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desselben geführet wurde, wo ihn das Gewölbe desselben, welches er nicht übersehen kann, von neuem in Erstaunen sehet.

Ich sehe hier den vornehmsten Bau der Gebeine dieses Leibes, den Ursprung der Muskeln und den Grund ihrer Lage und Bewegung, und dieses alles zeiget sich wie eine von der Höhe der Berge entdeckete Landschaft, über welche die Natur den mannichfaltigen Reichthum ihrer Schönheiten ausgegossen. So wie die lustigen Höhen derselben sich mit einem sanf ten Abhange in gesenkte Thäler verlieren, die hier sich schmälern und dort erweitern: so mannichfaltig, prächtig und schön erheben sich hier schwellende Hügel von Muskeln, um welche sich oft unmerkliche Tiefen, gleich dem Strome des Mäanders, krümmen, die weniger dem Gesichte, als dem Gefühle, offenbar werden.

Scheinet es unbegreiflich, außer dem Haupte, in einem andern Theile des Körpers eine denkende Kraft zu zeigen, so lernet hier, wie die Haud eines schöpferischen Meisters die Materie geistig zu machen vermögend ist. Mich deucht, es bilde mir der Rücken, welcher durch hohe Betrachtungen gekrümmt scheinet, ein Haupt, das mit einer frohen Erinnerung seiner erstaus nenden Thaten beschäftiget ist; und indem sich so ein Haupt, voll von Mas jestät und Weisheit vor meinen Augen erhebet, so fangen sich an in meinen Gedanken die übrigen mangelhaften Glieder zu bilden: es fammelt sich ein Ausfluß aus dem Gegenwärtigen, und wirket gleichsam eine plößliche Ergänzung.

Die Macht der Schulter deutet mir an, wie stark die Arme gewesen, die den Löwen auf dem Gebirge Eithäron erwürget, und mein Auge suchet fich diejenigen zu bilden, die den Cerberus gebunden und weggeführet haben. Seine Schenkel und das erhaltene Knie geben mir einen Begriff von den Beinen, die niemals ermüdet sind, und den Hirsch mit Füßen von Erze verfolget und erreichet haben.

Durch eine geheime Kunst aber wird der Geißt durch alle Thaten seis ner Stärke bis zur Vollkommenheit seiner Seele geführet, und in diesem Sturze ist ein Denkmal derselben, welches ihm keine Dichter, die nur die Stärke seiner Arme besingen, errichtet: der Künstler hat sie übertroffen. Sein Bild des Helden giebt keinen Gedanken von Gewaltthätigkeit und ausgelaffener Liebe Plah. In der Ruhe und Stille des Körpers offenba ret sich der gesehte große Geist; der Mann, welcher sich aus Liebe zur Gerechtigkeit den größeßten Gefährlichkeiten ausgesehet, der den Ländern Sicherheit und den Einwohnern Ruhe geschaffet.

In diese vorzügliche und edle Form einer so vollkommenen Natur int gleichsam die Unsterblichkeit eingehüllet, und die Gestalt ist blos wie ein Gefäß derselben; ein höherer Geist scheinet den Raum der sterklichen Theile eingenommen, und sich an die Stelle derselben ausgebreitet zu ha ben. Es ist nicht mehr der Körper, welcher annoch wider Ungeheuer und Friedensstöver zu streiten hat; es ist derjenige, der auf dem Berge Deta

von den Schlacken der Menschheit gereiniget worden, die sich von dem Ursprunge der Aehnlichkeit des Vaters der Götter abgesondert.

So vollkommen hat weder der geliebte Hyllus, noch die zärtliche Jole den Herkules gesehen; so lag er in den Armen der Hebe, der ewigen Jugend, und zog in sich einen unaufhörlichen Einfluß derselben. Von feiner sterblichen Speise und groben Theilen ist sein Leib ernähret: ihn erhält die Speise der Götter, und er scheinet nur zu genießen, nicht zu nehmen, und völlig, ohne angefüllet zu seyn.

möchte ich dieses Bild in der Größe und Schönheit sehen, in welcher es sich dem Verstande des Künstlers geoffenbaret hat, um nur allein von dem Ueberreste sagen zu können, was er gedacht hat, und wie ich denken sollte! Mein großes Glück nach dem seinigen würde seyn, dieses Werk würdig zu beschreiben. Voller Betrübniß aber bleibe ich stehen, und so wie Psy che anfing die Liebe zu beweinen, nachdem sie dies selbe kennen gelernet; so bejammere ich den unerfäßlichen Schaden dieses Herkules, nachdem ich zur Einsicht der Schönheit desselben gelanget bin.

Die Kunst weinet zugleich mit mir: denn das Werk, welches sie den größten Erfindungen des Wißes und des Nachdenkens entgegen setzen, und durch welches sie noch ißo ihr Haupt wie in ihren goldenen Zeiten zu der größten Höhe menschlicher Achtung erheben könnte; dieses Werk, welches vielleicht das letzte ist, in welches sie ihre äußersten Kräfte gewandt hat, muß sie halb vernichtet und grausam gemißhandelt sehen. Wem wird hier nicht der Verlust so vieler hundert anderer Meisterstücke derselben zu Gemüthe geführet! Aber die Kunst, welche uns weiter unterrichten will, rufet uns von diesen traurigen Ueberlegungen zurück und zeiget uns, wie viel noch aus dem Uebriggebliebenen zu lernen ist, und mit was für einem Auge es der Künstler ansehen müsse.

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Geschichte der Kunst.

Buch 8. Wachsthum und Fall der griechischen
Kunst. Cap. 2. §. 11.

(Bb. V. S. 244. Ausg. von Meyer und Schulz.)

§. 11. Wenn nun der Grundsah des hohen Stils, wie es scheinet, gewesen ist, das Geficht und den Stand der Götter und Helden rein von Empfindlichkeit, und entfernt von inneren Empörungen, in einem Gleichgewichte des Gefühle, und mit einer friedlichen immer gleichen Seele vorzustellen, so war eine gewisse Gratie nicht gesucht, auch nicht anzubringen. Dieser Ausdruck einer bedeutenden und redenden Stille der Seele aber erfordert einen hohen Verstand: denn die Nachahmung des Gewalt,,samen kann,“ wie Plate sagt, „auf verschiedene Weise geschehen; aber

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„ein stilles, weises Wesen kann weder leicht nachgeahmt, noch das Nach,,geahmte leicht begriffen werden."

§. 12. Mit solchen strengen Begriffen der Schönheit fing die Kunst an, wie wohl eingerichtete Staaten mit strengen Gefeßen, groß zu werden, und die Bilder waren den einfältigen Sitten und Menschen ihrer Zeit ähnlich. Die nächsten Nachfolger der großen Gesetzgeber in der Kunst, verfuhren jedoch nicht, wie Selen mit den Gesetzen des Draco, und sie gingen nicht von jenen ab: sondern, wie die richtigsten Gesetze durch eine gemäßigte Erklärung brauchbarer und annehmlicher werden, so suchten diese die hohen Schönheiten, die an Statuen ihrer großen Meister wie von der Natur abstracte Ideen, und nach einem Lehrgebäude gebildete Formen waren, näher zur Natur zu führen, und eben dadurch erhielten sie eine größere Mannigfaltigkeit. In diesem Verstande ist die Gratie zu nehmen, welche die Meister des schönen Stils in ihre Werke geleget haben.

§. 13. Aber die Gratie, welche wie die Musen1 nur in Die erste u. zween Namen bey den ältesten Griechen verehret wurde, scheis erhabene net, wie die Venus, deren Gespielen jene sind, von verschiedener Gratie. Natur zu seyn. Die eine ist, wie die himmlische Venus, von höherer Geburt, und von der Harmonie gebildet, und ist beständig und unveränderlich, wie die ewigen Gesche von dieser sind, und in dieser Betrachtung scheinet Horatius nur eine Gratie zu nennen, die zwo andern aber Schwestern derselben. Die zwote Gratie ist, wie die Venus von der Dione geboren, mehr der Materie unterworfen: sie ist eine Tochter der Zeit, und nur eine Gefolginn der ersten, welche sie ankündiget für diejeni gen die der himmlischen Gratie nicht geweihet sind. Diese läßt sich her unter von ihrer Hoheit, und macht sich mit Mildigkeit ohne Erniedrigung, denen, die ein Auge auf dieselbe werfen, theilhaftig: sie ist nicht begierig zu gefallen, sondern nicht unerkannt zu bleiben. Jene Gratie aber, eine Gesellinn aller Götter, scheinet sich selbst genugsam, und biethet sich nicht an, sondern will gesuchet werden; sie ist zu erhaben, um sich sehr sinnlich zu machen, denn das Höchste hat," wie Plate sagt,,,kein Bild." Mit den Weisen allein unterhält sie sich, und dem Pöbel erscheinet sie störrisch und unfreundlich; sie verschließt in sich die Bewegungen der Seele, und nähert sich der seeligen Stille der Göttlichen Natur, von welcher sich die großen Künstler, wie die Alten schreiben, ein Bild zu entwerfen suchten. Was auch hier unfreundlich scheinen möchte, kann mit den Früchten ver

1. Sonst scheint die Zahl der Musen in den frühflen Zeiten auf drei beschränkt: Melete, Mneme und Aside. 2. Bei den Lacedemonieru: Klita and Phaenna, bei den Athenern: Aure und Hegemone. Hesiodos fennt schen brei: Aglaja, Euphrosyne, Thalia.

glichen werden, die, je süßer sie sind, nach der Bemerkung des Theophrastus,' weniger Geruch haben als die herben; denn was rühren und reizen soll, muß scharf und empfindlich seyn. Die Griechen würden jene Gratie mit der Jonischen, und diese mit der Dorischen Harmonie verglis chen haben, und wir können diese Vergleichung von der Dorischen zu der Jonischen Bauordnung machen, als welche hier völlig statt findet.

§. 14. Diese Gratie in Werken der Kunst scheinet schon der gött: liche Dichter gekannt zu haben, und er hat dieselbe in dem Bilde der mit dem Vulcanus vermählten schönen und leicht bekleideten Aglaia oder Thalia vorgestellet, die daher anderswo dessen Mitgehülsinn genennet wird, und arbeitete mit demselben an der Schöpfung der Göttlichen Pandora. Die ses war die Gratie, welche Pallas über den Ulysses ausgoß, und von welcher der hohe Pindarus singet; dieser Gratie opferten die Künstler des hohen Stils. Mit dem Phidias wirkete sie in Bildung des Olympischen Jupiters, auf dessen Fußschemmel dieselbe neben dem Jupiter auf dem Wagen der Sonne stand: sie wölbete, wie in dem Urbilde des Künfts lers, den stolzen Bogen. feiner Augenbrauen mit Liebe, und goß Huld und Gnade aus über den Blick seiner Majestät. Sie frönecte mit ihren Geschwistern, und den Göttinnen der Jahrszeiten und der Schönheiten, das Haupt der Juno zu Argos, die von jenen erzogen war, als ihr Werk, woran sie sich erkannte, und an welchem sie dem Polycletus die Hand führete. In der Sosandra des Calamis lächelte sie mit Unschuld und Verborgenheit; sie verhüllete sich mit züchtiger Schaam in Stirn und Augen, und spielete mit ungesuchter Zierde in dem Wurfe ihrer Kleidung. Durch dieselbe wagete sich der Meister der Niobe in das Reich unkörper licher Ideen, und erreichte das Geheimniß, die Todesangst mit der höchsten Schönheit zu vereinigen: er wurde ein Schöpfer reiner Geister und himm lischer Seelen, die keine Begierden der Sinne erwecken, sondern eine an schauliche Betrachtung aller Schönheit wirken: denn sie scheinen nicht zur Leidenschaft gebildet zu seyn, sondern dieselbe nur angenommen zu haben. *

Historiker. (§. 124. 1.)

1. Justus Möser. 1720-1794.

Justus Möser war der Sohn des Kanzleidirectors und Konsiste rialpräsidenten Johann Zacharias Möser in Osnabrück und wurde daselbst

1. de caus. plantar. lib. VI. c. 22. 2. Nehmlich von den Heren oder Jahreszeiten. 3. Calamis, Bildhauer zur Zeit des peloponnesischen Krieges, war durch seine Pferde berühmt. Seine Sosandra ist die Statue einer Amajone. 4. Weiterhin schildert noch W. die gefällige Gratie des Parrhasius, Praxiteles und Apelles und die niedrigere kindliche und komische Gratie.

am 14. Decbr. 1720 geboren. In des Vaters Hause erzogen war er flüchtig, schalkhaft und wild, nicht ausgezeichneten Fleißes, aber von schneller Auffassung und bei jedermann beliebt. Schon im 12ten Jahr stiftete er mit zweien Freunden (Lodtmann und Bertling) eine gelehrte Gesells schaft, worin sie sich einer eigenen, von ihnen erfundenen Sprache bedienten. Früh wurde Möser durch die Mutter, deren guter Junge er in der Haus haltung war, in die Kenntniss des Französischen eingeweiht, besuchte 1740 und 1741 Jena und 1742 Göttingen; denn früher hatte der Vater den großgewachsenen Sohn aus Furcht vor Friedrich Wilh. I. Werbungen nicht außer Landes schicken wollen. Aus Büchern und dem menschlichen Leben lernte er mehr als in Vorlesungen, wurde bei seiner Rückkehr Sachwalter und erwarb sich bald durch seine Rechtschaffenheit und Unerschrokkenheit großes Ansehen, daß er schon 1747 durch die Landstände das wichtige Amt des advocatus patriae erhielt, bald nachher auch Secre tair und Syndikus der Ritterschaft wurde. Im 7 jährigen Kriege wurde er der Schutzengel seines kleinen Landes und vertrat es in Deutschland und England aufs beste. Ein achtmonatlicher Aufenthalt in London war von dem bedeutendsten Einflusse für sein Leben und Wirken. Als 1761 der junge (erst 7 Monat alte) Herzog von Vork das Bisthum Osnabrück erhielt, blieb Möser zwanzig Jahre lang der eigentliche erste Nathgeber des Regenten und verwaltete seine Ämter, zwischen den Ständen und dem Regenten stehend, mit so großer Einsicht und Redlichkeit, daß er alle auf gleiche Weise befriedigte. Im Jahre 1768 wurde ihm die wichtige Stelle eines geheimen Referendars bei der Regierung übertragen, welche er, seit 1783 mit dem Titel eines geheimen Justizraths, bis an sein Ende verwaltete. Aller Dank und alle Liebe, mit welcher Herrscher, Ritterschaft und Volk ihn ehrten, zeigte sich im vollen Maaße bei der Feier seines 50 jährigen Dienstjubiläums, 1792. Nach dem Tode der Gattinn und des einzigen Sohnes weihte sich ihm seine Tochter, verchlichte Geheimeräthinn von Voigts, aufs treußte und erheiterte ihm die leßten Lebenstage. Sanft, wie er gelebt, entschlief er am 8. Januar 1794. Sein dankbares Vaterland, das ihn Deutschlands Franklin nannte, hat ihm in unsern Tagen eine eherne Bildsäule errichtet.

Wie zu den bedeutendsten und eigenthümlichsten Menschen gehört Möser auch zu den originellsten und trefflichsten Schriftstellern unter den deutschen Prosaifern und immer werden seine Schriften zu den kräftigsten, einsichtsvollsten und anregendsten gehören. Wir besißen von ihm drei verzügliche Werke:

1. Osnabrückische Geschichte. Neue verb. Aufl. Berl. und Stett. 1780. 8. Zwei Theile mit Urkunden. Sie war zuerst bogenweis 1765 erschienen; in der neuen Ausgabe ist sie überall verändert und vermehrt. Nicht leicht ist ein Geschichtebuch so reich an neuen, überraschen.

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