbe beteutet, nur daß Sagen vielleicht mehr auf das Abfassen des Gedichtes, Singen auf den Vortrag gieng. In der hohenstaufischen Zeit versteht man unter Sagen gewöhnlich das Vorlesen. Epische Werke wurden vorgelesen, hergesagt, lyrische Erzeugnisse gesungen, wobei der Dichter gewöhnlich selbst die Weise geseht hatte. Das Instrument, auf welchem der Vortagende seinen Gesang begleitete, wird bald Harfe, bald Cyther, bald Fidel genannt, und scheint unserer Geige geglichen zu haben.

6. 18.

Blüte der höfischen Dichtung.

Die eigentliche Blüte der höfifchen Poesie dauerte nur kurze Zeit, etwa von 1190 bis 1230, also wenig über ein Menschenalter. Als Gründer der neuen Kunst wird überall Herr Heinrich von Veldeck genannt. Er war ein westphälischer Edelmann und lebte im Anfange dieser Periode am Clevischen und Thüringischen Hofe. Der Hof Landgraf Hermanns von Thürin gen war dazumal der Sammelplah aller schönen Geister; Meister des Gesanges und bloße Dilettanten, gute und schlechte Dichter fanden dort Aufnahme und reiche Belohnung, und bekanntlich verlegte die spätere Volkssage den bekannten, sonder= baren, fabelhaften Wettstreit der Sönger auf die Wartburg.

Das Hauptwerk Heinrichs, die Aeneide, eine Bearbeitung des Virgilischen Stoffes nach einem französischen Vorbilde, ist ein Beweis, daß unser Mann kein großer Dichter war. Wenn er dennoch in so hohem Ansehen bei den Mitlebenden und noch lange Zeit stand, so zeigt dies dafür, daß man nur das Kunsttalent damals schäßte und den Grad der Achtung nach dem Grade dieses Talentes abmaß. Er scheint denselben Einfluß gehabt zu haben, wie später Opih; er war gewiß ein kunstgebildeter Mann, der es sich angelegen seyn ließ, Sprache und Versbau

correcter zu bilden und ein bestimmtes Gesetz dafür aufzustellen. Von da an erscheint der Silbenreim in seiner größten Reinheit, und auch die Versmessung wird geregelter, auf deren genauere Darstellung ich mich aber hier nicht einlassen kann. Doch geht aller Einfluß Beldeckes mehr auf die Bearbeitung der Aventuren, und wenn er diese neue Art Epos wirklich in Deutschland aufbrachte, so sind wir ihm wahrlich geringen Dank schuldig. Diz hohe Ausbildung der Lyrik gieng gewiß von ganz andern Meistern aus, deren Nahmen wir gar nicht kennen, und wie schon bemerkt, müssen in Oesterreich berühmte Schulen gewesen seyn.

Der ganze große Werth jener Zeit beruht auf ten drei großen Dichtern Walther von der Vogelweide, Wolf. ram von Eschenbach und Gotfried von Straßburg, die denn auch bei den spätern in höchstem Ansehen stehen. In Walther spricht sich eine bestimmte, klare Weltanschauung aus; er ist dabei ein ächt deutscher Mann, in dessen Liedern wir die ganze damalige Zeit vor uns vorübergehen sehen. In der Form ist er must.rhaft einfach, faßlich, außerordentlich mannigfaltig nach Gegenständen und deren Behandlung. Wir kennen ihn nur als Lyriker, ohne Zweifel hat er auch nie Aventuren verfaßt, da er nie unter den erzählenden Dichtern aufgeführt wird.

An

Wolfram und Gotfried bilden zwei Gegenfähe. Wolfram ist ein Mann tiefer und ernster Ansicht, welcher den Gegensatz zwischen dem sonderbaren Streben der damaligen Ritterwelt und dem wirklichen Gehalte desselben wohl fühlte, daher sich bei aller Heiterkeit der Darstellung eine Ironie, eine Sehnsucht nach etwas Höherem durch seine Dichtungen zieht. Glanz der Sprache, an Fülle des Gedankens, an Beweglichkeit der Darstellung erreicht ihn keiner; Faßlichkeit geht ihm hingegen ab; sein reicher Wih, seine üppige Phantasie verleiten ihn zu sonderbaren Bildern und Wendungen und vielen Seitensprün= gen. Eschenbachs Eigenthümlichkeit scheint mir in einer eigen. thümlichen Mischung von philosophischem Geist und poetischer Kraft zu bestehen; zwei Elemente, die freilich in jedem großen Dichter wirken müssen, aber doch nicht immer in gleich hohem Götzinger Lit.

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