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6. Anna Luise Karsch, geb. Dürbach. 1722 1791.

Anna Luise Karsch geb. Dürbach, gewöhnlich die Karschinn genannt, wurde am 1. December 1722 auf einem Vorwerke, der Hammer genannt, im Schwiebuser Kreise geboren. Der Vater war der Pächter des Vorwerks und Brauer Dürbach oder Derbach, die Mutter, eine geborene Kuchel, war eine Förstertochter und da sie den Vater bald ver loren, bei ihren Pathinnen den Fräulein von Mohr erzogen und wird be: sonders ihres zierlichen Tanzens und ihres wunderschönen Gesanges wegen gerühmt, Talente, welche weit über ihren späteren Stand hinaus gingen; doch hatte sie nach damaliger Sitte nicht schreiben gelernt. Die Dich terinn war ein sehr hässliches Kind und darum der zierlichen Mutter, welche schon zwei sehr schöne Kinder verloren hatte, wenig angenehm. Die Kleine wurde der Großmutter zur Wartung übergeben, denn die Mutter konnte wenig auf sie achten und noch weniger, da der Vater starb, als die Kleine erft fünf Jahr alt war. Es gab auch keine Schule in der Umgegend und darum war es der Mutter sehr angenehm, daß ihr Oheim, der Amtmann Fetke, die Kleine mit der Großmutter, seiner Schwester, zu sich nahm und sie zum Theil selbst unterrichtete. Bald lernte sie lesen und fand be sonders große Freude an den Büchern der Makkabäer, welche selbst in ihren Spielen einen Hauptgegenstand ausmachten. Auch Schreiben lernte sie trotz dem Widerstreiten der Großmutter und machte auch im Rechnen gute Fortschritte, wogegen ihr das Stricken, welches die Großmutter lehrte, sehr wenig zusagte. Als sie aber den Großonfel inumer mehr antrieb, sie zu unterrichten und dieser nun halb scherzhaft anfing, sie in der lateinischen Sprache zu unterweisen, ließ die Großmutter der Tochter sagen, ihr Bru der ginge darauf aus, das Mädchen verrückt zu machen, sie müsse sie zu sich zurücknehmen. So nahm die Mutter, welche wieder verheirathet war, die zehnjährige Tochter trotz des Großonkels Widerstreben wieder zu sich und von nun an beginnen die widrigen Schicksale der Dichterinn.

Sie musste jeht ihren kleinen Stiefbruder wiegen und warten und gewann ihn bald sehr lieb. Da wurde ein Jahr später der Stiefvater Hempel, ein aufbrausender brutaler Mann, aus der Pacht des Hammers verdrängt und musste in die kleine Stadt Tirschtiegel ziehen, wo er mit wenigem Glücke wieder einem Gasthof vorstand. Als auch die zwei jüngern Geschwister auf den Füßen waren und die Großmutter nach des Bruders Tod auch ins Haus zurückkam, musste das 13jährige Mäd, chen, was uns eben von der Einsicht der Mutter feinen großen Begriff giebt, drei Rinder täglich auf die weit entfernte Weide führen und dort hüten. Hier traf sie einst einen Knaben, welcher in einem Buche las und dieser, der äußerlich ungestaltet, aber ein heller Kopf war, versorgte das Mädchen nun mit Büchern, wie sie ihm zugänglich waren. Sonst lernte fie in ihrem dreijährigen Hirtenstande viel von Gegenständen der Na

tur kennen, Vögel und Insecten, Bäume, Pflanzen, Blumen und Kräuter, Himmel und Erde, was ihr auch später wohl zu statten kam. Als das Mädchen das fünfzehnte Jahr vollendet hatte, sollte sie noch im Nähen und der Hauswirthschaft unterrichtet werden und wurde deshalb, weil man ihre Lesewuth fürchtete, zu einer Müllerinn in die Kost gethan, wo sie zwar sehr bald nähen lernte, aber wie zu sehr zweideutigem Waches stehen bei den Liebschaften der jungen und schönen Müllerinn, so auch zu den niedrigsten Geschäfften gebraucht wurde, wie sie am Morgen thres er: ften Abendmahls noch einen halben Scheffel Weizen drei Viertelmeilen weit auf ihrem Rücken zur Mühle tragen musste. Von dieser Noth befreite fie ein Besuch des Stiefvaters, welcher sie sogleich nach Hause zu rücknahm. Jeßt ein blühendes Mädchen mit schöner Stirn, Haar und Augen wurde sie an einen jungen Tuchweber und Tuchhändler Hirseforn in Schwiebus verheirathet, welcher für den besten Wirth, aber auch für heftig und zornig bekannt war und meinte mit der Braut ein Vatergut von 1000 Thalern zu erhalten, was indessen längst nicht mehr vorhanden war. Als der geizige Mann daher nur eine mäßige Ausstattung und 100 Thaler Mitgift erhalten hatte, fing er an, der jungen Frau das Leben sehr sauer zu machen und freilich war sie bei ihrer großen Jugend, denn sie war noch kaum sechszehn Jahr alt, bei ihrer Unerfahrenheit in der Wirthschaft und ihrer Unordnung und Zerstreutheit keine Frau für solchen Mann, welcher auch ihre Talente nicht kannte. Als sie ihm zwei Kinder geboren hatte, wurde er um so geiziger und erlaubte ihr nicht einmal einen Trunk Bier, wie er sie zum strengsten Gehorsam anhielt. Nur am Sonntag Nachmittag, wenn er ausging, gab sich das arme Weib ihren Neigungen hin und machte Verse oder schrieb diejenigen auf, welche sie unter den Wochenarbeiten gedichtet hatte. Nur einmal, als sie für Verse, welche sie in einer adlichen Assemblee gemacht hatte, mit einigen Ellen halbseidenen Zeuges beschenkt worden war, brachte ihr dies ein freundliches Gesicht des Ehemanns ein, doch leider! kehrten solche Geschenke nicht wieder. Um diese Zeit kam auch ihr literarischer Hirt nach Schwiebus und dieser sorgte nun für ihre Sonntagslectüre. Der Mann wurde indessen immer härter gegen sie, bettete sich von ihr und that ihr endlich, als sie zum viertenmal ihrer Entbindung entgegen sah und elf Jahr verheirathet war, den Vorschlag, da jetzt Schwiebus preußisch war und Friedrich der Große die Ehescheidungen erlaubt hatte, sich zu scheiden. Das schien ihr unmöglich und sie wendete, da sie den Mann, troß seiner Härte, wahrhaft liebte, aufs rührendste Bitten und Thränen an, ihn von seinem Vorhaben abzu bringen, aber vergeblich. Wodurch er die Scheidungsklage, da er keine er hebliche Beschuldigung machen konnte, unterstüßte, ist nicht bekannt, genug, er wurde geschieden und noch dazu mit den unvortheilhaftesten Bedingun gen für die unglückliche Frau, welche sogar ihre Mitgift verlor und ihre

Kinder dem Manne lassen musste. Eine kurze Zeit nahm ihre Schwiegermutter, welche oft ihr einziger Trost gewesen war, sie bei sich auf; aber als der Scheidebrief ankam, musste sie auch von dieser leßten sie liebenden Freundinn unter tiefen Schmerzen scheiden. Die eigne Mutter, welche sich zum drittenmal sehr unglücklich verheirathet hatte, konnte ihr auch keine Hülfe gewähren und so musste fie in einem Dorfe zwischen Schwiebus und Tirschtiegel bleiben, wo sie einen Sohn gebar und diese neue Sorge zu ihrem Elende hinzukam. Dreiviertel Jahr ernährte sie sich kümmerlich, da warb ein reisender Schneider Karsch um ihre Hand, und um der Schmach los zu werden, welche sie drückte, heirathete sie ihn mit Zustim mung ihrer Mutter. Sie zog nach Fraustadt, fühlte sich aber bald durch die Trunksucht ihres Mannes sehr unglücklich, musste ihn durch Nähen und Briefschreiben ernähren helfen und gerieth, als sie noch im zweiten Jahre der Ehe eine Tochter geboren hatte, in die drückendste Armuth. Der Besuch der Predigt, welche sie dann für sich in Verse setzte, war ihr einziger Trost und sie suchte mehrere der versificirten Predig ten in die Hand des Geistlichen zu bringen, der bald ihr aufmunternder Freund wurde nnd ihr die Bekanntschaft des Rectors Rikkerts, seines Collegen Prüvers, des Bürgermeisters Greifenhagen und des Docs tors Neugebauer verschaffte, welche sie nach Lissa und Groß- Glogau empfahlen, wo der Graf von Röder und der Hofprediger Döbel sich ihrer annahmen. Sie suchte jetzt durch ihre Verse in der ganzen Umgegend etwas zu verdienen, was der Mann aber wieder vertrank und sie noch dazu misshandelte. Im Jahre 1755 ließ sie sich mit dem Manne und drei Kindern in Glogau nieder, wohin sie durch ihre Gönner vielfach empfohlen wurde und eine Buchhandlung fand, zu der sie freien Zutritt hatte. Sie gewann aber durch ihre Arbeiten selten so viel, daß sie den kommenden Morgen ohne Kummer hätte erwarten können, und da der Mann, obschon er sonst viel Gutes hatte, selbst seine Kinder christlich er: zog, doch den Trunk nicht lassen konnte und die Frau für häusliche Geschäffte wenig Neigung zeigte, kam es öfter zu empörenden Auftritten, bis ein bedeutender Mann sie durch seine Vermittlung von diesem Joche befreite. Der Enthusiasmus für den großen König hatte sie nehmlich auch dazu geführt seine Thaten zu besingen, wozu Gleims Kriegslieder sie er munterten, und hierdurch wurde sie noch mehr bekannt.

So lebte sie noch immer in großer Dürftigkeit, als sie der Baron von Kottwitz durch die Generalinn von Wreech in Berlin fennen lernte, welcher sich ihrer großmüthig annahm und sie auf ihre Bitte nach Berlin brachte, wo sie auch vor den Nachstellungen ihres Mannes, welcher ihr noch nach Crossen nachgekommen und sehr beschwerlich geworden war, sicher zu sein glaubte. Der neue Kreis ihrer Bekanntschaft, die Befreiung von allen bisherigen Sorgen und die würdige Behandlung, welche sie fand, erhoben ihr

Herz zu den innigften Gebeten für ihren Wohlthäter. - In Berlin wurde sie nehmlich überall (fie kam am 25. Januar 1761 dort an) zuvorkommend empfangen, in die bedeutendsten Gesellschaften gezogen, mit ihrer Tochter ge schmackvoll gekleidet und reich beschenkt. Bald wurde auch Ramler ihr Lehrer, auch Sulzer und Mendelssohn nahmen sich ihrer an, am bedeutendsten sorgte aber, nachdem der Baron von Kottwig nach Schlesien zurückgegan gen war, der Hofrath Dr. Stahl für sie, indem er die Erziehung ihrer Tochter übernahm. Hierauf reiste die Dichterinn nach Halberstadt, wo Gleim ihr die Gönnerschaft des Stolbergschen Hauses und des Dom dechanten Freiherrn von Spiegel verschaffte. Eben so freundlich wurde fie in Magdeburg aufgenommen, wo sie selbst mehrmals der Königinn vorgestellt wurde, und dichtete viele schöne Lieder, welche, weil sie jeder zu besitzen wünschte, gedruckt werden mussten. Diese Jahre sind überhaupt die rechte Blüthezeit ihrer Dichtung; später ist sie gekünstelt oder matt. — Gleim, welchen sie wieder hoch erhob und Sohn des Apollo und Thyrsis nannte, uahm sich ihrer auf alle Weise an, suchte sie auszubilden und machte sie mit Horaz und Sappho bekannt, welche eigentlich ih rer Natur wenig zusprachen. Durch Herausgabe ihrer Gedichte (Berlin 1764) suchte Gleim der Dichterinn ein unabhängiges Loos zu gründen, doch gelang ihm nur, für sie 2000 Thaler in Golde zu gewinnen. In Berlin fand die Karsch ihren ältesten Bruder, den sie hatte wiegen und warten müssen, nahm sich in ihrem Enthusiasmus seiner aufs herzlichste an, zog mit ihm in ein Logis zusammen und wollte Alles mit ihm theilen, bis sie ihn auf irgend eine Weise glücklich machen könnte; da aber dies niemals ge lang, hatte sie sich durch ihren Entschluss nur das Leben selbst schwer ge macht und musste wieder, um sich zu ernähren, zur Gelegenheitsdichterei ihre Zuflucht nehmen. Da sie nur 100 Thaler Gold an Zinsen besaß (denn jenes Kapital war wohlweislich eisern gemacht worden), so hoffte sie immer noch, König Friedrich werde sie durch eine Pension beglücken, aber vergeb lich. Der Herzog Friedrich von Braunschweig und der Herzog Fer.

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1. Sie soll auch beim König angeschwärzt worden sein. Auf ein Gesuch im Jahre 1773 erhielt sie durch die Post zwei Thaler mit der Beischrift: „Zwei Thaler zum Geschenk für Deutschlands Dichterinn." Sie war so kühn das Geld mit den Zeilen zurückzusenden:

Zwei Thaler giebt kein großer König,

Ein solch Geschenk vergrößert nicht mein Glück;

Nein, es erniedrigt mich ein wenig:

Drum geb' ich es zurück.

Oder nach andrer Lesart:

Zwei Thaler sind zu wenig,

Zwei Thaler schenkt kein König,

dinand von Braunschweig - Lüneburg mit einigen andern auswärtigen Freunden unterstüßten sie zwar; doch gab ihr das nun immer ein sehr färgliches Auskommen. Unterdessen starb auch der Baron von Kottwiß, welcher ihren Sohn zu sich genommen hatte, den man ihr jetzt aus Boyadel zurücksendete und ihr dadurch eine neue Sorge auflegte. Ein unbekannter Freund nahm sich indessen seiner an und ließ ihn zwei Jahr lang auf der Realschule erziehen, wollte ihn auch aufs Gymnasium thun und in Halle Theologie studiren lassen, aber der Mutter unweise Weigerung hierein zu willigen (weil sie den Sohn nicht für gebildet genug hielt), raubte ihr diese Unterfrühzung und vernichtete das äußere Lebensglück des Sohnes, welcher spä ter eine niedre Lehrerstelle in Ruppin rechtschaffen verwaltete. Noch trauriger war der Tochter Loos, welche sie zwang ihren Stiefbruder zu heirathen, nachdem er eine kleine Bedienung erhalten hatte. Aber die Ehe war, wie sich vorausschen ließ, sehr traurig und wurde nach neun Jahren wieder getrennt. Auch in einer zweiten Ehe war die Tochter unglücklich und kam mit einem Enkel zur Mutter zurück. Nun nahte auch das Alter der Dichterinn, welche den Reiz der Neuheit ganz verlo ren hatte, doch trug sie in Geduld und Genügsamkeit ihr wenig erhebendes Geschick, als ihr noch nach Friedrichs Tode der längst gehegte Wunsch erfüllt wurde, durch die Milde König Friedrich Wilhelms II. ein Haus gebaut zu erhalten, was sie ganz glücklich machte. Noch einmal hatte sie ihre Vaterstadt besuchen wollen, war aber in Frankfurt, wo ihr Enkel Hempel fiudirte, krank geworden und reiste nach drei Monaten wieder nach Berlin zurück, wo sie am 30. September 1791 anlangte und am 12. Oftober starb.

Die natürliche Anlage zur Dichtkunst kann man ihr nicht absprechen, wie Alles, was sie im Ausströmen ihrer Gefühle gedichtet hat, werthvoll ist, wogegen uns die angelernte Gelehrsamkeit und das Schmiegen vor hohen Personen, oder die oft ganz gehaltlosen und leeren Reime

Zwei Thaler sind kein Glück,

Drum schick' ich sie zurück.

Etwas Ähnliches geschah 1783, wo sie nach öfteren Bitten um ein Haus drei Thaler (nach andern fünf Thaler) ausgezahlt erhielt. Als Quittung schrieb sie folgende Reime:

Seine Majestät befahlen

Mir, anstatt ein Haus zu baun,
Doch drei (fünf) Thaler auszuzahlen.
Der Monarchbefehl ward traun!
Prompt nnd treulich ausgerichtet,
Und zum Dank bin ich verpflichtet.
Aber für drei (fünf) Thaler kann
In Berlin fein Hobelmann

Mir mein leßtes Haus erbaun,
Sonst bestellt' ich ohne Graun
Heute mir ein solches Haus,
Wo einst Würmer Tafel halten
Und sich ärgern übern Schmaus
Bei des abgegrämten alten
Magern Weibes Überreft,
Die der König darben läßt.

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