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warf, dazu beigetragen haben, daß mir das Armee-Obercommando auch fernerhin noch anvertraut blieb.

Eine andere Frage wäre: was wohl mich troß der erwähnten Controversen abgehalten haben mochte, vom Armee-Obercommando freiwillig abzutreten.

Die Antwort auf die Frage liegt klar und deutlich in jenen Beweggründen ausgesprochen, von welchen ich mich bestimmen ließ, das Armee-Obercommando überhaupt anzunehmen.

Die Hindernisse, welche Haupt, Rumpf und Schweif des Landesvertheidigungs- Comité meinem aus klarer Ueberzeugung dessen, was Ungarn Noth that, hervorgegangenen Streben bereits damals entgegenthürmten, waren noch immer nicht groß genug, um mich zu entmuthigen. Von der Eristenz jener politischen Tendenzen Kossuth's aber, welche er fünf Monate später so überraschend mir enthüllte, hatte ich damals noch keine Ahnung. (Es scheint sogar sehr problematisch, daß Kossuth selbst schon damals auch nur eine blasse Idee von dem gehabt, was ihm fünf Monate später zur Rettung des Vaterlandes so unerläßlich geschienen.)

Mein politischer Scharfblick reichte in dieser Zeit nicht weiter, als bis zur Erkenntniß jener der Verfassung meines Vaterlandes feindlichen Absichten, welche jenseits der Lajtha gehegt wurden. Und diese Absichten waren ja aus ihrer abgenüßten constitutionellen Scheinhülle bereits so weit herausgetreten, daß selbst derjenige Theil der Nation sie mit Leichtigkeit zu erkennen vermochte, welchem die Schwielen an den Händen, von der lezten Robot, erst unlängst vergangen waren.

Wenn aber eben dieser Theil der Nation jene Absichten dessenungeachtet nicht erkannte, oder selbst nachdem er sie erkannt hatte, dem Kampfe für die Wahrung der ihm im Traume bescheerten Güter noch immer abhold blieb: so waren dies nur die betrübendsten Belege für den schädlichen Einfluß des bisherigen Unterthänigkeitsverhältnisses auf die geistige und sittliche Entwickelung des überwiegend größten Theiles der Bevölkerung meines Vaterlandes, und jener Kampf eben deshalb auch dann noch hinreichend vor meinen Augen gerechtfertigt, wenn all sein Erfolg allein darauf beschränkt bliebe, die Wiederherstellung

des alten Unterthänigkeitsverhältnisses vor der Hand unmöglich zu machen.

Selbst in diesem ungünstigsten Falle jedoch hatte der Kampf noch eine andere höhere Bedeutung.

Was in Wien seit drei Jahrhunderten mit traditioneller Consequenz angestrebt worden, Ungarn zu einer eroberten Provinz Desterreichs zu metamorphosiren: auf das hauptsächlich schien es auch jezt bei den großartigen Rüstungen jenseits der Lajtha abgesehen. Der Staat Ungarn follte nun endlich die mannichfachen Unbequemlichkeiten, welche feine, obschon nur faute de mieux preiswürdige, alte Verfassung den verschiedenen Landesvätern und ihrem Haus- Hof- und Staatsgesinde verursacht hatte, durch seine factische Vernichtung büßen. Diese war leider zum Theil schon durch den mehrjährigen nationalen Uebermuth der specifischen Magyären sehr günstig vorbereitet. Es galt nunmehr, so mochte es den Herren jenseits der Lajtha gedünkt haben, nur noch den Gnadenstoß zu führen.

Die Nation war es ihrer Ehre schuldig, diesen nicht in sclavischer Demuth, etwa gar auf den Knien, mit gebeugtem Nacken zu erwarten.

Ich schien vom Geschicke zu einem ihrer lezten Führer ausersehen; und obwohl sonst nichts weniger als nationaler Schwärmer, ward ich, bei der Großartigkeit der Situation, von der Idee, meine persönliche Ehre als freier Mann mit jener der Nation zu identificiren, dennoch so ganz und gar erfüllt, daß sie sich rasch zur leitenden in mir gestaltete.

Diese Idee war es vorzugsweise, welche mir nicht selten die Anwendung unerbittlich strenger, ja sogar harter Maßregeln als Pflicht erscheinen ließ; und vielleicht hatte bei alledem eben das unwillkürliche Durchblißen dieser Idee durch das geheimnißvolle Dunkel, welches bei meiner namentlich in Augenblicken der Entscheidung auffallenden Schweigsamkeit über den Motiven meiner Handlungen ausgebreitet lag, jene fast abergläubische Zuversicht ins Leben gerufen, mit welcher die über ihre trostlose Lage durch Kossuth sammt Anhang so consequent bis zum leßten Augenblicke getäuschte Nation auf mich, den Retter

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aus der Noth, auch dann noch hinblickte, als ein legter vergeblicher Rettungsversuch, nunmehr mit gleichzeitiger Verwerfung jeglicher humanen Rücksicht gewagt werden konnte.

Eine dritte Frage endlich wäre allenfalls: ob und warum ich wohl nicht schon damals (in Preßburg) die Dictatur mir selbst zu vindiciren versucht? Ich fühlte ja doch so klar den innern Beruf, in das Schicksalsrað meines Vaterlandes selbst mit despotischer Gewalt einzugreifen; ich hatte ja doch die lebendige Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Dictatur schon damals; und konnte schon damals erkennen, daß Kossuth ein eben so unglücklicher Dictator sein würde, als er ein glücklicher Agitator gewesen.

Es fiele mir -- angesichts der Thatsachen und ohne Verleugnung derselben ungleich schwerer, eine unklare, als eine klare und deutliche Antwort hierauf zu geben.

Ob ich die Dictatur je angestrebt?

Nein.

Warum ich sie nie angestrebt?

Weil die Dictatur in meiner Hand eine Unmöglichkeit, ein Unsinn gewesen wäre.

Warum die Dictatur in meiner Hand eine Unmöglichkeit, ja ein Unsinn gewesen wäre?

Weil ich die Zeit von meinem frühesten Jünglingsalter an bis zum April des Jahres 1848 also gerade die fruchtbarste Lernzeit außerhalb der Grenzen meines Vaterlandes, und fast außer allen Beziehungen zu demselben verlebt;. mit den vaterländischen Sitten, Gebräuchen und gefeßlichen Einrichtungen nahezu ganz unbekannt geblieben, und überdies sogar der oberflächlichsten allgemeinen civil-administrativen Kenntnisse und Erfahrungen entbehrte, so zwar, das ich z. B. die rein politischen Regierungsmaßregeln des Landesvertheidigungs-Ausschusses, meistens nur auf Treu und Glauben, als zweckmäßig, und der leitenden Idee meines eigenen Strebens günstig, anzuerkennen genöthigt war.

Weil ich, ohne noch im Lande gekannt zu sein, ohne noch das Vertrauen der Nation zu besißen, im günstigsten Falle nur den bloßen

Namen, ohne die wirkliche Macht, eines Dictators hätte usurpiren können; und auch späterhin, als sich bereits ein Theil der Nation vertrauensvoll zu mir herzuneigen begann, meine Macht als Dictator, bei der Divergenz meiner politischen Ansichten von denen Kossuth's, des auch da noch immer populärsten Mannes in Ungarn, eine um so precärere hätte bleiben müssen, je minder ich im Stande war, sein civil-administratives Wirken durch ein zweckmäßigeres zu erseßen, seine Agitationen gegen mich durch überlegene Gegenagitationen zu entkräften.

Deshalb war der bloße Gedanke, die Dictatur mir selbst zu vindiciren, ein barer Unsinn; und ich habe ihn nie gedacht, solange die Kriegsereignisse und ihre Folgen, der Civilregierung nur noch irgend ein Feld für ihre Wirksamkeit übrig ließen.

Ich habe vielmehr in unbefangener Erkenntniß alles dessen, und um nur überhaupt nicht all meinen Einfluß auf die Gestaltung des bevorstehenden Nothwehrkampfes preiszugeben, mich besonders anfangs, wo meine Entfernung vom Armee - Obercommando, dem Landesvertheidigungs-Ausschusse nur noch ein Kinderspiel gewesen wäre, oft sogar in handgreiflich unzweckmäßige Anordnungen der Civilregierung zu fügen gewußt.

Und so kam es, daß troß der zahlreichen Controversen zwischen uns, Kossuth, der Landesvertheidigungs-Ausschuß und der Kriegsminister einerseits, und ich andererseits auf unsern Posten blieben; obschon mir von Jenen, anfänglich scheinbar nur aus purer Furcht vor dem Gespenste der Soldatenherrschaft, Situationen bereitet wurden, gegen deren erschütternde Einwirkung auf meinen Entschluß, an der einmal erfaßten Idee consequent festzuhalten, ich nur noch in dem Humor der Verzweiflung einen allezeit getreuen Verbündeten fand.

Ein im Vorübergehen bemerkt — ziemlich triviales Erzeugniß ähnlichen Humors ist z. B. auch folgende Stelle, aus einem jener Briefe entlehnt, welche ich während meines Aufenthalts in Preßburg geschrieben habe. Diese Stelle skizzirt zugleich sehr getreu die damaligen kritischen Verhältnisse der obern Donauarmee, wie nicht minder das bescheidene Maß meiner Hoffnungen für die Zukunft.

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,,Lieber Freund! Wenn ich einst zu den Vätern gegangen bin, und deine Hand noch nicht im Grabe abgefault ist, so sebe dich hin und schreibe die Geschichte Don Quirote's des Jüngern; an mir findest du den fertigen Helden des Romans.

,,Wer noch nie eine Revolutionsarmee gesehen, der wallfahrte in mein Lager. Da gibt es einen Obercommandanten sammt Stab und Suite, kein Einziger über vierzig! Da gibt's auch Soldaten: aber der echte Soldat unter ihnen erröthet ob seiner Kameraden. Befehlen heißt hier: sich lächerlich machen. Eine Rüge wird als Impertinenz, und Strafe als Tyrannei ausgeschrien! Darum dachte ich in meiner Einfalt: «Friß Vogel oder stirb!» und jage die Lumpen zum Teufel, d. h. wenn ich sie nicht erschießen lasse. Die Cholera hilft mit, und wenn der Feind seine Schuldigkeit thut: so wäre das Trio bald ausgespielt.

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Aber ich begreife den Kerl nicht. Er ist mindestens noch einmal so stark als ich, hat gut dressirte, gut gekleidete Truppen: und greift dennoch nicht an!

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Sollte dies Mutterwig sein, und er soviel Berechnung haben, uns durch Ruhe aufreiben zu wollen? Ich kann's nicht glauben, und wittere Unrath, auf gut Deutsch: paura. Desto besser für uns! Alle seine Patrouillen fragen nur nach Husaren; meine erste Aufgabe muß es sein, ihn auch nach den Honvéds fragen zu machen. Die Kerlchen wollen noch nicht recht daran, wenn sie nicht in jedem Sack eine Kanone haben, und überdies rechts und links einen Husaren. Doch nur Geduld! Endlich bleibt das Fieber doch aus; freilich dauert das ungarische gewöhnlich etwas lange, und ich hoffe, noch vor dem Frühjahr, d. h. wenn wir's erleben; dann freue dich, Trifolium: WindischGräz, Jellachich, Hurban!*)

,,Kanonen habe ich bereits zum Schweinefüttern. Kossuth schrieb

*) Fürst Windisch - Gräß, Ban Jellachich und Hurban, der Leßtere ein slovakischer Geistlicher aus einem der nördlichen Comitate Ungarns, galten zu jener Zeit als die Repräsentanten der auf den Umsturz der ungarischen Landesverfassung und auf die Vernichtung des Staates Ungarn" abzielenden Bewegung.

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